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Polenz, Wilhelm von: Der Büttnerbauer. Berlin, 1895.

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Gustav ließ seine Frau und den Jungen mit ihnen fahren.
Pauline hatte sich in der letzten Zeit totunglücklich gefühlt.
Die Häuslichkeit fehlte ihrem Ordnung und Ruhe bedürftigen
Sinn. Sie sehnte sich nach der Mutter und ihrem kleinen
Häuschen in Halbenau zurück. Manche Thräne hatte sie heim¬
lich verschluckt, um Gustav nicht durch ihr Leid noch trüber zu
stimmen.

Ernestine war leichten Herzens. Unter allen Mädchen
hatte sie am meisten zurückgelegt vom Verdienst. Was sie
mit Häschke verabredet habe, erfuhr niemand, aber es war
anzunehmen, daß sie einig seien. Er hatte ihr seine Erspar¬
nisse übergeben, als eine Art von Unterpfand, daß er sie nicht
sitzen lassen werde. Man munkelte, er wolle zunächst in seine
Heimat zurückkehren, um sich dort nach festem Erwerb umzu¬
sehen, dann würde er Ernestinen nachholen und Hochzeit mit
ihr machen.

Das andere Liebespaar machte es ähnlich. Fumfack wollte
nach beendeter Rübenarbeit wieder zu seinem Schmiedegewerbe
zurückkehren. Mit dem von ihm und seiner Braut verdienten
Gelde hatte er vor, sich selbständig zu machen. Dann sollte
geheiratet werden.

Von der ganzen Gesellschaft blieb nur einer im Westen
zurück, das war Welke, der ehemalige Stallbursche. Der hatte
eine Stelle als Kutscher bei einem Fabrikanten der Nachbarschaft
angenommen.

Die vier Männer arbeiteten noch ihre Aufgabe ab. End¬
lich war die letzte Schaufel Erde auf die große Rübenmiete
geworfen. Nun konnten auch sie reisen.

Gustav hatte zum Schluß noch eine häßliche Auseinander¬
setzung mit dem Inspektor. Die Gratifikation, welche ihm im
Frühjahr in Aussicht gestellt worden war, sollte ihm jetzt vor¬
enthalten werden. Und in seinem Kontrakte stand doch, er
solle eine Extravergütung erhalten, falls man mit den Leistungen
seiner Leute zufrieden sein würde! -- Nun war es außer allem
Zweifel, daß diese Gruppe mehr und besser gearbeitet hatte,
als irgend eine andere. Aber jetzt, wo Gustav erklärt hatte,

Guſtav ließ ſeine Frau und den Jungen mit ihnen fahren.
Pauline hatte ſich in der letzten Zeit totunglücklich gefühlt.
Die Häuslichkeit fehlte ihrem Ordnung und Ruhe bedürftigen
Sinn. Sie ſehnte ſich nach der Mutter und ihrem kleinen
Häuschen in Halbenau zurück. Manche Thräne hatte ſie heim¬
lich verſchluckt, um Guſtav nicht durch ihr Leid noch trüber zu
ſtimmen.

Erneſtine war leichten Herzens. Unter allen Mädchen
hatte ſie am meiſten zurückgelegt vom Verdienſt. Was ſie
mit Häſchke verabredet habe, erfuhr niemand, aber es war
anzunehmen, daß ſie einig ſeien. Er hatte ihr ſeine Erſpar¬
niſſe übergeben, als eine Art von Unterpfand, daß er ſie nicht
ſitzen laſſen werde. Man munkelte, er wolle zunächſt in ſeine
Heimat zurückkehren, um ſich dort nach feſtem Erwerb umzu¬
ſehen, dann würde er Erneſtinen nachholen und Hochzeit mit
ihr machen.

Das andere Liebespaar machte es ähnlich. Fumfack wollte
nach beendeter Rübenarbeit wieder zu ſeinem Schmiedegewerbe
zurückkehren. Mit dem von ihm und ſeiner Braut verdienten
Gelde hatte er vor, ſich ſelbſtändig zu machen. Dann ſollte
geheiratet werden.

