Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Polenz, Wilhelm von: Der Büttnerbauer. Berlin, 1895.

Bild:
<< vorherige Seite

Aber davon wollte der Beamte durchaus nichts wissen.
Er riet dringend davon ab, ja, er warnte davor. Der Auf¬
seher würde damit gar nichts erreichen. Herr Hallstädt sei
völlig unzugänglich und habe ein für alle Mal verboten, daß
die Arbeiter direkt mit ihm verhandelten.

"Sie sind ja ein vernünftiger Mann, Büttner!" sagte der
Inspektor. "Treiben Sie die Sache nicht auf die Spitze!
Reden Sie mal mit Ihren Leuten. Sie haben ja auch noch
andere Mittel in der Hand. -- Ich meine, als Aufseher haben
Sie ja schließlich großen Einfluß. -- Ich denke, wenn wir
zweie einig sind, werden wir mit der Gesellschaft schon fertig
werden. Herrn Hallstädt wollen wir lieber nicht erst ein¬
mischen, das hätte keinen Zweck. -- Also ich denke, wir sind
einig! -- Ich werde auch dafür Sorge tragen, daß Sie am
Schlusse der Arbeitszeit eine anständige Gratifikation erhalten,
Büttner!" --

Aber Gustav ließ sich nicht so leicht kirren. Wenn er
auch nicht so viel Scharfblick besaß, um sofort herauszufinden,
wie schwach in Wahrheit die Position des Gegners war, so
bewahrte ihn doch seine Redlichkeit davor, auf Vorschläge ein¬
zugehen, die ihm nützten, aber seine Leute schädigten.

Mit trotziger Zähigkeit, ein Erbteil seines Vaters, hielt
er, ohne sich auf die Redensarten des anderen einzulassen, an
seiner Forderung fest. Alle Ungeduld nutzte dem Inspektor
nichts, seine Vorstellungen drangen in diesen harten Bauern¬
schädel nicht ein.

So ging man auseinander, ohne daß es zu einer Einigung
gekommen wäre.

Am nächsten Morgen schliefen die Streikenden aus.
Während die Gespanne des Vorwerks an der Kaserne vor¬
überratterten, legten sie sich noch einmal gemütlich auf's
andere Ohr.

Häschkekarl war in übermütigster Laune. Die Sache ging
ausgezeichnet. Drüben auf dem Hofe hatte er in Erfahrung
gebracht, daß der Inspektor in größter Schwulität sei. Wer
sollte ihm die Ernte einbringen? Das Getreide mußte ja auf

Aber davon wollte der Beamte durchaus nichts wiſſen.
Er riet dringend davon ab, ja, er warnte davor. Der Auf¬
ſeher würde damit gar nichts erreichen. Herr Hallſtädt ſei
völlig unzugänglich und habe ein für alle Mal verboten, daß
die Arbeiter direkt mit ihm verhandelten.

„Sie ſind ja ein vernünftiger Mann, Büttner!“ ſagte der
Inſpektor. „Treiben Sie die Sache nicht auf die Spitze!
Reden Sie mal mit Ihren Leuten. Sie haben ja auch noch
andere Mittel in der Hand. — Ich meine, als Aufſeher haben
Sie ja ſchließlich großen Einfluß. — Ich denke, wenn wir
zweie einig ſind, werden wir mit der Geſellſchaft ſchon fertig
werden. Herrn Hallſtädt wollen wir lieber nicht erſt ein¬
miſchen, das hätte keinen Zweck. — Alſo ich denke, wir ſind
einig! — Ich werde auch dafür Sorge tragen, daß Sie am
Schluſſe der Arbeitszeit eine anſtändige Gratifikation erhalten,
Büttner!“ —

Aber Guſtav ließ ſich nicht ſo leicht kirren. Wenn er
auch nicht ſo viel Scharfblick beſaß, um ſofort herauszufinden,
wie ſchwach in Wahrheit die Poſition des Gegners war, ſo
bewahrte ihn doch ſeine Redlichkeit davor, auf Vorſchläge ein¬
zugehen, die ihm nützten, aber ſeine Leute ſchädigten.

