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Polenz, Wilhelm von: Der Büttnerbauer. Berlin, 1895.

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Der Hauptmann blickte mit düsterem Gesicht in die Ferne,
seine Miene war voll Gram. "Der Teufel verblendet den
großen Herren die Augen!" sagte er, mehr für sich, und biß
die Zähne aufeinander.

Die Stute begann unter ihm nervös hin und her zu
tänzeln; er hatte sie in Gedanken zu fest gehalten. Er ließ,
als er den Grund erkannte, ganz mechanisch die Kandaren¬
zügel locker und zog die Trense etwas an. "Hoo, hoo!" rief er,
dem Pferde zuredend, und klopfte es am Widerrist. "Ja, da
ist nun nichts weiter zu machen, mein guter Büttner!" sagte
er nach längerem Schweigen. "Ich wenigstens kann nichts
mehr thun, mir sind die Hände gebunden. Nahe geht mir die
Sache, das kann ich wohl sagen! Auf dem Laufenden können
Sie mich immerhin erhalten, verstehen Sie, Büttner. -- Nun,
Gott befohlen!"

Damit gab er der Stute einen unmerklichen Schenkeldruck.
Die krümmte den Hals, schob das Hinterteil unter und trug
den Reiter in gleichmäßig wiegenden Galoppsprüngen die Dorf¬
straße hinab.

Gustav blickte ihm mit Wehmut nach. Er war so sehr
Kavallerist geblieben, daß er selbst in diesem Augenblicke, wo
ganz andere Sorgen und Kümmernisse ihm näher lagen, doch
noch Raum fand für das Gefühl des Neides dem Manne
gegenüber, der ein solches Pferd reiten durfte. Er verfolgte
den Reiter mit seinen Blicken, bis er ihm hinter den Häusern
verschwunden war. Dann wandte er sich seufzend, um nach Hause
zu gehen, und dem Vater die schlechten Nachrichten zu überbringen.

Der junge Mann fühlte sich sehr niedergedrückt. Die Aus¬
sicht, die ihm Hauptmann Schroff eröffnet, war so wunder¬
bar gewesen, daß er wirklich geglaubt hatte, es werde nun
alles gut werden. Er hatte seine Pläne für die Zukunft ganz
auf das Gelingen dieses Planes gestellt, und nun war in
elfter Stunde alles gescheitert!

Auf den alten Bauern machte die Nachricht keinen tieferen
Eindruck. Er hatte ja nicht an eine Wendung zum Besseren
geglaubt.

Der Hauptmann blickte mit düſterem Geſicht in die Ferne,
ſeine Miene war voll Gram. „Der Teufel verblendet den
großen Herren die Augen!“ ſagte er, mehr für ſich, und biß
die Zähne aufeinander.

Die Stute begann unter ihm nervös hin und her zu
tänzeln; er hatte ſie in Gedanken zu feſt gehalten. Er ließ,
als er den Grund erkannte, ganz mechaniſch die Kandaren¬
zügel locker und zog die Trenſe etwas an. „Hoo, hoo!“ rief er,
dem Pferde zuredend, und klopfte es am Widerriſt. „Ja, da
iſt nun nichts weiter zu machen, mein guter Büttner!“ ſagte
er nach längerem Schweigen. „Ich wenigſtens kann nichts
mehr thun, mir ſind die Hände gebunden. Nahe geht mir die
Sache, das kann ich wohl ſagen! Auf dem Laufenden können
Sie mich immerhin erhalten, verſtehen Sie, Büttner. — Nun,
Gott befohlen!“

Damit gab er der Stute einen unmerklichen Schenkeldruck.
Die krümmte den Hals, ſchob das Hinterteil unter und trug
den Reiter in gleichmäßig wiegenden Galoppſprüngen die Dorf¬
ſtraße hinab.

Guſtav blickte ihm mit Wehmut nach. Er war ſo ſehr
Kavalleriſt geblieben, daß er ſelbſt in dieſem Augenblicke, wo
ganz andere Sorgen und Kümmerniſſe ihm näher lagen, doch
noch Raum fand für das Gefühl des Neides dem Manne
gegenüber, der ein ſolches Pferd reiten durfte. Er verfolgte
den Reiter mit ſeinen Blicken, bis er ihm hinter den Häuſern
verſchwunden war. Dann wandte er ſich ſeufzend, um nach Hauſe
zu gehen, und dem Vater die ſchlechten Nachrichten zu überbringen.

Der junge Mann fühlte ſich ſehr niedergedrückt. Die Aus¬
ſicht, die ihm Hauptmann Schroff eröffnet, war ſo wunder¬
bar geweſen, daß er wirklich geglaubt hatte, es werde nun
alles gut werden. Er hatte ſeine Pläne für die Zukunft ganz
auf das Gelingen dieſes Planes geſtellt, und nun war in
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[218/0232] Der Hauptmann blickte mit düſterem Geſicht in die Ferne, ſeine Miene war voll Gram. „Der Teufel verblendet den großen Herren die Augen!“ ſagte er, mehr für ſich, und biß die Zähne aufeinander. Die Stute begann unter ihm nervös hin und her zu tänzeln; er hatte ſie in Gedanken zu feſt gehalten. Er ließ, als er den Grund erkannte, ganz mechaniſch die Kandaren¬ zügel locker und zog die Trenſe etwas an. „Hoo, hoo!“ rief er, dem Pferde zuredend, und klopfte es am Widerriſt. „Ja, da iſt nun nichts weiter zu machen, mein guter Büttner!“ ſagte er nach längerem Schweigen. „Ich wenigſtens kann nichts mehr thun, mir ſind die Hände gebunden. Nahe geht mir die Sache, das kann ich wohl ſagen! Auf dem Laufenden können Sie mich immerhin erhalten, verſtehen Sie, Büttner. — Nun, Gott befohlen!“ Damit gab er der Stute einen unmerklichen Schenkeldruck. Die krümmte den Hals, ſchob das Hinterteil unter und trug den Reiter in gleichmäßig wiegenden Galoppſprüngen die Dorf¬ ſtraße hinab. Guſtav blickte ihm mit Wehmut nach. Er war ſo ſehr Kavalleriſt geblieben, daß er ſelbſt in dieſem Augenblicke, wo ganz andere Sorgen und Kümmerniſſe ihm näher lagen, doch noch Raum fand für das Gefühl des Neides dem Manne gegenüber, der ein ſolches Pferd reiten durfte. Er verfolgte den Reiter mit ſeinen Blicken, bis er ihm hinter den Häuſern verſchwunden war. Dann wandte er ſich ſeufzend, um nach Hauſe zu gehen, und dem Vater die ſchlechten Nachrichten zu überbringen. Der junge Mann fühlte ſich ſehr niedergedrückt. Die Aus¬ ſicht, die ihm Hauptmann Schroff eröffnet, war ſo wunder¬ bar geweſen, daß er wirklich geglaubt hatte, es werde nun alles gut werden. Er hatte ſeine Pläne für die Zukunft ganz auf das Gelingen dieſes Planes geſtellt, und nun war in elfter Stunde alles geſcheitert! Auf den alten Bauern machte die Nachricht keinen tieferen Eindruck. Er hatte ja nicht an eine Wendung zum Beſſeren geglaubt.

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Zitationshilfe: Polenz, Wilhelm von: Der Büttnerbauer. Berlin, 1895, S. 218. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/polenz_buettnerbauer_1895/232>, abgerufen am 17.05.2024.