Man fragte hierauf den Director: Wie weit Holland von Batavia und Batavia von Nangasaki sey? Ob der Generaldirector der ostindischen Compagnie, oder der Fürst von Holland die meiste Gewalt be- säße? u. s. w. Dem Doctor Kämpfer legte man auch verschiedene Fragen vor, die er beant- worten mußte. Unter andern fragte man ihn: welche äußerliche oder innerliche Krankheit am schwersten zu curiren sey? Was für Curen er bey Geschwüren brauchte, ob die Aerzte in Eu- ropa kein Mittel für den Tod gefunden hätten? Nach beantworteten Fragen, mußten sie auf Befehl des Kaysers, eine lustige Uebung vor- nehmen. Wir mußten, erzählt Kämpfer, unsre Mäntel und Hüte abnehmen, wel- ches unsre Cerimonienkleider waren. Wir mußten aufstehen, damit uns der Kayser recht betrachten konnte. Wir mußten gehen, still stehen, einander Complimen- te machen, springen, uns stellen, als wären wir besoffen, gebrochen japantsch reden, holländisch lesen, singen, und un- sre Mäntel ab und umhängen. Da wir aufs Beßte die Befehle des Kaysers ausgerichtet, sang ich zu meinem Tanze ein Deutsches Liebesliedchen. Auf die Art und mit noch weit mehrern Pos- sen, mußten wir die Geduld haben, den Kayser und seinen ganzen Hof zu belu- stigen.
Das
Man fragte hierauf den Director: Wie weit Holland von Batavia und Batavia von Nangaſaki ſey? Ob der Generaldirector der oſtindiſchen Compagnie, oder der Fuͤrſt von Holland die meiſte Gewalt be- ſaͤße? u. ſ. w. Dem Doctor Kaͤmpfer legte man auch verſchiedene Fragen vor, die er beant- worten mußte. Unter andern fragte man ihn: welche aͤußerliche oder innerliche Krankheit am ſchwerſten zu curiren ſey? Was fuͤr Curen er bey Geſchwuͤren brauchte, ob die Aerzte in Eu- ropa kein Mittel fuͤr den Tod gefunden haͤtten? Nach beantworteten Fragen, mußten ſie auf Befehl des Kayſers, eine luſtige Uebung vor- nehmen. Wir mußten, erzaͤhlt Kaͤmpfer, unſre Maͤntel und Huͤte abnehmen, wel- ches unſre Cerimonienkleider waren. Wir mußten aufſtehen, damit uns der Kayſer recht betrachten konnte. Wir mußten gehen, ſtill ſtehen, einander Complimen- te machen, ſpringen, uns ſtellen, als waͤren wir beſoffen, gebrochen japantſch reden, hollaͤndiſch leſen, ſingen, und un- ſre Maͤntel ab und umhaͤngen. Da wir aufs Beßte die Befehle des Kayſers ausgerichtet, ſang ich zu meinem Tanze ein Deutſches Liebesliedchen. Auf die Art und mit noch weit mehrern Poſ- ſen, mußten wir die Geduld haben, den Kayſer und ſeinen ganzen Hof zu belu- ſtigen.
Das
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Man fragte hierauf den Director: Wie weit
Holland von Batavia und Batavia von
Nangaſaki ſey? Ob der Generaldirector
der oſtindiſchen Compagnie, oder der
Fuͤrſt von Holland die meiſte Gewalt be-
ſaͤße? u. ſ. w. Dem Doctor Kaͤmpfer legte
man auch verſchiedene Fragen vor, die er beant-
worten mußte. Unter andern fragte man ihn:
welche aͤußerliche oder innerliche Krankheit am
ſchwerſten zu curiren ſey? Was fuͤr Curen er
bey Geſchwuͤren brauchte, ob die Aerzte in Eu-
ropa kein Mittel fuͤr den Tod gefunden haͤtten?
Nach beantworteten Fragen, mußten ſie auf
Befehl des Kayſers, eine luſtige Uebung vor-
nehmen. Wir mußten, erzaͤhlt Kaͤmpfer,
unſre Maͤntel und Huͤte abnehmen, wel-
ches unſre Cerimonienkleider waren. Wir
mußten aufſtehen, damit uns der Kayſer
recht betrachten konnte. Wir mußten
gehen, ſtill ſtehen, einander Complimen-
te machen, ſpringen, uns ſtellen, als
waͤren wir beſoffen, gebrochen japantſch
reden, hollaͤndiſch leſen, ſingen, und un-
ſre Maͤntel ab und umhaͤngen. Da wir
aufs Beßte die Befehle des Kayſers
ausgerichtet, ſang ich zu meinem
Tanze ein Deutſches Liebesliedchen. Auf
die Art und mit noch weit mehrern Poſ-
ſen, mußten wir die Geduld haben, den
Kayſer und ſeinen ganzen Hof zu belu-
ſtigen.
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[Poppe, Johann Friedrich]: Characteristik der merkwürdigsten Asiatischen Nationen. Bd. 2. Breslau, 1777, S. 107. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/poppe_charakteristik02_1777/133>, abgerufen am 22.11.2024.
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