Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Polenz, Wilhelm von: Der Büttnerbauer. Berlin, 1895.

Bild:
<< vorherige Seite

haarige Brust hervorsah, wie er so auf der Bettkante saß, der
große Kerl, und mit schief verzogenem Munde die Thränen
laufen ließ. Dazu barmte er: "Mei Geld! mei Geld! Se
han mersch gestohlen!"

Therese trat an ihn heran, stieß ihn nicht gerade sanft
gegen die Schulter. "Dummer Kerl! her uff, zu natschen!"

Karl sah sie unverständig an. "Ich hatt' se dohie in
Tobaksbeitel, ane ganze Hanfel Goldsticke. Nu sen se weg! Die
schlachten Karlen han's genummen!" Er wollte von neuem auf¬
heulen.

"Halt's Maul! Dei Geld is gutt uffgehoben."

"Soi mer ack, wu's is?"

Therese antwortete nicht auf seine Frage. Nach einiger
Zeit meinte sie: "Soi Du mer lieber, wie's Du zu suvills Geld
gekummen bist?"

Karl erzählte ihr darauf mit vielen Wiederholungen und
Unterbrechungen den Verlauf des gestrigen Tages. Von dem
Augenblicke an freilich, wo er zum zweiten Male Schnaps für
die ganze Gesellschaft bestellt hatte, konnte er sich auf nichts
mehr besinnen.

Therese ärgerte sich, daß so viel von der Summe bereits
draufgegangen war. Nun war sie erst recht entschlossen, ihn
nicht wissen zu lassen, wo das übrige sich befinde; sonst
würde das am Ende auch desselben Weges gehen.

Sie war längst mit sich im Reinen, was von dem Gelde
angeschafft werden solle: Ein paar Ferkel zur Mast, für die
Kinder neue Kleider; die liefen in Lumpen herum, daß es eine
Schande war. Dieser Goldsegen kam ihr wie gerufen in's
Haus.

Als Karl in Erfahrung gebracht hatte, daß sie das Geld
an sich genommen, verlangte er Herausgabe. Sie fuhr ihn an,
er sollte aufstehen und machen, daß er zur Arbeit komme, alles
andere werde sich später finden.

Karl war zu schwach, um seinem Willen Geltung zu ver¬
schaffen. Hände und Kniee zitterten ihm. Er mußte froh sein,
daß Therese ihm etwas zu essen vorsetzte. Nachdem er gegessen,

haarige Bruſt hervorſah, wie er ſo auf der Bettkante ſaß, der
große Kerl, und mit ſchief verzogenem Munde die Thränen
laufen ließ. Dazu barmte er: „Mei Geld! mei Geld! Se
han merſch geſtohlen!“

Thereſe trat an ihn heran, ſtieß ihn nicht gerade ſanft
gegen die Schulter. „Dummer Kerl! her uff, zu natſchen!“

Karl ſah ſie unverſtändig an. „Ich hatt' ſe dohie in
Tobaksbeitel, ane ganze Hanfel Goldſticke. Nu ſen ſe weg! Die
ſchlachten Karlen han's genummen!“ Er wollte von neuem auf¬
heulen.

„Halt's Maul! Dei Geld is gutt uffgehoben.“

„Soi mer ack, wu's is?“

Thereſe antwortete nicht auf ſeine Frage. Nach einiger
Zeit meinte ſie: „Soi Du mer lieber, wie's Du zu ſuvills Geld
gekummen biſt?“

Karl erzählte ihr darauf mit vielen Wiederholungen und
Unterbrechungen den Verlauf des geſtrigen Tages. Von dem
Augenblicke an freilich, wo er zum zweiten Male Schnaps für
die ganze Geſellſchaft beſtellt hatte, konnte er ſich auf nichts
mehr beſinnen.

Thereſe ärgerte ſich, daß ſo viel von der Summe bereits
draufgegangen war. Nun war ſie erſt recht entſchloſſen, ihn
nicht wiſſen zu laſſen, wo das übrige ſich befinde; ſonſt
würde das am Ende auch deſſelben Weges gehen.

