Pomet, Peter: Der aufrichtige Materialist und Specerey-Händler. Leipzig, 1717.Hauptbeschreibung zweyter Theil. [Spaltenumbruch]
der Zweige, die die Geissen fressen, for-miret worden ist. Weil dann diese Stei- ne viel rarer sind, als die andern, so sind sie auch um soviel theurer, und werden mehr gesucht; und wenn man einen findet, der so groß ist als eine Ha- selnuß, muß er mehrmahls hundert Thaler gelten. Die Portugisen halten unter allen Völckern am meisten auf die- sen Stein, weil sie sich stets vor einander in Acht zu nehmen haben, u. sich befürch- ten, ihr Feind werde ihnen vergeben. Allein, ich kan dem Herrn Taver- Diese Haut, im Kupfer mit A be- Dem sey aber wie ihm sey, der ori- Vor diesem wurde der Bezoar hauf- und
Hauptbeſchreibung zweyter Theil. [Spaltenumbruch]
der Zweige, die die Geiſſen freſſen, for-miret worden iſt. Weil dann dieſe Stei- ne viel rarer ſind, als die andern, ſo ſind ſie auch um ſoviel theurer, und werden mehr geſucht; und wenn man einen findet, der ſo groß iſt als eine Ha- ſelnuß, muß er mehrmahls hundert Thaler gelten. Die Portugiſen halten unter allen Voͤlckeꝛn am meiſten auf die- ſen Stein, weil ſie ſich ſtets vor einander in Acht zu nehmen haben, u. ſich befuͤrch- ten, ihr Feind werde ihnen vergeben. Allein, ich kan dem Herrn Taver- Dieſe Haut, im Kupfer mit A be- Dem ſey aber wie ihm ſey, der ori- Vor dieſem wurde der Bezoar hauf- und
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Die <hi rendition="#fr">Portugiſen</hi> halten<lb/> unter allen Voͤlckeꝛn am meiſten auf die-<lb/> ſen Stein, weil ſie ſich ſtets vor einander<lb/> in Acht zu nehmen haben, u. ſich befuͤrch-<lb/> ten, ihr Feind werde ihnen vergeben.</p><lb/> <p>Allein, ich kan dem Herrn <hi rendition="#fr">Taver-<lb/> nier</hi> unmoͤglich Beyfall geben; denn,<lb/> wenn er ſoviel Bezoartragende Thiere<lb/> geſehen, wie er vermeldet, wuͤrde er ja<lb/> auſſer Zweiffel eines haben ſtechen laſ-<lb/> ſen, als wie das Biſamthier: habe mich<lb/> dannenhero lieber an den Bericht des<lb/> Herrn <hi rendition="#fr">Renou</hi> halten wollen, welcher<lb/> in ſeinem Buch am 451. Bl. folgendes<lb/> gemeldet: Es iſt ein uͤberaus behendes<lb/> Thier, welches nach ſeinem Gefallen<lb/> von Stein zu Stein zu ſpringen pflegt,<lb/> dabey ſehr grauſam, und toͤdtet die Jn-<lb/> dianiſchen Jaͤger oftermahls, wenn ſie<lb/> es zu heftig draͤngen. Seine Klauen<lb/> ſind geſpalten, gerade wie der Ziegen,<lb/> die Schenckel ſind dicke genug, der<lb/> Schwantz kurtz und krumm gebogen,<lb/> der Leib zotticht, wie ein Bock; ieden-<lb/> noch iſt das Haar weit kuͤrtzer, und Aſch-<lb/> grau, ein wenig roͤthlicht, oder, es ſie-<lb/> het vielmehr wie ein Rehe, am Bauche.<lb/> Der Kopf iſt wie der Kopf eines Bocks<lb/> geſtalt, und mit zwey Hoͤrnern gewaff-<lb/> net, welche gantz ſchwartz ſind, unten<lb/> hol und zuruͤckgekehret, liegen faſt auf<lb/> dem Ruͤcken, da ſie dann, indem ſie na-<lb/> he zuſammen gehen, einen ſtumpfen<lb/> Winckel machen. Daß ſolches die<lb/> Wahrheit, kan ich ſelbſt bezeugen, und<lb/> um ſoviel deſto mehr verſichern, dieweil<lb/> ich deren zweye zu <hi rendition="#fr">Coubert</hi> auf des<lb/> Marſchalls <hi rendition="#fr">de Vitri</hi> Schloſſe geſehen,<lb/> auch die Fuͤſſe zuſamt den Hoͤrnern und<lb/> der Haut des Thiers gefunden, welche<lb/> durchgehends mit dem Berichte des<lb/> Herrn <hi rendition="#fr">Renou</hi> uͤbereinkamen. 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Desgleichen muß<lb/> man Acht haben, daß kein nachgemach-<lb/> ter unter den guten gemiſchet ſey, be-<lb/> voraus, wenn man eine groſſe Quan-<lb/> titaͤt kauffet: denn ie gleiſſender, dicht,<lb/> dick und runder er iſt, ie hoͤher wird er<lb/> gehalten. Was aber die Geſtalt be-<lb/> trifft, dieſelbige hilfft nichts zum medi-<lb/> ciniſchen Gebrauch, eben als wie die<lb/> Farbe, indem es gar zu vielerley Arten<lb/> giebet, runde, lange, gekruͤmmte, hoͤck-<lb/> richte, dichte, ſandichte, weiſſe, gelbe<lb/> und graue. 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Hauptbeſchreibung zweyter Theil.
der Zweige, die die Geiſſen freſſen, for-
miret worden iſt. Weil dann dieſe Stei-
ne viel rarer ſind, als die andern, ſo
ſind ſie auch um ſoviel theurer, und
werden mehr geſucht; und wenn man
einen findet, der ſo groß iſt als eine Ha-
ſelnuß, muß er mehrmahls hundert
Thaler gelten. Die Portugiſen halten
unter allen Voͤlckeꝛn am meiſten auf die-
ſen Stein, weil ſie ſich ſtets vor einander
in Acht zu nehmen haben, u. ſich befuͤrch-
ten, ihr Feind werde ihnen vergeben.
