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Pomet, Peter: Der aufrichtige Materialist und Specerey-Händler. Leipzig, 1717.

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Hauptbeschreibung zweyter Theil.
[Spaltenumbruch] ein halb Talent, und war für mittlere
Standespersonen bestimmet, dabey
man sich begnügen liesse, daß man dem
Verstorbenen Wasser in den Hintern
spritzte, oder ein decoctum von Kräu-
tern und Spezereyen und Cedernöl:
hernach ward der also zubereitete Cör-
per gantzer sechs und sechzig Tage lang
in Saltz geleget. Wann dieses vorbey,
ward er wieder heraus genommen, und
das Loch geöffnet, damit die Eingewei-
de, welche nunmehro fast gantz zerfres-
sen und zergangen waren, herausgehen
konten. Nachdem nun solches alles ver-
richtet, wurde der Leib in zarte Lein-
wand-Binden, die mit Myrrhen und
Judenpech geträncket waren, gewickelt,
und der Zeichner, den sie Scribam nenne-
ten, überdeckte alles mit einer gemahlten
Leinwand, auf welche die Ceremonien
und Gebräuche ihrer Religion, ein
Hauffen hieroglyphische Figuren, zu-
samt den Thieren, die der Verstorbene
am liebsten gehabt, abgebildet stunden.
Das vornehmste Thier, und das sie am
meisten zu verehren pflegten, war der
Käfer, nicht allein wegen seiner wun-
dersamen Geburt, sondern auch von we-
gen der Gleichheit, die dieses Ungezie-
fer, ihrem Vorgeben nach, mit der Son-
ne haben solte. Und gewiß, so häßlich
auch dieses kleine Thierlein ist, indem es
mehrentheils im Kothe stecket, dennoch
hat es einen recht wunderbaren inner-
lichen Trieb sein Geschlechte zu vermeh-
ren, und zu erhalten. Denn dieses
Thierlein zeuget sich selbsten, ohne
Hülffe eines Weibleins, und wenn das
Männlein hecken will, so sucht es ihm ei-
nen Kühfladen: wenn es den gefunden,
macht es eine runde Kugel davon, in
Gestalt einer Weltkugel, hernach wal-
tzet es dieselbe mit seinen Füßgen von
Morgen gegen Abend zu, er aber kehrt
sich gegen Morgen, und ahmet also der
Bewegung der Weltkugel nach, indem
als denn die Kugel von Morgen gegen
Abend zu lauffen muß, auf eine gantz
andere und widrige Art, als die Ster-
ne zu lauffen pflegen. Wann es dann
dergestalt seine Kugel genug gewaltzet
hat, versteckt es dieselbe in die Erde, und
läßt sie vier Wochen lang darinne, in
welcher Zeit der Mond den Thierkreis
durchlauft, und binnen dieser Zeit zeu-
get und erzielt es die Käferlein in dieser
[Spaltenumbruch] Kugel. Am neun und zwantzigsten Ta-
ge, an dem die Conjunction der Sonnen
und des Monden geschicht, wie denn
auch alles an diesem Tage hervorkommt,
waltzet dieses Thierlein seine Kugel ins
Wasser; darinne zergeht sie, und die
Käferlein kriechen heraus. Und eben
darum hat man unter diesem Denck-
und Sinnebilde die Geburt und die
Väter vorgestellt, weil dieses kleine Ge-
würme einen Vater, aber keine Mut-
ter hat. Sie bilden auch die Welt da-
runter vor, von wegen der Kugel, die
sie machen und herum waltzen; und die
Mannsbilder, weil es lauter Männlein
unter den Käfern giebt. Es werden
zwar gar viel Arten der Käfer gefun-
den, doch diejenigen, welche die Egypter
am meisten verehren, waren die, welche
einen Kopf, wie einen Katzenkopf hat-
ten, mit etlichen Bärten, welches ihnen
zu glauben Anlaß gegeben, daß diese
Thiere einige Gleichheit mit der Sonne
hätten: zumahl, da diese Würmlein an-
noch 30. kleine Klauen, wie Finger ha-
ben, welche die 30. Tage vorstellen, die
die Sonne alle Monate zubringt, wenn
sie die Zeichen des Thierkreises durch-
laufft.

