Es dauerte nicht lange; so sah man die glückliche und geschwinde Würkung seiner neuen Einrichtungen, und die ganze Staats- einrichtung in weniger als drey Monathen gänzlich verbessert. Die benachbarten Fürsten fiengen an, über die schnelle Verbesserung eines Staats aufmerksam und eifersüchtig zu wer- den, der sich vorher durch die große Unord- nung, in Verwaltung der bürgerlichen Einrich- tungen, so sehr signalisirt hatte. Da diese wohl einsahen, daß einen Staat nichts blü- hender mache, als die gute Ordnung und ge- naue Befolgung der Gesetze; so urtheilten sie nicht ohne Grund, daß der König von Lou, dafern er fortführe, den Rathschlägen eines so weisen und erleuchteten Mannes zu folgen, gar zu mächtig werden könnte. -- Der König von Tsi und seine Staatsbedienten bothen da- her alle ihre Kräfte auf, die schicklichsten Mit- tel zu erdenken, den Unterricht und patrioti- schen Eifer des Philosophen zu vereiteln. Sie kamen endlich nach vielen Berathschla- gungen, darinn überein, zur List ihre Zuflucht zu nehmen; und diese bestand darinn: der König von Tsi sandte eine Gesandtschaft an den König von Lou, und machte diesem Für- sten und seinen Staatsministern ein Geschenk mit einer großen Anzahl junger und schöner Mägdchen, die im Singen, Tanzen und an- dern Dingen, welche die Sinne schmeicheln, vorzüglich unterrichtet waren. Diese List
glückte.
Es dauerte nicht lange; ſo ſah man die gluͤckliche und geſchwinde Wuͤrkung ſeiner neuen Einrichtungen, und die ganze Staats- einrichtung in weniger als drey Monathen gaͤnzlich verbeſſert. Die benachbarten Fuͤrſten fiengen an, uͤber die ſchnelle Verbeſſerung eines Staats aufmerkſam und eiferſuͤchtig zu wer- den, der ſich vorher durch die große Unord- nung, in Verwaltung der buͤrgerlichen Einrich- tungen, ſo ſehr ſignaliſirt hatte. Da dieſe wohl einſahen, daß einen Staat nichts bluͤ- hender mache, als die gute Ordnung und ge- naue Befolgung der Geſetze; ſo urtheilten ſie nicht ohne Grund, daß der Koͤnig von Lou, dafern er fortfuͤhre, den Rathſchlaͤgen eines ſo weiſen und erleuchteten Mannes zu folgen, gar zu maͤchtig werden koͤnnte. — Der Koͤnig von Tſi und ſeine Staatsbedienten bothen da- her alle ihre Kraͤfte auf, die ſchicklichſten Mit- tel zu erdenken, den Unterricht und patrioti- ſchen Eifer des Philoſophen zu vereiteln. Sie kamen endlich nach vielen Berathſchla- gungen, darinn uͤberein, zur Liſt ihre Zuflucht zu nehmen; und dieſe beſtand darinn: der Koͤnig von Tſi ſandte eine Geſandtſchaft an den Koͤnig von Lou, und machte dieſem Fuͤr- ſten und ſeinen Staatsminiſtern ein Geſchenk mit einer großen Anzahl junger und ſchoͤner Maͤgdchen, die im Singen, Tanzen und an- dern Dingen, welche die Sinne ſchmeicheln, vorzuͤglich unterrichtet waren. Dieſe Liſt
gluͤckte.