Mit trotziger Zähigkeit, ein Erbteil ſeines Vaters, hielt
er, ohne ſich auf die Redensarten des anderen einzulaſſen, an
ſeiner Forderung feſt. Alle Ungeduld nutzte dem Inſpektor
nichts, ſeine Vorſtellungen drangen in dieſen harten Bauern¬
ſchädel nicht ein.

So ging man auseinander, ohne daß es zu einer Einigung
gekommen wäre.

Am nächſten Morgen ſchliefen die Streikenden aus.
Während die Geſpanne des Vorwerks an der Kaſerne vor¬
überratterten, legten ſie ſich noch einmal gemütlich auf's
andere Ohr.

Häſchkekarl war in übermütigſter Laune. Die Sache ging
ausgezeichnet. Drüben auf dem Hofe hatte er in Erfahrung
gebracht, daß der Inſpektor in größter Schwulität ſei. Wer
ſollte ihm die Ernte einbringen? Das Getreide mußte ja auf

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <pb facs="#f0323" n="309"/>
          <p>Aber davon wollte der Beamte durchaus nichts wi&#x017F;&#x017F;en.<lb/>
Er riet dringend davon ab, ja, er warnte davor. Der Auf¬<lb/>
&#x017F;eher würde damit gar nichts erreichen. Herr Hall&#x017F;tädt &#x017F;ei<lb/>
völlig unzugänglich und habe ein für alle Mal verboten, daß<lb/>
die Arbeiter direkt mit ihm verhandelten.</p><lb/>
          <p>&#x201E;Sie &#x017F;ind ja ein vernünftiger Mann, Büttner!&#x201C; &#x017F;agte der<lb/>
In&#x017F;pektor. &#x201E;Treiben Sie die Sache nicht auf die Spitze!<lb/>
Reden Sie mal mit Ihren Leuten. Sie haben ja auch noch<lb/>
andere Mittel in der Hand. &#x2014; Ich meine, als Auf&#x017F;eher haben<lb/>
Sie ja &#x017F;chließlich großen Einfluß. &#x2014; Ich denke, wenn wir<lb/>
zweie einig &#x017F;ind, werden wir mit der Ge&#x017F;ell&#x017F;chaft &#x017F;chon fertig<lb/>
werden. Herrn Hall&#x017F;tädt wollen wir lieber nicht er&#x017F;t ein¬<lb/>
mi&#x017F;chen, das hätte keinen Zweck. &#x2014; Al&#x017F;o ich denke, wir &#x017F;ind<lb/>
einig! &#x2014; Ich werde auch dafür Sorge tragen, daß Sie am<lb/>
Schlu&#x017F;&#x017F;e der Arbeitszeit eine an&#x017F;tändige Gratifikation erhalten,<lb/>
Büttner!&#x201C; &#x2014;</p><lb/>
          <p>Aber Gu&#x017F;tav ließ &#x017F;ich nicht &#x017F;o leicht kirren. Wenn er<lb/>
auch nicht &#x017F;o viel Scharfblick be&#x017F;aß, um &#x017F;ofort herauszufinden,<lb/>
wie &#x017F;chwach in Wahrheit die Po&#x017F;ition des Gegners war, &#x017F;o<lb/>
bewahrte ihn doch &#x017F;eine Redlichkeit davor, auf Vor&#x017F;chläge ein¬<lb/>
zugehen, die ihm nützten, aber &#x017F;eine Leute &#x017F;chädigten.</p><lb/>
          <p>Mit trotziger Zähigkeit, ein Erbteil &#x017F;eines Vaters, hielt<lb/>
er, ohne &#x017F;ich auf die Redensarten des anderen einzula&#x017F;&#x017F;en, an<lb/>
&#x017F;einer Forderung fe&#x017F;t. Alle Ungeduld nutzte dem In&#x017F;pektor<lb/>
nichts, &#x017F;eine Vor&#x017F;tellungen drangen in die&#x017F;en harten Bauern¬<lb/>
&#x017F;chädel nicht ein.</p><lb/>
          <p>So ging man auseinander, ohne daß es zu einer Einigung<lb/>