Allein, ich kan dem Herrn Taver-
nier unmoͤglich Beyfall geben; denn,
wenn er ſoviel Bezoartragende Thiere
geſehen, wie er vermeldet, wuͤrde er ja
auſſer Zweiffel eines haben ſtechen laſ-
ſen, als wie das Biſamthier: habe mich
dannenhero lieber an den Bericht des
Herrn Renou halten wollen, welcher
in ſeinem Buch am 451. Bl. folgendes
gemeldet: Es iſt ein uͤberaus behendes
Thier, welches nach ſeinem Gefallen
von Stein zu Stein zu ſpringen pflegt,
dabey ſehr grauſam, und toͤdtet die Jn-
dianiſchen Jaͤger oftermahls, wenn ſie
es zu heftig draͤngen. Seine Klauen
ſind geſpalten, gerade wie der Ziegen,
die Schenckel ſind dicke genug, der
Schwantz kurtz und krumm gebogen,
der Leib zotticht, wie ein Bock; ieden-
noch iſt das Haar weit kuͤrtzer, und Aſch-
grau, ein wenig roͤthlicht, oder, es ſie-
het vielmehr wie ein Rehe, am Bauche.
Der Kopf iſt wie der Kopf eines Bocks
geſtalt, und mit zwey Hoͤrnern gewaff-
net, welche gantz ſchwartz ſind, unten
hol und zuruͤckgekehret, liegen faſt auf
dem Ruͤcken, da ſie dann, indem ſie na-
he zuſammen gehen, einen ſtumpfen
Winckel machen. Daß ſolches die
Wahrheit, kan ich ſelbſt bezeugen, und
um ſoviel deſto mehr verſichern, dieweil
ich deren zweye zu Coubert auf des
Marſchalls de Vitri Schloſſe geſehen,
auch die Fuͤſſe zuſamt den Hoͤrnern und
der Haut des Thiers gefunden, welche
durchgehends mit dem Berichte des
Herrn Renou uͤbereinkamen. Was
die Haut betrifft, die iſt nach aller Ver-
ſtaͤndigen Gedancken, eine der groͤſten
Raritaͤten, die man in langer Zeit in
Franckreich geſehen hat.
Dieſe Haut, im Kupfer mit A be-
zeichnet, iſt ſo dicke, wie ein Gaͤn-
ſeey, auſſenher mit rauhen, kurtzen und
tannetfarbenen Haaren verſehen.
Wann dieſe entzwey geſchnitten wor-
den, findet ſich eine Schale drunter,
welche zart iſt und braun ſiehet, und ei-
ne andere, weiſſe und harte Schale be-
decket, in welcher der Stein, den man
Bezoar betitelt hat, liegt. Dieſes iſt
demnach alle demjenigen, was die Au-
tores davon geſchrieben, gantz und gar
entgegen; ich aber wuͤrde mich nicht
unterſtanden haben, etwas ſolches vor-
zubringen, dafern ich nicht das Origi-
nal in Haͤnden haͤtte, woraus zur Gnuͤ-
ge erhellet, daß in dem Bauch eines ie-
den Thieres mehr nicht deñ ein eintziger
Stein gefunden werde, und diß von we-
gen der Dicke dieſer Haut. Allem An-
ſehen nach iſt auch das die Urſache, wa-
rum der Bezoar ſo gar theuer iſt, weil
naͤmlich eine groſſe Menge dieſer Thie-
re ſonder Steine gefunden werden.
Dem ſey aber wie ihm ſey, der ori-
entaliſche Bezoar muß gleiſſend ſeyn,
gut und faſt als wie Ambra riechen,
ſanft anzufuͤhlen, und wenn er auf Pa-
pier, das mit Bleyweiß beſtrichen iſt,
gerieben wird, muß er daſſelbe gelb faͤr-
ben: auch muß er unzerbrochen, und
ohne uͤbelgeſtalte Stuͤcklein ſeyn, ſoviel
nur immer moͤglich. Desgleichen muß
man Acht haben, daß kein nachgemach-
ter unter den guten gemiſchet ſey, be-
voraus, wenn man eine groſſe Quan-
titaͤt kauffet: denn ie gleiſſender, dicht,
dick und runder er iſt, ie hoͤher wird er
gehalten. Was aber die Geſtalt be-
trifft, dieſelbige hilfft nichts zum medi-
ciniſchen Gebrauch, eben als wie die
Farbe, indem es gar zu vielerley Arten
giebet, runde, lange, gekruͤmmte, hoͤck-
richte, dichte, ſandichte, weiſſe, gelbe
und graue. Die vornehmſte Farbe,
die am meiſten gefunden wird, iſt die
Olivenfarbe.
Bisweilen
findet ſich
orientaliſchet
Bezoar mit
Goldflin-
terlein/ wel-
cher alle dem
andern vor-
zuziehen iſt.
Vor dieſem wurde der Bezoar hauf-
fig gebrauchet, anietzo aber weiß man
bey nahe gar nicht mehr, was es iſt;
entweder, weil die Zeiten ſo elende wer-
den, oder aber, weil er zu theuer iſt;
oder, weil er aus der Mode gekommen,
ob es gleich eine vortreffliche Artzney iſt,
die ſowohl das Hertz vor boͤſer Luft ver-
wahret, als auch denenjenigen, welche
mit den Bocken, und andern giftigen
und
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