tanzen nicht nur auf straffen oder auch auf schlaffen Seilen, wie die Europäischen Seiltän- zer, sondern sie haben auch noch einen beson- dern Kunstgriff, vermöge welchen sie auf ei- nem schreggespannten Seile, das von oben bis unten an eine Mauer gemacht wird, gehen. Sie steigen auf demselben auf und nieder, klammern sich mit den großen Zä- hen an das Seil, und tragen noch überdem zu- weilen ein Kind auf den Schultern. -- Die übrigen machen Kunststücke, die der leicht- gläubige Pöbel oft für Zauberdinge hält. Ta- vernier liefert uns von diesen Gauklern um- ständliche Berichte; seine Erzählungen aber gehen von denen der andern Reisebeschreiber so weit ab, daß wir ihm, in diesem Stücke, kei- nen Glauben beymessen können. Chardin, der diese Spiele alle angesehen und genau untersucht hat, fand das nicht, was Taver- nier will gesehen haben. Er hält das berufene Wunderwerk von einem Baume, den diese vermeinten Zauberer zusehens wachsen lassen, wenn sie ihn mit ihrem Blute begießen, nur für einen listigen Kunstgriff hinter dessen Be- trug er auch selber gekommen ist. Ich habe, sagt er, alle Muhe angewandt, etwas Uebernatürliches von dieser Art anzutref- fen: aber allemal vergebens. Die Zau- berey verschwand, so bald ich die Sache genauer betrachtete, und ich habe mich immer genöthigt gesehen, den Betrug wahrzunehmen.
Dieß
tanzen nicht nur auf ſtraffen oder auch auf ſchlaffen Seilen, wie die Europaͤiſchen Seiltaͤn- zer, ſondern ſie haben auch noch einen beſon- dern Kunſtgriff, vermoͤge welchen ſie auf ei- nem ſchreggeſpannten Seile, das von oben bis unten an eine Mauer gemacht wird, gehen. Sie ſteigen auf demſelben auf und nieder, klammern ſich mit den großen Zaͤ- hen an das Seil, und tragen noch uͤberdem zu- weilen ein Kind auf den Schultern. — Die uͤbrigen machen Kunſtſtuͤcke, die der leicht- glaͤubige Poͤbel oft fuͤr Zauberdinge haͤlt. Ta- vernier liefert uns von dieſen Gauklern um- ſtaͤndliche Berichte; ſeine Erzaͤhlungen aber gehen von denen der andern Reiſebeſchreiber ſo weit ab, daß wir ihm, in dieſem Stuͤcke, kei- nen Glauben beymeſſen koͤnnen. Chardin, der dieſe Spiele alle angeſehen und genau unterſucht hat, fand das nicht, was Taver- nier will geſehen haben. Er haͤlt das berufene Wunderwerk von einem Baume, den dieſe vermeinten Zauberer zuſehens wachſen laſſen, wenn ſie ihn mit ihrem Blute begießen, nur fuͤr einen liſtigen Kunſtgriff hinter deſſen Be- trug er auch ſelber gekommen iſt. Ich habe, ſagt er, alle Můhe angewandt, etwas Uebernatuͤrliches von dieſer Art anzutref- fen: aber allemal vergebens. Die Zau- berey verſchwand, ſo bald ich die Sache genauer betrachtete, und ich habe mich immer genoͤthigt geſehen, den Betrug wahrzunehmen.
Dieß
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tanzen nicht nur auf ſtraffen oder auch auf
ſchlaffen Seilen, wie die Europaͤiſchen Seiltaͤn-
zer, ſondern ſie haben auch noch einen beſon-
dern Kunſtgriff, vermoͤge welchen ſie auf ei-
nem ſchreggeſpannten Seile, das von oben
bis unten an eine Mauer gemacht wird,
gehen. Sie ſteigen auf demſelben auf und
nieder, klammern ſich mit den großen Zaͤ-
hen an das Seil, und tragen noch uͤberdem zu-
weilen ein Kind auf den Schultern. — Die
uͤbrigen machen Kunſtſtuͤcke, die der leicht-
glaͤubige Poͤbel oft fuͤr Zauberdinge haͤlt. Ta-
vernier liefert uns von dieſen Gauklern um-
ſtaͤndliche Berichte; ſeine Erzaͤhlungen aber
gehen von denen der andern Reiſebeſchreiber ſo
weit ab, daß wir ihm, in dieſem Stuͤcke, kei-
nen Glauben beymeſſen koͤnnen. Chardin,
der dieſe Spiele alle angeſehen und genau
unterſucht hat, fand das nicht, was Taver-
nier will geſehen haben. Er haͤlt das berufene
Wunderwerk von einem Baume, den dieſe
vermeinten Zauberer zuſehens wachſen laſſen,
wenn ſie ihn mit ihrem Blute begießen, nur
fuͤr einen liſtigen Kunſtgriff hinter deſſen Be-
trug er auch ſelber gekommen iſt. Ich habe,
ſagt er, alle Můhe angewandt, etwas
Uebernatuͤrliches von dieſer Art anzutref-
fen: aber allemal vergebens. Die Zau-
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genauer betrachtete, und ich habe mich
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[Poppe, Johann Friedrich]: Characteristik der merkwürdigsten Asiatischen Nationen. Bd. 1. Breslau, 1776, S. 50. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/poppe_charakteristik01_1776/70>, abgerufen am 27.11.2024.
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