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Pomet, Peter: Der aufrichtige Materialist und Specerey-Händler. Leipzig, 1717.

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Der Spezereyen und Materialien
[Spaltenumbruch] fertigten Kolben thut, und eine gebühr-
liche Menge schlecht Wasser dazu geußt,
hernach Feuer drunter macht, und auf
diese Weise ein weisses klares Oel her-
über treibt, welches überaus durchdrin-
gend ist, und starck riechet, auch viele
herrlich schöne Eigenschaften hat. Die
Kostbarkeit dieses Oels, zumahl, weil
man so gar wenig bekommt, hat etliche
veranlasset, dasselbige zu verfälschen,
und ein anders dafür unterzuschieben.
Wie dann die meisten, die dieses Oel zu
verkauffen haben, kein anderes, denn
ein solches Rosmarinöl verkauffen, dar-
unter sie Spir. Vin. gethan: oder sie ver-
kauffen Spicöl, Lavendelöl und andere
aromatische Oele an jenes statt, welches
aber gar bald zu verspüren, denn das
wahrhafte Rosmarinöl muß weiß, klar
und durchscheinend seyn, von lieblichem
und durchdringendem Geruch.

Essentz oder
Quintessentz
des Rosma-
rins.

Dieses Oel, das man mit allem Recht
die Essentz oder das fünffte Wesen des
Rosmarins nennen könte, hat in der
Medicin einen und den andern Nu-
tzen: doch wird es weit mehr von
den Parfumirern und andern Pri-
vatleuten gebraucht, welche zum Theil
ihre Säfte und Wasser damit anma-
chen, zum Theil aber dasselbe zu Heilung
der Wunden anwenden, denn es ein
herrlich specificum und köstlicher Bal-
sam zu dergleichen Schäden ist. Diese
treffliche Eigenschaften haben denen auf
dem Theater stehenden Marcktschrey-
ern und Qvacksalbern Anleitung gege-
ben, daß sie ihre vornehmste Waare
daraus bereiten, und stets bey ihrer auf-
richtigen Rosmarin-Essentz und Oel zu
schweren pflegen, ob schon diese so ge-
Falsche Ros-
marinessentz.
rühmte Essentz blos aus Terpentinöle
und Burgundischem Peche, das sie unter
einander geschmoltzen, zugerichtet, und
hernachmahls mit der rothen Ochsen-
zungenwurtzel gefärbet ist. Dieses ver-
kauffen sie hernachmahls boshafter
Weise für wahres Rosmarinöl, und
schneiden dergestalt ein ziemlich Stücke
Geld aus einer Waare, die ihnen bey
nahe gar nichts kostet. Auf solche
Weise wird der gemeine Mann betro-
gen, insonderheit, wer sich dergleichen
Springern vertrauet, und verursachet,
daß redliche Leute so gar wenig verkauf-
fen, daß es auch kaum der Mühe werth
ist dran zu gedencken.

[Spaltenumbruch]

Die andere Waare, die wir aus den
Rosmarinblättern ziehen, ist das so ge-
nannte Eau de la Reine d' Hongrie, das
Ungrische Wasser, von dem man vor-Ungrisch
Wasser.

giebet, es habe ein Einsiedler einer Un-
grischen Königin das Recept dazu gege-
ben. Die grossen Tugenden, die man
an diesem Wasser, oder eigentlich zu re-
den, an dem Weingeist, damit die Kraft
der Rosmarinblüten ausgezogen wor-
den, verspüret hat; ingleichen, daß an-
fangs von diesem Wasser ein so grosses
Wesen gemacht, und es folglich aus der-
massen theuer verkauffet wurde: wie es
denn würcklich sehr theuer ist, wenn es,
wie sichs gebühret, bereitet worden ist:
dieses alles hat den mehrern Theil derer-
jenigen, die es gemachet, und noch ma-
chen, veranlasset, nach Mittel und We-
gen zu trachten, damit sie es um einen
wohlfeilen Preiß verlassen könten, auch
eine gantze Maas ihnen kaum so hoch
zu stehen käme, als sonsten ein halb
Stübgen des andern. Und sicherlich,
wir haben fast keine eintzige Waare, da-
bey so viel Betrug mit unterläufft, als
wie bey dem Ungrischen Wasser, abson-
derlich, wenn man es von Beaucaire,
Montpellier/
und andern Orten in
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aber, wenn es von gewissen Leuten ist
gemacht worden, die ich doch nicht nen-
nen will. Denn die meisten, die damit
handeln, und eine Handthierung dar-
aus machen, nehmen statt der wohlge-
reinigten Blüten und des recht starcken
Weinspiritus, Spir. Vin. dephlegmati,
den sie dazu gebrauchen solten, zuweilen
die blosen Blätter; bisweilen auch, daß
die Blumen annoch dabey; und schlech-
ten Branntwein, distilliren es hernach
zusammen, und ziehen einen Spiritum
Vini
herüber, der einen über die massen
starcken Rosmaringeruch hat: oder, da-
mit es noch hurtiger zugehe, so distilliren
sie den Branntwein allein, schütten her-
nachmahls etwas weniges von dem
weissen Rosmarinöl dazu, und thun es
darauf in die Gläser von unterschiede-
ner Grösse, die sie mit ihrem Pitschaft
versiegeln und einen Zettel dran kleben,
mit der ordentlichen Aufschrift: Verita-
ble Eau de la Reine d' Hongrie, faite par un
tel a un tel lieu:
das heißt, aufrichtiges
Ungrisches Wasser, durch den und den,
an dem und dem Orte gemacht. Ein