Sie war längſt mit ſich im Reinen, was von dem Gelde
angeſchafft werden ſolle: Ein paar Ferkel zur Maſt, für die
Kinder neue Kleider; die liefen in Lumpen herum, daß es eine
Schande war. Dieſer Goldſegen kam ihr wie gerufen in's
Haus.

Als Karl in Erfahrung gebracht hatte, daß ſie das Geld
an ſich genommen, verlangte er Herausgabe. Sie fuhr ihn an,
er ſollte aufſtehen und machen, daß er zur Arbeit komme, alles
andere werde ſich ſpäter finden.

Karl war zu ſchwach, um ſeinem Willen Geltung zu ver¬
ſchaffen. Hände und Kniee zitterten ihm. Er mußte froh ſein,
daß Thereſe ihm etwas zu eſſen vorſetzte. Nachdem er gegeſſen,

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0362" n="348"/>
haarige Bru&#x017F;t hervor&#x017F;ah, wie er &#x017F;o auf der Bettkante &#x017F;aß, der<lb/>
große Kerl, und mit &#x017F;chief verzogenem Munde die Thränen<lb/>
laufen ließ. Dazu barmte er: &#x201E;Mei Geld! mei Geld! Se<lb/>
han mer&#x017F;ch ge&#x017F;tohlen!&#x201C;</p><lb/>
          <p>There&#x017F;e trat an ihn heran, &#x017F;tieß ihn nicht gerade &#x017F;anft<lb/>
gegen die Schulter. &#x201E;Dummer Kerl! her uff, zu nat&#x017F;chen!&#x201C;</p><lb/>
          <p>Karl &#x017F;ah &#x017F;ie unver&#x017F;tändig an. &#x201E;Ich hatt' &#x017F;e dohie in<lb/>
Tobaksbeitel, ane ganze Hanfel Gold&#x017F;ticke. Nu &#x017F;en &#x017F;e weg! Die<lb/>
&#x017F;chlachten Karlen han's genummen!&#x201C; Er wollte von neuem auf¬<lb/>
heulen.</p><lb/>
          <p>&#x201E;Halt's Maul! Dei Geld is gutt uffgehoben.&#x201C;</p><lb/>
          <p>&#x201E;Soi mer ack, wu's is?&#x201C;</p><lb/>
          <p>There&#x017F;e antwortete nicht auf &#x017F;eine Frage. Nach einiger<lb/>
Zeit meinte &#x017F;ie: &#x201E;Soi Du mer lieber, wie's Du zu &#x017F;uvills Geld<lb/>
gekummen bi&#x017F;t?&#x201C;</p><lb/>
          <p>Karl erzählte ihr darauf mit vielen Wiederholungen und<lb/>
Unterbrechungen den Verlauf des ge&#x017F;trigen Tages. Von dem<lb/>
Augenblicke an freilich, wo er zum zweiten Male Schnaps für<lb/>
die ganze Ge&#x017F;ell&#x017F;chaft be&#x017F;tellt hatte, konnte er &#x017F;ich auf nichts<lb/>
mehr be&#x017F;innen.</p><lb/>
          <p>There&#x017F;e ärgerte &#x017F;ich, daß &#x017F;o viel von der Summe bereits<lb/>
draufgegangen war. Nun war &#x017F;ie er&#x017F;t recht ent&#x017F;chlo&#x017F;&#x017F;en, ihn<lb/>
nicht wi&#x017F;&#x017F;en zu la&#x017F;&#x017F;en, wo das übrige &#x017F;ich befinde; &#x017F;on&#x017F;t<lb/>
würde das am Ende auch de&#x017F;&#x017F;elben Weges gehen.</p><lb/>
          <p>Sie war läng&#x017F;t mit &#x017F;ich im Reinen, was von dem Gelde<lb/>
ange&#x017F;chafft werden &#x017F;olle: Ein paar Ferkel zur Ma&#x017F;t, für die<lb/>
Kinder neue Kleider; die liefen in Lumpen herum, daß es eine<lb/>
Schande war. Die&#x017F;er Gold&#x017F;egen kam ihr wie gerufen in's<lb/>
