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Polenz, Wilhelm von: Der Büttnerbauer. Berlin, 1895.

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auch einer Maschine, die ohne treibende Kraft doch weiter
arbeitet, weil der Schwung von früher her noch ein Weilchen
vorhält, ehe sie aussetzt.

Für Schmerz war er scheinbar unempfindlich geworden,
abgestumpft durch das Zuviel, gleich dem Boden, der allzu¬
stark getränkt, keine Nässe mehr in sich aufnimmt.

Die da meinten, er sei gefühllos, irrten sich. Er fühlte
gar wohl das Unrecht, das ihm widerfuhr. Die Demut und
Schmerzensseligkeit eines Hiob war seiner halsstarrigen Bauern¬
natur nicht eigen. Weit davon entfernt war er, mit dem
Knechte Gottes aus dem alten Testamente zu sagen:

"Ich bin nackend von meiner Mutter Leibe gekommen,
nackend werde ich wieder dahinfahren. Der Herr hat es ge¬
geben, der Herr hat es genommen, der Name des Herrn sei
gelobet!"

Wenn er auch scheinbar zum stumpfen Lasttier herab¬
gesunken war, das die Schläge gleichgültig hinnimmt, so blieb
sein innerer Trotz doch ungebrochen. Menschenhaß und Verachtung
waren seine Tröster, Groll seine Nahrung; die einzige die ihn
noch in Kraft erhielt. Aber die Qualen, die er ertrug, waren
um so brennender, weil er nicht den Schrei der Wut fand,
sich von ihnen zu entlasten.


auch einer Maſchine, die ohne treibende Kraft doch weiter
arbeitet, weil der Schwung von früher her noch ein Weilchen
vorhält, ehe ſie ausſetzt.

Für Schmerz war er ſcheinbar unempfindlich geworden,
abgeſtumpft durch das Zuviel, gleich dem Boden, der allzu¬
ſtark getränkt, keine Näſſe mehr in ſich aufnimmt.

Die da meinten, er ſei gefühllos, irrten ſich. Er fühlte
gar wohl das Unrecht, das ihm widerfuhr. Die Demut und
Schmerzensſeligkeit eines Hiob war ſeiner halsſtarrigen Bauern¬
natur nicht eigen. Weit davon entfernt war er, mit dem
Knechte Gottes aus dem alten Teſtamente zu ſagen:

„Ich bin nackend von meiner Mutter Leibe gekommen,
nackend werde ich wieder dahinfahren. Der Herr hat es ge¬
geben, der Herr hat es genommen, der Name des Herrn ſei
gelobet!“

Wenn er auch ſcheinbar zum ſtumpfen Laſttier herab¬
geſunken war, das die Schläge gleichgültig hinnimmt, ſo blieb
ſein innerer Trotz doch ungebrochen. Menſchenhaß und Verachtung
waren ſeine Tröſter, Groll ſeine Nahrung; die einzige die ihn
noch in Kraft erhielt. Aber die Qualen, die er ertrug, waren
um ſo brennender, weil er nicht den Schrei der Wut fand,
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[338/0352] auch einer Maſchine, die ohne treibende Kraft doch weiter arbeitet, weil der Schwung von früher her noch ein Weilchen vorhält, ehe ſie ausſetzt. Für Schmerz war er ſcheinbar unempfindlich geworden, abgeſtumpft durch das Zuviel, gleich dem Boden, der allzu¬ ſtark getränkt, keine Näſſe mehr in ſich aufnimmt. Die da meinten, er ſei gefühllos, irrten ſich. Er fühlte gar wohl das Unrecht, das ihm widerfuhr. Die Demut und Schmerzensſeligkeit eines Hiob war ſeiner halsſtarrigen Bauern¬ natur nicht eigen. Weit davon entfernt war er, mit dem Knechte Gottes aus dem alten Teſtamente zu ſagen: „Ich bin nackend von meiner Mutter Leibe gekommen, nackend werde ich wieder dahinfahren. Der Herr hat es ge¬ geben, der Herr hat es genommen, der Name des Herrn ſei gelobet!“ Wenn er auch ſcheinbar zum ſtumpfen Laſttier herab¬ geſunken war, das die Schläge gleichgültig hinnimmt, ſo blieb ſein innerer Trotz doch ungebrochen. Menſchenhaß und Verachtung waren ſeine Tröſter, Groll ſeine Nahrung; die einzige die ihn noch in Kraft erhielt. Aber die Qualen, die er ertrug, waren um ſo brennender, weil er nicht den Schrei der Wut fand, ſich von ihnen zu entlaſten.

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Zitationshilfe: Polenz, Wilhelm von: Der Büttnerbauer. Berlin, 1895, S. 338. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/polenz_buettnerbauer_1895/352>, abgerufen am 22.11.2024.