herr-

Der Spezereyen und Materialien
[Spaltenumbruch] fertigten Kolben thut, und eine gebuͤhr-
liche Menge ſchlecht Waſſer dazu geußt,
hernach Feuer drunter macht, und auf
dieſe Weiſe ein weiſſes klares Oel her-
uͤber treibt, welches uͤberaus durchdrin-
gend iſt, und ſtarck riechet, auch viele
herrlich ſchoͤne Eigenſchaften hat. Die
Koſtbarkeit dieſes Oels, zumahl, weil
man ſo gar wenig bekommt, hat etliche
veranlaſſet, daſſelbige zu verfaͤlſchen,
und ein anders dafuͤr unterzuſchieben.
Wie dann die meiſten, die dieſes Oel zu
verkauffen haben, kein anderes, denn
ein ſolches Rosmarinoͤl verkauffen, dar-
unter ſie Spir. Vin. gethan: oder ſie ver-
kauffen Spicoͤl, Lavendeloͤl und andere
aromatiſche Oele an jenes ſtatt, welches
aber gar bald zu verſpuͤren, denn das
wahrhafte Rosmarinoͤl muß weiß, klar
und durchſcheinend ſeyn, von lieblichem
und durchdringendem Geruch.

Eſſentz oder
Quinteſſentz
des Rosma-
rins.

Dieſes Oel, das man mit allem Recht
die Eſſentz oder das fuͤnffte Weſen des
Rosmarins nennen koͤnte, hat in der
Medicin einen und den andern Nu-
tzen: doch wird es weit mehr von
den Parfumirern und andern Pri-
vatleuten gebraucht, welche zum Theil
ihre Saͤfte und Waſſer damit anma-
chen, zum Theil aber daſſelbe zu Heilung
der Wunden anwenden, denn es ein
herrlich ſpecificum und koͤſtlicher Bal-
ſam zu dergleichen Schaͤden iſt. Dieſe
treffliche Eigenſchaften haben denen auf
dem Theater ſtehenden Marcktſchrey-
ern und Qvackſalbern Anleitung gege-
ben, daß ſie ihre vornehmſte Waare
daraus bereiten, und ſtets bey ihrer auf-
richtigen Rosmarin-Eſſentz und Oel zu
ſchweren pflegen, ob ſchon dieſe ſo ge-
Falſche Ros-
marineſſentz.
ruͤhmte Eſſentz blos aus Terpentinoͤle
und Burgundiſchem Peche, das ſie unter
einander geſchmoltzen, zugerichtet, und
hernachmahls mit der rothen Ochſen-
zungenwurtzel gefaͤrbet iſt. Dieſes ver-
kauffen ſie hernachmahls boshafter
Weiſe fuͤr wahres Rosmarinoͤl, und
ſchneiden dergeſtalt ein ziemlich Stuͤcke
Geld aus einer Waare, die ihnen bey
nahe gar nichts koſtet. Auf ſolche
Weiſe wird der gemeine Mann betro-
gen, inſonderheit, wer ſich dergleichen
Springern vertrauet, und verurſachet,
daß redliche Leute ſo gar wenig verkauf-
fen, daß es auch kaum der Muͤhe werth
iſt dran zu gedencken.

