de zu gleicher Zeit auf die Nachfolge Ansprü- che. Es wurde von beyden Seiten heftig ge- stritten: wie man aber sah, daß die Sache durch einen gütlichen Vergleich nicht konnte beygelegt werden; so kam es von beyden Sei- ten zu einem förmlichen Kriege. Das Schick- sal war dem Abubeker günstig, und er erhielt würklich das Hohepriesterthum. Seine Re- gierung dauerte aber nur drey Jahre, worauf Omar, einer von den vornehmsten Generalen der Armee, die Regierung erhielt, und sie zehn Jahre lang mit vieler Klugheit verwaltete. Auf diesen Omar folgte Osman, und regier- te ohngefähr eilf Jahre. Nach dessen Tode fand sich Niemand, der auf die Nachfolge An- sprüche machte, als Aly: er wurde auch würk- lich zum Nachfolger erwählt, und man glaub- te, daß nun alle Zwistigkeiten würden gehoben seyn. -- Allein, so bald Aly gestorben war, und dessen ältester Sohn seinem Vater in der Regierung nachfolgen wollte, widersetzte sich ihm die Armee, und verlangte, daß ein neuer Nachfolger sollte erwählt werden. Es kam hierauf wieder zu einem blutigen Kriege, der noch länger würde gedauert haben, wenn sich die Religion nicht ins Mittel gelegt hätte.
Die Vorschriften und Lehren des Moham- meds waren noch, wie er starb, gar nicht völlig ausgearbeitet, und sein Gesetzbuch noch nicht hinlänglich bekannt gemacht. Es fanden sich Dinge darin, die das Volk gar nicht verstehen
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de zu gleicher Zeit auf die Nachfolge Anſpruͤ- che. Es wurde von beyden Seiten heftig ge- ſtritten: wie man aber ſah, daß die Sache durch einen guͤtlichen Vergleich nicht konnte beygelegt werden; ſo kam es von beyden Sei- ten zu einem foͤrmlichen Kriege. Das Schick- ſal war dem Abubeker guͤnſtig, und er erhielt wuͤrklich das Hoheprieſterthum. Seine Re- gierung dauerte aber nur drey Jahre, worauf Omar, einer von den vornehmſten Generalen der Armee, die Regierung erhielt, und ſie zehn Jahre lang mit vieler Klugheit verwaltete. Auf dieſen Omar folgte Osman, und regier- te ohngefaͤhr eilf Jahre. Nach deſſen Tode fand ſich Niemand, der auf die Nachfolge An- ſpruͤche machte, als Aly: er wurde auch wuͤrk- lich zum Nachfolger erwaͤhlt, und man glaub- te, daß nun alle Zwiſtigkeiten wuͤrden gehoben ſeyn. — Allein, ſo bald Aly geſtorben war, und deſſen aͤlteſter Sohn ſeinem Vater in der Regierung nachfolgen wollte, widerſetzte ſich ihm die Armee, und verlangte, daß ein neuer Nachfolger ſollte erwaͤhlt werden. Es kam hierauf wieder zu einem blutigen Kriege, der noch laͤnger wuͤrde gedauert haben, wenn ſich die Religion nicht ins Mittel gelegt haͤtte.
Die Vorſchriften und Lehren des Moham- meds waren noch, wie er ſtarb, gar nicht voͤllig ausgearbeitet, und ſein Geſetzbuch noch nicht hinlaͤnglich bekannt gemacht. Es fanden ſich Dinge darin, die das Volk gar nicht verſtehen
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de zu gleicher Zeit auf die Nachfolge Anſpruͤ-
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ſtritten: wie man aber ſah, daß die Sache
durch einen guͤtlichen Vergleich nicht konnte
beygelegt werden; ſo kam es von beyden Sei-
ten zu einem foͤrmlichen Kriege. Das Schick-
ſal war dem Abubeker guͤnſtig, und er erhielt
wuͤrklich das Hoheprieſterthum. Seine Re-
gierung dauerte aber nur drey Jahre, worauf
Omar, einer von den vornehmſten Generalen
der Armee, die Regierung erhielt, und ſie zehn
Jahre lang mit vieler Klugheit verwaltete.
Auf dieſen Omar folgte Osman, und regier-
te ohngefaͤhr eilf Jahre. Nach deſſen Tode
fand ſich Niemand, der auf die Nachfolge An-
ſpruͤche machte, als Aly: er wurde auch wuͤrk-
lich zum Nachfolger erwaͤhlt, und man glaub-
te, daß nun alle Zwiſtigkeiten wuͤrden gehoben
ſeyn. — Allein, ſo bald Aly geſtorben war,
und deſſen aͤlteſter Sohn ſeinem Vater in der
Regierung nachfolgen wollte, widerſetzte ſich
ihm die Armee, und verlangte, daß ein neuer
Nachfolger ſollte erwaͤhlt werden. Es kam
hierauf wieder zu einem blutigen Kriege, der
noch laͤnger wuͤrde gedauert haben, wenn ſich
die Religion nicht ins Mittel gelegt haͤtte.
Die Vorſchriften und Lehren des Moham-
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ausgearbeitet, und ſein Geſetzbuch noch nicht
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[Poppe, Johann Friedrich]: Characteristik der merkwürdigsten Asiatischen Nationen. Bd. 1. Breslau, 1776, S. 173. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/poppe_charakteristik01_1776/193>, abgerufen am 21.11.2024.
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