Die andern hieroglyphischen Zeichen
und Bilder zu erklären würde allzulan-
ge fallen, es kan sie ein iedweder bey dem
P. Kircher nachsehen.

Die dritte Art zu balsamiren war
für arme Leute, und wurde mit Pech
und Judenhartz, untereinander vermi-
schet, gemacht, oder die Cörper wurden
mit Kalch oder andern wohlfeilen Din-
gen ausgetrucknet: unterweilen ge-
brauchten sie auch Egyptisches Na-
trum, Saltz, Honig und Wachs dazu.
Desgleichen liessen sie die Leichen in Oele
kochen, damit alle Feuchtigkeit verzeh-
ret würde, als welche die Ursache der
Verfaulung ist: oder, mit Erlaubnüß
und nach Anmerckung eines Gelehrten
unserer Zeit zu reden, der Anfang der
Verwesung ist eine feuchte Wärme, wel-
che sich in das Fleisch einschleichet, wann
dessen Theilgen von einander getrennet
und andere fremde Cörper, die sich in
die Räumlein, von der Wärme eröff-
net und locker gemacht, setzen und sie
einnehmen, mit ihnen vermischet wor-
den. Die Luft aber, welche warm und
feuchte, ist insgemein dasjenige, das die

Cörper

Hauptbeſchreibung zweyter Theil.
[Spaltenumbruch] ein halb Talent, und war fuͤr mittlere
Standesperſonen beſtimmet, dabey
man ſich begnuͤgen lieſſe, daß man dem
Verſtorbenen Waſſer in den Hintern
ſpritzte, oder ein decoctum von Kraͤu-
tern und Spezereyen und Cedernoͤl:
hernach ward der alſo zubereitete Coͤr-
per gantzer ſechs und ſechzig Tage lang
in Saltz geleget. Wann dieſes vorbey,
ward er wieder heraus genommen, und
das Loch geoͤffnet, damit die Eingewei-
de, welche nunmehro faſt gantz zerfreſ-
ſen und zergangen waren, herausgehen
konten. Nachdem nun ſolches alles ver-
richtet, wurde der Leib in zarte Lein-
wand-Binden, die mit Myrrhen und
Judenpech getraͤncket waren, gewickelt,
und der Zeichner, den ſie Scribam nenne-
ten, uͤberdeckte alles mit einer gemahlten
Leinwand, auf welche die Ceremonien
und Gebraͤuche ihrer Religion, ein
Hauffen hieroglyphiſche Figuren, zu-
ſamt den Thieren, die der Verſtorbene
am liebſten gehabt, abgebildet ſtunden.
Das vornehmſte Thier, und das ſie am
meiſten zu verehren pflegten, war der
Kaͤfer, nicht allein wegen ſeiner wun-
derſamen Geburt, ſondern auch von we-
gen der Gleichheit, die dieſes Ungezie-
fer, ihrem Vorgeben nach, mit der Son-
ne haben ſolte. Und gewiß, ſo haͤßlich
auch dieſes kleine Thierlein iſt, indem es
mehrentheils im Kothe ſtecket, dennoch
hat es einen recht wunderbaren inner-
lichen Trieb ſein Geſchlechte zu vermeh-
ren, und zu erhalten. Denn dieſes
Thierlein zeuget ſich ſelbſten, ohne
Huͤlffe eines Weibleins, und wenn das
Maͤnnlein hecken will, ſo ſucht es ihm ei-
nen Kuͤhfladen: wenn es den gefunden,
macht es eine runde Kugel davon, in
Geſtalt einer Weltkugel, hernach wal-
tzet es dieſelbe mit ſeinen Fuͤßgen von
Morgen gegen Abend zu, er aber kehrt
ſich gegen Morgen, und ahmet alſo der
