er sich auf Schmiedearbeit verstehe, und er müsse doch ab¬ arbeiten, daß er hier "treife wohne." --
Und so machte er sich über die Ackergerätschaften, die Pflüge, Eggen, und die Handwerkszeuge, sah nach den Schrau¬ ben, schweißte, hämmerte, nietete und schärfte. Kurz, er brachte alles in Schuß für die nahe Frühjahrsbestellung.
Die Herzen der Frauen gewann Häschke durch seine gute Laune und seine schnodderigen Witze. Im Büttnerschen Hause war die Fröhlichkeit lange Zeit ein unbekannter Gast gewesen. Jetzt wurde sogar gesungen -- allerdings nur wenn der Bauer außer Hörweite war. Es stellte sich heraus, daß Häschke sangeskundig war, und Ernestine hatte eine hübsche Stimme. Da sangen sie manchmal zweistimmig, allerhand neue und lustige Lieder, die der Wandersmann von der Walze mit¬ gebracht hatte. Am schönsten aber war es, wenn er von sei¬ nen Reiseerlebnissen erzählte. Vielleicht nahm er es mit der Wahrheit nicht immer genau. Er wußte von wunderlichen Fahrten, Glücksfällen und Abenteuern zu berichten. Jedenfalls verstand er, spannend zu erzählen und seine Lügen geschickt auszuschmücken. Die Frauen glaubten ihm auf's Wort; mit offenem Munde und leuchtenden Augen hörte ihm Ernestine zu, wenn er von den Wundern der Fremde berichtete. Häschke¬ karl hatte wohl schwerlich etwas vom ,Mohren von Venedig' vernommen. Aber auch er wußte, belehrt durch die Schlau¬ heit des Instinktes, daß man, durch Erwecken ihrer Teilnahme an Gefahren und außerordentlichen Erlebnissen, das Wohlgefallen der Frau am sichersten erregt.
Erstaunlich schnell hatte Häschke es auch verstanden, sich aus einem zerlumpten Bummler in einen schmucken und leid¬ lich anständig aussehenden Menschen zu verwandeln. Viel trug zu dieser Mauserung bei, daß er sich seinen struppi¬ gen Vagabundenbart hatte abnehmen lassen. Faden, Nadel und Schere borgte er sich, und für ihn fand sich auch unter den Vorräten der Frauen dieses und jenes Stück Zeug. Karl Büttner mußte eine ,Staude' hergeben, wie Häschke das dem Leibe zunächst gelegene Kleidungsstück be¬
er ſich auf Schmiedearbeit verſtehe, und er müſſe doch ab¬ arbeiten, daß er hier „treife wohne.“ —
Und ſo machte er ſich über die Ackergerätſchaften, die Pflüge, Eggen, und die Handwerkszeuge, ſah nach den Schrau¬ ben, ſchweißte, hämmerte, nietete und ſchärfte. Kurz, er brachte alles in Schuß für die nahe Frühjahrsbeſtellung.
Die Herzen der Frauen gewann Häſchke durch ſeine gute Laune und ſeine ſchnodderigen Witze. Im Büttnerſchen Hauſe war die Fröhlichkeit lange Zeit ein unbekannter Gaſt geweſen. Jetzt wurde ſogar geſungen — allerdings nur wenn der Bauer außer Hörweite war. Es ſtellte ſich heraus, daß Häſchke ſangeskundig war, und Erneſtine hatte eine hübſche Stimme. Da ſangen ſie manchmal zweiſtimmig, allerhand neue und luſtige Lieder, die der Wandersmann von der Walze mit¬ gebracht hatte. Am ſchönſten aber war es, wenn er von ſei¬ nen Reiſeerlebniſſen erzählte. Vielleicht nahm er es mit der Wahrheit nicht immer genau. Er wußte von wunderlichen Fahrten, Glücksfällen und Abenteuern zu berichten. Jedenfalls verſtand er, ſpannend zu erzählen und ſeine Lügen geſchickt auszuſchmücken. Die Frauen glaubten ihm auf's Wort; mit offenem Munde und leuchtenden Augen hörte ihm Erneſtine zu, wenn er von den Wundern der Fremde berichtete. Häſchke¬ karl hatte wohl ſchwerlich etwas vom ‚Mohren von Venedig‘ vernommen. Aber auch er wußte, belehrt durch die Schlau¬ heit des Inſtinktes, daß man, durch Erwecken ihrer Teilnahme an Gefahren und außerordentlichen Erlebniſſen, das Wohlgefallen der Frau am ſicherſten erregt.