[Spaltenumbruch]

Die andere Waare, die wir aus den
Rosmarinblaͤttern ziehen, iſt das ſo ge-
nannte Eau de la Reine d’ Hongrie, das
Ungriſche Waſſer, von dem man vor-Ungriſch
Waſſer.

giebet, es habe ein Einſiedler einer Un-
griſchen Koͤnigin das Recept dazu gege-
ben. Die groſſen Tugenden, die man
an dieſem Waſſer, oder eigentlich zu re-
den, an dem Weingeiſt, damit die Kraft
der Rosmarinbluͤten ausgezogen wor-
den, verſpuͤret hat; ingleichen, daß an-
fangs von dieſem Waſſer ein ſo groſſes
Weſen gemacht, und es folglich aus der-
maſſen theuer verkauffet wurde: wie es
denn wuͤrcklich ſehr theuer iſt, wenn es,
wie ſichs gebuͤhret, bereitet worden iſt:
dieſes alles hat den mehrern Theil derer-
jenigen, die es gemachet, und noch ma-
chen, veranlaſſet, nach Mittel und We-
gen zu trachten, damit ſie es um einen
wohlfeilen Preiß verlaſſen koͤnten, auch
eine gantze Maas ihnen kaum ſo hoch
zu ſtehen kaͤme, als ſonſten ein halb
Stuͤbgen des andern. Und ſicherlich,
wir haben faſt keine eintzige Waare, da-
bey ſo viel Betrug mit unterlaͤufft, als
wie bey dem Ungriſchen Waſſer, abſon-
derlich, wenn man es von Beaucaire,
Montpellier/
und andern Orten in
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aber, wenn es von gewiſſen Leuten iſt
gemacht worden, die ich doch nicht nen-
nen will. Denn die meiſten, die damit
handeln, und eine Handthierung dar-
aus machen, nehmen ſtatt der wohlge-
reinigten Bluͤten und des recht ſtarcken
Weinſpiritus, Spir. Vin. dephlegmati,
den ſie dazu gebrauchen ſolten, zuweilen
die bloſen Blaͤtter; bisweilen auch, daß
die Blumen annoch dabey; und ſchlech-
ten Branntwein, diſtilliren es hernach
zuſammen, und ziehen einen Spiritum
Vini
heruͤber, der einen uͤber die maſſen
ſtarcken Rosmaringeruch hat: oder, da-
mit es noch hurtiger zugehe, ſo diſtilliren
ſie den Branntwein allein, ſchuͤtten her-
nachmahls etwas weniges von dem
weiſſen Rosmarinoͤl dazu, und thun es
darauf in die Glaͤſer von unterſchiede-
ner Groͤſſe, die ſie mit ihrem Pitſchaft
verſiegeln und einen Zettel dran kleben,
mit der ordentlichen Aufſchrift: Verita-
ble Eau de la Reine d’ Hongrie, faite par un
tel à un tel lieu:
das heißt, aufrichtiges
Ungriſches Waſſer, durch den und den,
an dem und dem Orte gemacht. Ein

