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Polenz, Wilhelm von: Der Büttnerbauer. Berlin, 1895.

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nüchterne, überlegte Ernestine zeigte sich für den Plan, die
Arbeit niederzulegen, begeistert.

Das Ende war, daß die Sachsengänger vom Felde abzogen,
und das bereits gemähte Getreide unaufgestellt liegen ließen.
Sie begaben sich in die Kaserne.

Es herrschte jene gehobene Stimmung unter ihnen, wie
sie in der Schule nach einem gelungenen Streiche zu folgen
pflegt.

Die Männer legten sich in's Gras vor das Haus und
zündeten ihre Cigarren an. Die Mädchen hatten sich in ihren
Schlafsaal im ersten Stock zurückgezogen, zu Näh- und Flick¬
arbeit. Bald ertönte Gesang von hellen Frauenstimmen durch
die geöffneten Fenster. Ernestine war die Chorführerin. Nach
einiger Zeit antworteten unten vom Rasen her tiefere Töne;
Häschkekarl leitete den Männergesang. Und so löste ein Lied
das andere ab; die Mädchen stimmten an, die Burschen
fielen ein.

Auf einmal erschienen Köpfe von außen an den Fenstern
des Schlafsaales. Die Burschen waren es, die mit Hülfe der
Dachrinne und eines Simses dahinauf geklettert waren. Die
Mädchen stoben schreiend auseinander. Nur Ernestine fand
Geistesgegenwart genug, die Fenster schnell zu schließen und
zu verriegeln. Häschke und seine Kumpanen stiegen, nach¬
dem sie genugsam Grimassen geschnitten und sich an dem
Schrecken, den sie eingejagt, geweidet hatten, wieder zum Erd¬
boden hinab.

Nach dieser Heldenthat legten sie sich von neuem auf den
Rasen, rauchten ihre Pfeifen, die Hände unter dem Kopf, die
Beine übereinander geschlagen, und ließen sich von der Sonne
bescheinen, deren Strahlen an der kalkgetünchten Wand ab¬
prallten. Auf einmal wurden die Faulenzer von wohlgezielten
Wasserstrahlen getroffen. Schreiend und sprudelnd sprangen
sie auf und konnten über sich gerade noch die lachenden Mädchen
verschwinden sehen.

So gab es noch mancherlei Kurzweil und Schabernack an
diesem Nachmittage. Man hatte sich nun einmal in ein Unter¬

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nüchterne, überlegte Erneſtine zeigte ſich für den Plan, die
Arbeit niederzulegen, begeiſtert.

Das Ende war, daß die Sachſengänger vom Felde abzogen,
und das bereits gemähte Getreide unaufgeſtellt liegen ließen.
Sie begaben ſich in die Kaſerne.

Es herrſchte jene gehobene Stimmung unter ihnen, wie
ſie in der Schule nach einem gelungenen Streiche zu folgen
pflegt.

Die Männer legten ſich in's Gras vor das Haus und
zündeten ihre Cigarren an. Die Mädchen hatten ſich in ihren
Schlafſaal im erſten Stock zurückgezogen, zu Näh- und Flick¬
arbeit. Bald ertönte Geſang von hellen Frauenſtimmen durch
die geöffneten Fenſter. Erneſtine war die Chorführerin. Nach
einiger Zeit antworteten unten vom Raſen her tiefere Töne;
Häſchkekarl leitete den Männergeſang. Und ſo löſte ein Lied
das andere ab; die Mädchen ſtimmten an, die Burſchen
fielen ein.

Auf einmal erſchienen Köpfe von außen an den Fenſtern
des Schlafſaales. Die Burſchen waren es, die mit Hülfe der
Dachrinne und eines Simſes dahinauf geklettert waren. Die
Mädchen ſtoben ſchreiend auseinander. Nur Erneſtine fand
Geiſtesgegenwart genug, die Fenſter ſchnell zu ſchließen und
zu verriegeln. Häſchke und ſeine Kumpanen ſtiegen, nach¬
dem ſie genugſam Grimaſſen geſchnitten und ſich an dem
Schrecken, den ſie eingejagt, geweidet hatten, wieder zum Erd¬
boden hinab.

Nach dieſer Heldenthat legten ſie ſich von neuem auf den
Raſen, rauchten ihre Pfeifen, die Hände unter dem Kopf, die
Beine übereinander geſchlagen, und ließen ſich von der Sonne
beſcheinen, deren Strahlen an der kalkgetünchten Wand ab¬
prallten. Auf einmal wurden die Faulenzer von wohlgezielten
Waſſerſtrahlen getroffen. Schreiend und ſprudelnd ſprangen
ſie auf und konnten über ſich gerade noch die lachenden Mädchen
verſchwinden ſehen.

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dieſem Nachmittage. Man hatte ſich nun einmal in ein Unter¬

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[307/0321] nüchterne, überlegte Erneſtine zeigte ſich für den Plan, die Arbeit niederzulegen, begeiſtert. Das Ende war, daß die Sachſengänger vom Felde abzogen, und das bereits gemähte Getreide unaufgeſtellt liegen ließen. Sie begaben ſich in die Kaſerne. Es herrſchte jene gehobene Stimmung unter ihnen, wie ſie in der Schule nach einem gelungenen Streiche zu folgen pflegt. Die Männer legten ſich in's Gras vor das Haus und zündeten ihre Cigarren an. Die Mädchen hatten ſich in ihren Schlafſaal im erſten Stock zurückgezogen, zu Näh- und Flick¬ arbeit. Bald ertönte Geſang von hellen Frauenſtimmen durch die geöffneten Fenſter. Erneſtine war die Chorführerin. Nach einiger Zeit antworteten unten vom Raſen her tiefere Töne; Häſchkekarl leitete den Männergeſang. Und ſo löſte ein Lied das andere ab; die Mädchen ſtimmten an, die Burſchen fielen ein. Auf einmal erſchienen Köpfe von außen an den Fenſtern des Schlafſaales. Die Burſchen waren es, die mit Hülfe der Dachrinne und eines Simſes dahinauf geklettert waren. Die Mädchen ſtoben ſchreiend auseinander. Nur Erneſtine fand Geiſtesgegenwart genug, die Fenſter ſchnell zu ſchließen und zu verriegeln. Häſchke und ſeine Kumpanen ſtiegen, nach¬ dem ſie genugſam Grimaſſen geſchnitten und ſich an dem Schrecken, den ſie eingejagt, geweidet hatten, wieder zum Erd¬ boden hinab. Nach dieſer Heldenthat legten ſie ſich von neuem auf den Raſen, rauchten ihre Pfeifen, die Hände unter dem Kopf, die Beine übereinander geſchlagen, und ließen ſich von der Sonne beſcheinen, deren Strahlen an der kalkgetünchten Wand ab¬ prallten. Auf einmal wurden die Faulenzer von wohlgezielten Waſſerſtrahlen getroffen. Schreiend und ſprudelnd ſprangen ſie auf und konnten über ſich gerade noch die lachenden Mädchen verſchwinden ſehen. So gab es noch mancherlei Kurzweil und Schabernack an dieſem Nachmittage. Man hatte ſich nun einmal in ein Unter¬ 20 *

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Zitationshilfe: Polenz, Wilhelm von: Der Büttnerbauer. Berlin, 1895, S. 307. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/polenz_buettnerbauer_1895/321>, abgerufen am 22.11.2024.