Erſtaunlich ſchnell hatte Häſchke es auch verſtanden, ſich aus einem zerlumpten Bummler in einen ſchmucken und leid¬ lich anſtändig ausſehenden Menſchen zu verwandeln. Viel trug zu dieſer Mauſerung bei, daß er ſich ſeinen ſtruppi¬ gen Vagabundenbart hatte abnehmen laſſen. Faden, Nadel und Schere borgte er ſich, und für ihn fand ſich auch unter den Vorräten der Frauen dieſes und jenes Stück Zeug. Karl Büttner mußte eine ‚Staude‘ hergeben, wie Häſchke das dem Leibe zunächſt gelegene Kleidungsſtück be¬
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er ſich auf Schmiedearbeit verſtehe, und er müſſe doch ab¬
arbeiten, daß er hier „treife wohne.“ —
Und ſo machte er ſich über die Ackergerätſchaften, die
Pflüge, Eggen, und die Handwerkszeuge, ſah nach den Schrau¬
ben, ſchweißte, hämmerte, nietete und ſchärfte. Kurz, er brachte
alles in Schuß für die nahe Frühjahrsbeſtellung.
Die Herzen der Frauen gewann Häſchke durch ſeine
gute Laune und ſeine ſchnodderigen Witze. Im Büttnerſchen
Hauſe war die Fröhlichkeit lange Zeit ein unbekannter Gaſt
geweſen. Jetzt wurde ſogar geſungen — allerdings nur wenn
der Bauer außer Hörweite war. Es ſtellte ſich heraus, daß
Häſchke ſangeskundig war, und Erneſtine hatte eine hübſche
Stimme. Da ſangen ſie manchmal zweiſtimmig, allerhand neue
und luſtige Lieder, die der Wandersmann von der Walze mit¬
gebracht hatte. Am ſchönſten aber war es, wenn er von ſei¬
nen Reiſeerlebniſſen erzählte. Vielleicht nahm er es mit der
Wahrheit nicht immer genau. Er wußte von wunderlichen
Fahrten, Glücksfällen und Abenteuern zu berichten. Jedenfalls
verſtand er, ſpannend zu erzählen und ſeine Lügen geſchickt
auszuſchmücken. Die Frauen glaubten ihm auf's Wort; mit
offenem Munde und leuchtenden Augen hörte ihm Erneſtine
zu, wenn er von den Wundern der Fremde berichtete. Häſchke¬
karl hatte wohl ſchwerlich etwas vom ‚Mohren von Venedig‘
vernommen. Aber auch er wußte, belehrt durch die Schlau¬
heit des Inſtinktes, daß man, durch Erwecken ihrer Teilnahme
an Gefahren und außerordentlichen Erlebniſſen, das Wohlgefallen
der Frau am ſicherſten erregt.
Erſtaunlich ſchnell hatte Häſchke es auch verſtanden, ſich
aus einem zerlumpten Bummler in einen ſchmucken und leid¬
lich anſtändig ausſehenden Menſchen zu verwandeln. Viel
trug zu dieſer Mauſerung bei, daß er ſich ſeinen ſtruppi¬
gen Vagabundenbart hatte abnehmen laſſen. Faden, Nadel
und Schere borgte er ſich, und für ihn fand ſich auch
unter den Vorräten der Frauen dieſes und jenes Stück
Zeug. Karl Büttner mußte eine ‚Staude‘ hergeben, wie
Häſchke das dem Leibe zunächſt gelegene Kleidungsſtück be¬
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Polenz, Wilhelm von: Der Büttnerbauer. Berlin, 1895, S. 244. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/polenz_buettnerbauer_1895/258>, abgerufen am 28.11.2024.
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