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[0204] Der Spezereyen und Materialien fertigten Kolben thut, und eine gebuͤhr- liche Menge ſchlecht Waſſer dazu geußt, hernach Feuer drunter macht, und auf dieſe Weiſe ein weiſſes klares Oel her- uͤber treibt, welches uͤberaus durchdrin- gend iſt, und ſtarck riechet, auch viele herrlich ſchoͤne Eigenſchaften hat. Die Koſtbarkeit dieſes Oels, zumahl, weil man ſo gar wenig bekommt, hat etliche veranlaſſet, daſſelbige zu verfaͤlſchen, und ein anders dafuͤr unterzuſchieben. Wie dann die meiſten, die dieſes Oel zu verkauffen haben, kein anderes, denn ein ſolches Rosmarinoͤl verkauffen, dar- unter ſie Spir. Vin. gethan: oder ſie ver- kauffen Spicoͤl, Lavendeloͤl und andere aromatiſche Oele an jenes ſtatt, welches aber gar bald zu verſpuͤren, denn das wahrhafte Rosmarinoͤl muß weiß, klar und durchſcheinend ſeyn, von lieblichem und durchdringendem Geruch. Dieſes Oel, das man mit allem Recht die Eſſentz oder das fuͤnffte Weſen des Rosmarins nennen koͤnte, hat in der Medicin einen und den andern Nu- tzen: doch wird es weit mehr von den Parfumirern und andern Pri- vatleuten gebraucht, welche zum Theil ihre Saͤfte und Waſſer damit anma- chen, zum Theil aber daſſelbe zu Heilung der Wunden anwenden, denn es ein herrlich ſpecificum und koͤſtlicher Bal- ſam zu dergleichen Schaͤden iſt. Dieſe treffliche Eigenſchaften haben denen auf dem Theater ſtehenden Marcktſchrey- ern und Qvackſalbern Anleitung gege- ben, daß ſie ihre vornehmſte Waare daraus bereiten, und ſtets bey ihrer auf- richtigen Rosmarin-Eſſentz und Oel zu ſchweren pflegen, ob ſchon dieſe ſo ge- ruͤhmte Eſſentz blos aus Terpentinoͤle und Burgundiſchem Peche, das ſie unter einander geſchmoltzen, zugerichtet, und hernachmahls mit der rothen Ochſen- zungenwurtzel gefaͤrbet iſt. Dieſes ver- kauffen ſie hernachmahls boshafter Weiſe fuͤr wahres Rosmarinoͤl, und ſchneiden dergeſtalt ein ziemlich Stuͤcke Geld aus einer Waare, die ihnen bey nahe gar nichts koſtet. Auf ſolche Weiſe wird der gemeine Mann betro- gen, inſonderheit, wer ſich dergleichen Springern vertrauet, und verurſachet, daß redliche Leute ſo gar wenig verkauf- fen, daß es auch kaum der Muͤhe werth iſt dran zu gedencken. Falſche Ros- marineſſentz. Die andere Waare, die wir aus den Rosmarinblaͤttern ziehen, iſt das ſo ge- nannte Eau de la Reine d’ Hongrie, das Ungriſche Waſſer, von dem man vor- giebet, es habe ein Einſiedler einer Un- griſchen Koͤnigin das Recept dazu gege- ben. Die groſſen Tugenden, die man an dieſem Waſſer, oder eigentlich zu re- den, an dem Weingeiſt, damit die Kraft der Rosmarinbluͤten ausgezogen wor- den, verſpuͤret hat; ingleichen, daß an- fangs von dieſem Waſſer ein ſo groſſes Weſen gemacht, und es folglich aus der- maſſen theuer verkauffet wurde: wie es denn wuͤrcklich ſehr theuer iſt, wenn es, wie ſichs gebuͤhret, bereitet worden iſt: dieſes alles hat den mehrern Theil derer- jenigen, die es gemachet, und noch ma- chen, veranlaſſet, nach Mittel und We- gen zu trachten, damit ſie es um einen wohlfeilen Preiß verlaſſen koͤnten, auch eine gantze Maas ihnen kaum ſo hoch zu ſtehen kaͤme, als ſonſten ein halb Stuͤbgen des andern. Und ſicherlich, wir haben faſt keine eintzige Waare, da- bey ſo viel Betrug mit unterlaͤufft, als wie bey dem Ungriſchen Waſſer, abſon- derlich, wenn man es von Beaucaire, Montpellier/ und andern Orten in Languedoc kommen laͤßt; vor allen aber, wenn es von gewiſſen Leuten iſt gemacht worden, die ich doch nicht nen- nen will. Denn die meiſten, die damit handeln, und eine Handthierung dar- aus machen, nehmen ſtatt der wohlge- reinigten Bluͤten und des recht ſtarcken Weinſpiritus, Spir. Vin. dephlegmati, den ſie dazu gebrauchen ſolten, zuweilen die bloſen Blaͤtter; bisweilen auch, daß die Blumen annoch dabey; und ſchlech- ten Branntwein, diſtilliren es hernach zuſammen, und ziehen einen Spiritum Vini heruͤber, der einen uͤber die maſſen ſtarcken Rosmaringeruch hat: oder, da- mit es noch hurtiger zugehe, ſo diſtilliren ſie den Branntwein allein, ſchuͤtten her- nachmahls etwas weniges von dem weiſſen Rosmarinoͤl dazu, und thun es darauf in die Glaͤſer von unterſchiede- ner Groͤſſe, die ſie mit ihrem Pitſchaft verſiegeln und einen Zettel dran kleben, mit der ordentlichen Aufſchrift: Verita- ble Eau de la Reine d’ Hongrie, faite par un tel à un tel lieu: das heißt, aufrichtiges Ungriſches Waſſer, durch den und den, an dem und dem Orte gemacht. Ein herr- Ungriſch Waſſer.

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Zitationshilfe: Pomet, Peter: Der aufrichtige Materialist und Specerey-Händler. Leipzig, 1717, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/pomet_materialist_1717/204>, abgerufen am 07.05.2024.