Von der ganzen Geſellſchaft blieb nur einer im Weſten
zurück, das war Welke, der ehemalige Stallburſche. Der hatte
eine Stelle als Kutſcher bei einem Fabrikanten der Nachbarſchaft
angenommen.

Die vier Männer arbeiteten noch ihre Aufgabe ab. End¬
lich war die letzte Schaufel Erde auf die große Rübenmiete
geworfen. Nun konnten auch ſie reiſen.

Guſtav hatte zum Schluß noch eine häßliche Auseinander¬
ſetzung mit dem Inſpektor. Die Gratifikation, welche ihm im
Frühjahr in Ausſicht geſtellt worden war, ſollte ihm jetzt vor¬
enthalten werden. Und in ſeinem Kontrakte ſtand doch, er
ſolle eine Extravergütung erhalten, falls man mit den Leiſtungen
ſeiner Leute zufrieden ſein würde! — Nun war es außer allem
Zweifel, daß dieſe Gruppe mehr und beſſer gearbeitet hatte,
als irgend eine andere. Aber jetzt, wo Guſtav erklärt hatte,

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[358/0372] Guſtav ließ ſeine Frau und den Jungen mit ihnen fahren. Pauline hatte ſich in der letzten Zeit totunglücklich gefühlt. Die Häuslichkeit fehlte ihrem Ordnung und Ruhe bedürftigen Sinn. Sie ſehnte ſich nach der Mutter und ihrem kleinen Häuschen in Halbenau zurück. Manche Thräne hatte ſie heim¬ lich verſchluckt, um Guſtav nicht durch ihr Leid noch trüber zu ſtimmen. Erneſtine war leichten Herzens. Unter allen Mädchen hatte ſie am meiſten zurückgelegt vom Verdienſt. Was ſie mit Häſchke verabredet habe, erfuhr niemand, aber es war anzunehmen, daß ſie einig ſeien. Er hatte ihr ſeine Erſpar¬ niſſe übergeben, als eine Art von Unterpfand, daß er ſie nicht ſitzen laſſen werde. Man munkelte, er wolle zunächſt in ſeine Heimat zurückkehren, um ſich dort nach feſtem Erwerb umzu¬ ſehen, dann würde er Erneſtinen nachholen und Hochzeit mit ihr machen. Das andere Liebespaar machte es ähnlich. Fumfack wollte nach beendeter Rübenarbeit wieder zu ſeinem Schmiedegewerbe zurückkehren. Mit dem von ihm und ſeiner Braut verdienten Gelde hatte er vor, ſich ſelbſtändig zu machen. Dann ſollte geheiratet werden. Von der ganzen Geſellſchaft blieb nur einer im Weſten zurück, das war Welke, der ehemalige Stallburſche. Der hatte eine Stelle als Kutſcher bei einem Fabrikanten der Nachbarſchaft angenommen. Die vier Männer arbeiteten noch ihre Aufgabe ab. End¬ lich war die letzte Schaufel Erde auf die große Rübenmiete geworfen. Nun konnten auch ſie reiſen. Guſtav hatte zum Schluß noch eine häßliche Auseinander¬ ſetzung mit dem Inſpektor. Die Gratifikation, welche ihm im Frühjahr in Ausſicht geſtellt worden war, ſollte ihm jetzt vor¬ enthalten werden. Und in ſeinem Kontrakte ſtand doch, er ſolle eine Extravergütung erhalten, falls man mit den Leiſtungen ſeiner Leute zufrieden ſein würde! — Nun war es außer allem Zweifel, daß dieſe Gruppe mehr und beſſer gearbeitet hatte, als irgend eine andere. Aber jetzt, wo Guſtav erklärt hatte,

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Zitationshilfe: Polenz, Wilhelm von: Der Büttnerbauer. Berlin, 1895, S. 358. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/polenz_buettnerbauer_1895/372>, abgerufen am 18.06.2024.