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Polenz, Wilhelm von: Der Büttnerbauer. Berlin, 1895.

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Aber schon hatte er die Aufmerksamkeit verloren. Man
schwatzte laut durcheinander und murrte. Für dumm solle
man die Halbenauer nicht halten, hieß es. Im Sacke wollten
sie die Katze nicht kaufen. Das sei der reine Menschenfang,
der hier getrieben würde, rief einer von den jungen Leuten
mit Militärmütze.

So flogen die Redensarten hin und her. Jetzt redete
mancher von der Leber weg, der sich's zuvor nicht getraut
hatte. Der Agent gab das Spiel noch nicht verloren, er trat
an einzelne heran, setzte ihnen zu, eiferte, widersprach, wollte
berichtigen. Er hatte gut sich abmühen, er fand keinen Glauben
mehr. In diesen einfachen Köpfen war das Mißtrauen rege
geworden, und mit Engelszungen ließ sich ihnen der Argwohn
nicht wieder ausreden.

Wer jetzt noch Lust hatte, den Kontrakt zu unterschreiben,
wagte es nicht mehr, aus Angst, sich vor den Dorfgenossen
lächerlich zu machen. Die Mädchen gingen eine nach der
anderen hinaus, besorgend, es möge hier wohl noch gar zur
Rauferei kommen.

Agent Zittwitz packte schließlich mit ärgerlicher Miene seine
Papiere zusammen, und verschwand.


Die Männer blieben noch beisammen. Gustav Büttner
war der Held des Tages. Das war etwas ganz Neues
für ihn. Das Bewußtsein, von seinesgleichen anerkannt zu
werden, hob sein Selbstgefühl. Er war so ganz unvorbedacht
dazu gekommen; er wußte selbst nicht, wie ihm geschehen. Der
blaue Dunst, den dieser Agent den Leuten vorgemacht, hatte
ihn verdrossen, und da hatte er frei herausgesagt, was er für
recht hielt, ohne Haschen nach Bewunderung. Der Erfolg, den
er gehabt, setzte ihn selbst in Erstaunen. Die Aufmerksamkeit,
deren Gegenstand er gegen seinen Willen geworden, that ihm
aber doch wohl, bekam schließlich etwas Prickelndes, Berauschen¬
des für seine wenig verwöhnte Eitelkeit.

Und die Umgebung sorgte dafür, daß dieses Gefühl sich

Aber ſchon hatte er die Aufmerkſamkeit verloren. Man
ſchwatzte laut durcheinander und murrte. Für dumm ſolle
man die Halbenauer nicht halten, hieß es. Im Sacke wollten
ſie die Katze nicht kaufen. Das ſei der reine Menſchenfang,
der hier getrieben würde, rief einer von den jungen Leuten
mit Militärmütze.

So flogen die Redensarten hin und her. Jetzt redete
mancher von der Leber weg, der ſich's zuvor nicht getraut
hatte. Der Agent gab das Spiel noch nicht verloren, er trat
an einzelne heran, ſetzte ihnen zu, eiferte, widerſprach, wollte
berichtigen. Er hatte gut ſich abmühen, er fand keinen Glauben
mehr. In dieſen einfachen Köpfen war das Mißtrauen rege
geworden, und mit Engelszungen ließ ſich ihnen der Argwohn
nicht wieder ausreden.

Wer jetzt noch Luſt hatte, den Kontrakt zu unterſchreiben,
wagte es nicht mehr, aus Angſt, ſich vor den Dorfgenoſſen
lächerlich zu machen. Die Mädchen gingen eine nach der
anderen hinaus, beſorgend, es möge hier wohl noch gar zur
Rauferei kommen.

Agent Zittwitz packte ſchließlich mit ärgerlicher Miene ſeine
Papiere zuſammen, und verſchwand.


Die Männer blieben noch beiſammen. Guſtav Büttner
war der Held des Tages. Das war etwas ganz Neues
für ihn. Das Bewußtſein, von ſeinesgleichen anerkannt zu
werden, hob ſein Selbſtgefühl. Er war ſo ganz unvorbedacht
dazu gekommen; er wußte ſelbſt nicht, wie ihm geſchehen. Der
blaue Dunſt, den dieſer Agent den Leuten vorgemacht, hatte
ihn verdroſſen, und da hatte er frei herausgeſagt, was er für
recht hielt, ohne Haſchen nach Bewunderung. Der Erfolg, den
er gehabt, ſetzte ihn ſelbſt in Erſtaunen. Die Aufmerkſamkeit,
deren Gegenſtand er gegen ſeinen Willen geworden, that ihm
aber doch wohl, bekam ſchließlich etwas Prickelndes, Berauſchen¬
des für ſeine wenig verwöhnte Eitelkeit.

Und die Umgebung ſorgte dafür, daß dieſes Gefühl ſich

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[228/0242] Aber ſchon hatte er die Aufmerkſamkeit verloren. Man ſchwatzte laut durcheinander und murrte. Für dumm ſolle man die Halbenauer nicht halten, hieß es. Im Sacke wollten ſie die Katze nicht kaufen. Das ſei der reine Menſchenfang, der hier getrieben würde, rief einer von den jungen Leuten mit Militärmütze. So flogen die Redensarten hin und her. Jetzt redete mancher von der Leber weg, der ſich's zuvor nicht getraut hatte. Der Agent gab das Spiel noch nicht verloren, er trat an einzelne heran, ſetzte ihnen zu, eiferte, widerſprach, wollte berichtigen. Er hatte gut ſich abmühen, er fand keinen Glauben mehr. In dieſen einfachen Köpfen war das Mißtrauen rege geworden, und mit Engelszungen ließ ſich ihnen der Argwohn nicht wieder ausreden. Wer jetzt noch Luſt hatte, den Kontrakt zu unterſchreiben, wagte es nicht mehr, aus Angſt, ſich vor den Dorfgenoſſen lächerlich zu machen. Die Mädchen gingen eine nach der anderen hinaus, beſorgend, es möge hier wohl noch gar zur Rauferei kommen. Agent Zittwitz packte ſchließlich mit ärgerlicher Miene ſeine Papiere zuſammen, und verſchwand. Die Männer blieben noch beiſammen. Guſtav Büttner war der Held des Tages. Das war etwas ganz Neues für ihn. Das Bewußtſein, von ſeinesgleichen anerkannt zu werden, hob ſein Selbſtgefühl. Er war ſo ganz unvorbedacht dazu gekommen; er wußte ſelbſt nicht, wie ihm geſchehen. Der blaue Dunſt, den dieſer Agent den Leuten vorgemacht, hatte ihn verdroſſen, und da hatte er frei herausgeſagt, was er für recht hielt, ohne Haſchen nach Bewunderung. Der Erfolg, den er gehabt, ſetzte ihn ſelbſt in Erſtaunen. Die Aufmerkſamkeit, deren Gegenſtand er gegen ſeinen Willen geworden, that ihm aber doch wohl, bekam ſchließlich etwas Prickelndes, Berauſchen¬ des für ſeine wenig verwöhnte Eitelkeit. Und die Umgebung ſorgte dafür, daß dieſes Gefühl ſich

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Zitationshilfe: Polenz, Wilhelm von: Der Büttnerbauer. Berlin, 1895, S. 228. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/polenz_buettnerbauer_1895/242>, abgerufen am 17.05.2024.