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><pbfacs="#f0303"n="283"/><p>Es dauerte nicht lange; ſo ſah man die<lb/>
gluͤckliche und geſchwinde Wuͤrkung ſeiner<lb/>
neuen Einrichtungen, und die ganze Staats-<lb/>
einrichtung in weniger als drey Monathen<lb/>
gaͤnzlich verbeſſert. Die benachbarten Fuͤrſten<lb/>
fiengen an, uͤber die ſchnelle Verbeſſerung eines<lb/>
Staats aufmerkſam und eiferſuͤchtig zu wer-<lb/>
den, der ſich vorher durch die große Unord-<lb/>
nung, in Verwaltung der buͤrgerlichen Einrich-<lb/>
tungen, ſo ſehr ſignaliſirt hatte. Da dieſe<lb/>
wohl einſahen, daß einen Staat nichts bluͤ-<lb/>
hender mache, als die gute Ordnung und ge-<lb/>
naue Befolgung der Geſetze; ſo urtheilten ſie<lb/>
nicht ohne Grund, daß der Koͤnig von <hirendition="#fr">Lou</hi>,<lb/>
dafern er fortfuͤhre, den Rathſchlaͤgen eines ſo<lb/>
weiſen und erleuchteten Mannes zu folgen, gar<lb/>
zu maͤchtig werden koͤnnte. — Der Koͤnig<lb/>
von <hirendition="#fr">Tſi</hi> und ſeine Staatsbedienten bothen da-<lb/>
her alle ihre Kraͤfte auf, die ſchicklichſten Mit-<lb/>
tel zu erdenken, den Unterricht und patrioti-<lb/>ſchen Eifer des Philoſophen zu vereiteln.<lb/>
Sie kamen endlich nach vielen Berathſchla-<lb/>
gungen, darinn uͤberein, zur Liſt ihre Zuflucht<lb/>
zu nehmen; und dieſe beſtand darinn: der<lb/>
Koͤnig von <hirendition="#fr">Tſi</hi>ſandte eine Geſandtſchaft an<lb/>
den Koͤnig von <hirendition="#fr">Lou</hi>, und machte dieſem Fuͤr-<lb/>ſten und ſeinen Staatsminiſtern ein Geſchenk<lb/>
mit einer großen Anzahl junger und ſchoͤner<lb/>
Maͤgdchen, die im Singen, Tanzen und an-<lb/>
dern Dingen, welche die Sinne ſchmeicheln,<lb/>
vorzuͤglich unterrichtet waren. Dieſe Liſt<lb/><fwplace="bottom"type="catch">gluͤckte.</fw><lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[283/0303]
Es dauerte nicht lange; ſo ſah man die
gluͤckliche und geſchwinde Wuͤrkung ſeiner
neuen Einrichtungen, und die ganze Staats-
einrichtung in weniger als drey Monathen
gaͤnzlich verbeſſert. Die benachbarten Fuͤrſten
fiengen an, uͤber die ſchnelle Verbeſſerung eines
Staats aufmerkſam und eiferſuͤchtig zu wer-
den, der ſich vorher durch die große Unord-
nung, in Verwaltung der buͤrgerlichen Einrich-
tungen, ſo ſehr ſignaliſirt hatte. Da dieſe
wohl einſahen, daß einen Staat nichts bluͤ-
hender mache, als die gute Ordnung und ge-
naue Befolgung der Geſetze; ſo urtheilten ſie
nicht ohne Grund, daß der Koͤnig von Lou,
dafern er fortfuͤhre, den Rathſchlaͤgen eines ſo
weiſen und erleuchteten Mannes zu folgen, gar
zu maͤchtig werden koͤnnte. — Der Koͤnig
von Tſi und ſeine Staatsbedienten bothen da-
her alle ihre Kraͤfte auf, die ſchicklichſten Mit-
tel zu erdenken, den Unterricht und patrioti-
ſchen Eifer des Philoſophen zu vereiteln.
Sie kamen endlich nach vielen Berathſchla-
gungen, darinn uͤberein, zur Liſt ihre Zuflucht
zu nehmen; und dieſe beſtand darinn: der
Koͤnig von Tſi ſandte eine Geſandtſchaft an
den Koͤnig von Lou, und machte dieſem Fuͤr-
ſten und ſeinen Staatsminiſtern ein Geſchenk
mit einer großen Anzahl junger und ſchoͤner
Maͤgdchen, die im Singen, Tanzen und an-
dern Dingen, welche die Sinne ſchmeicheln,
vorzuͤglich unterrichtet waren. Dieſe Liſt
gluͤckte.
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
[Poppe, Johann Friedrich]: Characteristik der merkwürdigsten Asiatischen Nationen. Bd. 1. Breslau, 1776, S. 283. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/poppe_charakteristik01_1776/303>, abgerufen am 22.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.