gekommen wäre.</p><lb/>
          <p>Am näch&#x017F;ten Morgen &#x017F;chliefen die Streikenden aus.<lb/>
Während die Ge&#x017F;panne des Vorwerks an der Ka&#x017F;erne vor¬<lb/>
überratterten, legten &#x017F;ie &#x017F;ich noch einmal gemütlich auf's<lb/>
andere Ohr.</p><lb/>
          <p>&#x017F;chkekarl war in übermütig&#x017F;ter Laune. Die Sache ging<lb/>
ausgezeichnet. Drüben auf dem Hofe hatte er in Erfahrung<lb/>
gebracht, daß der In&#x017F;pektor in größter Schwulität &#x017F;ei. Wer<lb/>
&#x017F;ollte ihm die Ernte einbringen? Das Getreide mußte ja auf<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[309/0323] Aber davon wollte der Beamte durchaus nichts wiſſen. Er riet dringend davon ab, ja, er warnte davor. Der Auf¬ ſeher würde damit gar nichts erreichen. Herr Hallſtädt ſei völlig unzugänglich und habe ein für alle Mal verboten, daß die Arbeiter direkt mit ihm verhandelten. „Sie ſind ja ein vernünftiger Mann, Büttner!“ ſagte der Inſpektor. „Treiben Sie die Sache nicht auf die Spitze! Reden Sie mal mit Ihren Leuten. Sie haben ja auch noch andere Mittel in der Hand. — Ich meine, als Aufſeher haben Sie ja ſchließlich großen Einfluß. — Ich denke, wenn wir zweie einig ſind, werden wir mit der Geſellſchaft ſchon fertig werden. Herrn Hallſtädt wollen wir lieber nicht erſt ein¬ miſchen, das hätte keinen Zweck. — Alſo ich denke, wir ſind einig! — Ich werde auch dafür Sorge tragen, daß Sie am Schluſſe der Arbeitszeit eine anſtändige Gratifikation erhalten, Büttner!“ — Aber Guſtav ließ ſich nicht ſo leicht kirren. Wenn er auch nicht ſo viel Scharfblick beſaß, um ſofort herauszufinden, wie ſchwach in Wahrheit die Poſition des Gegners war, ſo bewahrte ihn doch ſeine Redlichkeit davor, auf Vorſchläge ein¬ zugehen, die ihm nützten, aber ſeine Leute ſchädigten. Mit trotziger Zähigkeit, ein Erbteil ſeines Vaters, hielt er, ohne ſich auf die Redensarten des anderen einzulaſſen, an ſeiner Forderung feſt. Alle Ungeduld nutzte dem Inſpektor nichts, ſeine Vorſtellungen drangen in dieſen harten Bauern¬ ſchädel nicht ein. So ging man auseinander, ohne daß es zu einer Einigung gekommen wäre. Am nächſten Morgen ſchliefen die Streikenden aus. Während die Geſpanne des Vorwerks an der Kaſerne vor¬ überratterten, legten ſie ſich noch einmal gemütlich auf's andere Ohr. Häſchkekarl war in übermütigſter Laune. Die Sache ging ausgezeichnet. Drüben auf dem Hofe hatte er in Erfahrung gebracht, daß der Inſpektor in größter Schwulität ſei. Wer ſollte ihm die Ernte einbringen? Das Getreide mußte ja auf

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/polenz_buettnerbauer_1895
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/polenz_buettnerbauer_1895/323
Zitationshilfe: Polenz, Wilhelm von: Der Büttnerbauer. Berlin, 1895, S. 309. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/polenz_buettnerbauer_1895/323>, abgerufen am 18.12.2024.