Bewegung der Weltkugel nach, indem
als denn die Kugel von Morgen gegen
Abend zu lauffen muß, auf eine gantz
andere und widrige Art, als die Ster-
ne zu lauffen pflegen. Wann es dann
dergeſtalt ſeine Kugel genug gewaltzet
hat, verſteckt es dieſelbe in die Erde, und
laͤßt ſie vier Wochen lang darinne, in
welcher Zeit der Mond den Thierkreis
durchlauft, und binnen dieſer Zeit zeu-
get und erzielt es die Kaͤferlein in dieſer
[Spaltenumbruch] Kugel. Am neun und zwantzigſten Ta-
ge, an dem die Conjunction der Sonnen
und des Monden geſchicht, wie denn
auch alles an dieſem Tage hervorkom̃t,
waltzet dieſes Thierlein ſeine Kugel ins
Waſſer; darinne zergeht ſie, und die
Kaͤferlein kriechen heraus. Und eben
darum hat man unter dieſem Denck-
und Sinnebilde die Geburt und die
Vaͤter vorgeſtellt, weil dieſes kleine Ge-
wuͤrme einen Vater, aber keine Mut-
ter hat. Sie bilden auch die Welt da-
runter vor, von wegen der Kugel, die
ſie machen und herum waltzen; und die
Mannsbilder, weil es lauter Maͤnnlein
unter den Kaͤfern giebt. Es werden
zwar gar viel Arten der Kaͤfer gefun-
den, doch diejenigen, welche die Egypter
am meiſten verehren, waren die, welche
einen Kopf, wie einen Katzenkopf hat-
ten, mit etlichen Baͤrten, welches ihnen
zu glauben Anlaß gegeben, daß dieſe
Thiere einige Gleichheit mit der Sonne
haͤtten: zumahl, da dieſe Wuͤrmlein an-
noch 30. kleine Klauen, wie Finger ha-
ben, welche die 30. Tage vorſtellen, die
die Sonne alle Monate zubringt, wenn
ſie die Zeichen des Thierkreiſes durch-
laufft.

Die andern hieroglyphiſchen Zeichen
und Bilder zu erklaͤren wuͤrde allzulan-
ge fallen, es kan ſie ein iedweder bey dem
P. Kircher nachſehen.

Die dritte Art zu balſamiren war
fuͤr arme Leute, und wurde mit Pech
und Judenhartz, untereinander vermi-
ſchet, gemacht, oder die Coͤrper wurden
mit Kalch oder andern wohlfeilen Din-
gen ausgetrucknet: unterweilen ge-
brauchten ſie auch Egyptiſches Na-
trum, Saltz, Honig und Wachs dazu.
Desgleichen lieſſen ſie die Leichen in Oele
kochen, damit alle Feuchtigkeit verzeh-
ret wuͤrde, als welche die Urſache der
Verfaulung iſt: oder, mit Erlaubnuͤß
und nach Anmerckung eines Gelehrten
unſerer Zeit zu reden, der Anfang der
Verweſung iſt eine feuchte Waͤrme, wel-
che ſich in das Fleiſch einſchleichet, wann
deſſen Theilgen von einander getrennet
und andere fremde Coͤrper, die ſich in
die Raͤumlein, von der Waͤrme eroͤff-
net und locker gemacht, ſetzen und ſie
einnehmen, mit ihnen vermiſchet wor-
den. Die Luft aber, welche warm und
feuchte, iſt insgemein dasjenige, das die

Coͤrper
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Zitationshilfe: Pomet, Peter: Der aufrichtige Materialist und Specerey-Händler. Leipzig, 1717, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/pomet_materialist_1717/355>, abgerufen am 22.11.2024.