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[Poppe, Johann Friedrich]: Characteristik der merkwürdigsten Asiatischen Nationen. Bd. 1. Breslau, 1776.

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welche mit Speisen angefüllt, und mit einem
Teppich bedeckt sind. Wenn der Herr nun an
dem bestimmten Orte angelangt ist; so wird
der Teppich auf die Erde gebreitet; worauf er
alsdenn raucht oder ißt. Geht er auf die
Jagd; so hat er einen bis zwey Falkenjäger
mit dem Vogel in seinem Gefolge bey sich.
Und auf diese Art verlebt gemeiniglich der vor-
nehme Mann seine Jahre.

Nach den Gesetzen des Korans ist ein je-
der firmer Muselmann verbunden, sich zu ver-
heyrathen. Denn man sieht den ledigen Stand
als einen solchen an, der dem Zwecke und der
Hauptabsicht, den sich Gott bey der Erschaf-
fung der Menschen vorgesetzt habe, widersprä-
che. Sie können es daher auch gar nicht
begreifen, wie Christen den ehelosen Stand
unter sich dulden und Keuschheit für eine Tu-
gend halten. Am meisten ist ihnen der Mönchs-
zustand, nach deren Gesetzen sich, wie bekannt,
ein jeder aller Gemeinschaft mit dem andern
Geschlechte enthalten muß, unerklärlich. *)

Schon
*) Genau genommen, haben die Mohammedaner
hierinn völlig Recht. -- Gott hatte bey Er-
schaffung der Eva allerdings die Fortpflanzung
des menschlichen Geschlechts zum Hauptzweck,
und legte in die Naturen der Menschen den
Trieb ein gemeinschaftliches Verlangen, ihr
Geschlecht fortzupflanzen, gegen einander
zu haben. Hierzu kam noch der ausdrückliche
Befehl
D 4

welche mit Speiſen angefuͤllt, und mit einem
Teppich bedeckt ſind. Wenn der Herr nun an
dem beſtimmten Orte angelangt iſt; ſo wird
der Teppich auf die Erde gebreitet; worauf er
alsdenn raucht oder ißt. Geht er auf die
Jagd; ſo hat er einen bis zwey Falkenjaͤger
mit dem Vogel in ſeinem Gefolge bey ſich.
Und auf dieſe Art verlebt gemeiniglich der vor-
nehme Mann ſeine Jahre.

Nach den Geſetzen des Korans iſt ein je-
der firmer Muſelmann verbunden, ſich zu ver-
heyrathen. Denn man ſieht den ledigen Stand
als einen ſolchen an, der dem Zwecke und der
Hauptabſicht, den ſich Gott bey der Erſchaf-
fung der Menſchen vorgeſetzt habe, widerſpraͤ-
che. Sie koͤnnen es daher auch gar nicht
begreifen, wie Chriſten den eheloſen Stand
unter ſich dulden und Keuſchheit fuͤr eine Tu-
gend halten. Am meiſten iſt ihnen der Moͤnchs-
zuſtand, nach deren Geſetzen ſich, wie bekannt,
ein jeder aller Gemeinſchaft mit dem andern
Geſchlechte enthalten muß, unerklaͤrlich. *)

Schon
*) Genau genommen, haben die Mohammedaner
hierinn voͤllig Recht. — Gott hatte bey Er-
ſchaffung der Eva allerdings die Fortpflanzung
des menſchlichen Geſchlechts zum Hauptzweck,
und legte in die Naturen der Menſchen den
Trieb ein gemeinſchaftliches Verlangen, ihr
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zu haben. Hierzu kam noch der ausdruͤckliche
Befehl
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[55/0075] welche mit Speiſen angefuͤllt, und mit einem Teppich bedeckt ſind. Wenn der Herr nun an dem beſtimmten Orte angelangt iſt; ſo wird der Teppich auf die Erde gebreitet; worauf er alsdenn raucht oder ißt. Geht er auf die Jagd; ſo hat er einen bis zwey Falkenjaͤger mit dem Vogel in ſeinem Gefolge bey ſich. Und auf dieſe Art verlebt gemeiniglich der vor- nehme Mann ſeine Jahre. Nach den Geſetzen des Korans iſt ein je- der firmer Muſelmann verbunden, ſich zu ver- heyrathen. Denn man ſieht den ledigen Stand als einen ſolchen an, der dem Zwecke und der Hauptabſicht, den ſich Gott bey der Erſchaf- fung der Menſchen vorgeſetzt habe, widerſpraͤ- che. Sie koͤnnen es daher auch gar nicht begreifen, wie Chriſten den eheloſen Stand unter ſich dulden und Keuſchheit fuͤr eine Tu- gend halten. Am meiſten iſt ihnen der Moͤnchs- zuſtand, nach deren Geſetzen ſich, wie bekannt, ein jeder aller Gemeinſchaft mit dem andern Geſchlechte enthalten muß, unerklaͤrlich. *) Schon *) Genau genommen, haben die Mohammedaner hierinn voͤllig Recht. — Gott hatte bey Er- ſchaffung der Eva allerdings die Fortpflanzung des menſchlichen Geſchlechts zum Hauptzweck, und legte in die Naturen der Menſchen den Trieb ein gemeinſchaftliches Verlangen, ihr Geſchlecht fortzupflanzen, gegen einander zu haben. Hierzu kam noch der ausdruͤckliche Befehl D 4

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Zitationshilfe: [Poppe, Johann Friedrich]: Characteristik der merkwürdigsten Asiatischen Nationen. Bd. 1. Breslau, 1776, S. 55. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/poppe_charakteristik01_1776/75>, abgerufen am 08.05.2024.