Haus.</p><lb/>
          <p>Als Karl in Erfahrung gebracht hatte, daß &#x017F;ie das Geld<lb/>
an &#x017F;ich genommen, verlangte er Herausgabe. Sie fuhr ihn an,<lb/>
er &#x017F;ollte auf&#x017F;tehen und machen, daß er zur Arbeit komme, alles<lb/>
andere werde &#x017F;ich &#x017F;päter finden.</p><lb/>
          <p>Karl war zu &#x017F;chwach, um &#x017F;einem Willen Geltung zu ver¬<lb/>
&#x017F;chaffen. Hände und Kniee zitterten ihm. Er mußte froh &#x017F;ein,<lb/>
daß There&#x017F;e ihm etwas zu e&#x017F;&#x017F;en vor&#x017F;etzte. Nachdem er gege&#x017F;&#x017F;en,<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[348/0362] haarige Bruſt hervorſah, wie er ſo auf der Bettkante ſaß, der große Kerl, und mit ſchief verzogenem Munde die Thränen laufen ließ. Dazu barmte er: „Mei Geld! mei Geld! Se han merſch geſtohlen!“ Thereſe trat an ihn heran, ſtieß ihn nicht gerade ſanft gegen die Schulter. „Dummer Kerl! her uff, zu natſchen!“ Karl ſah ſie unverſtändig an. „Ich hatt' ſe dohie in Tobaksbeitel, ane ganze Hanfel Goldſticke. Nu ſen ſe weg! Die ſchlachten Karlen han's genummen!“ Er wollte von neuem auf¬ heulen. „Halt's Maul! Dei Geld is gutt uffgehoben.“ „Soi mer ack, wu's is?“ Thereſe antwortete nicht auf ſeine Frage. Nach einiger Zeit meinte ſie: „Soi Du mer lieber, wie's Du zu ſuvills Geld gekummen biſt?“ Karl erzählte ihr darauf mit vielen Wiederholungen und Unterbrechungen den Verlauf des geſtrigen Tages. Von dem Augenblicke an freilich, wo er zum zweiten Male Schnaps für die ganze Geſellſchaft beſtellt hatte, konnte er ſich auf nichts mehr beſinnen. Thereſe ärgerte ſich, daß ſo viel von der Summe bereits draufgegangen war. Nun war ſie erſt recht entſchloſſen, ihn nicht wiſſen zu laſſen, wo das übrige ſich befinde; ſonſt würde das am Ende auch deſſelben Weges gehen. Sie war längſt mit ſich im Reinen, was von dem Gelde angeſchafft werden ſolle: Ein paar Ferkel zur Maſt, für die Kinder neue Kleider; die liefen in Lumpen herum, daß es eine Schande war. Dieſer Goldſegen kam ihr wie gerufen in's Haus. Als Karl in Erfahrung gebracht hatte, daß ſie das Geld an ſich genommen, verlangte er Herausgabe. Sie fuhr ihn an, er ſollte aufſtehen und machen, daß er zur Arbeit komme, alles andere werde ſich ſpäter finden. Karl war zu ſchwach, um ſeinem Willen Geltung zu ver¬ ſchaffen. Hände und Kniee zitterten ihm. Er mußte froh ſein, daß Thereſe ihm etwas zu eſſen vorſetzte. Nachdem er gegeſſen,

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/polenz_buettnerbauer_1895
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/polenz_buettnerbauer_1895/362
Zitationshilfe: Polenz, Wilhelm von: Der Büttnerbauer. Berlin, 1895, S. 348. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/polenz_buettnerbauer_1895/362>, abgerufen am 24.11.2024.