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Polenz, Wilhelm von: Der Büttnerbauer. Berlin, 1895.

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soviel verlorene Mühe. Schöner sah sie in dem rot und gelb
gemusterten Zeuge auch nicht aus, mit ihrer flachen Brust und
der gilblichen Hautfarbe. Das Mädchen that sein Möglichstes,
um den Vetter zum zulangen zu bringen. Nach jedem Schlucke,
den er nahm, schenkte sie nach, so daß der Inhalt des Glases
niemals abnahm.

Gustavs gesunder Appetit hatte bald den anfänglichen
Widerwillen überwunden. Zudem fragte er sich, warum er
die Thorheit dieses Frauenzimmers nicht ausnutzen solle.
Er ließ sich seines Onkels Bier, Schnaps und Schinken gut
schmecken.

Als er sich soweit gesättigt hatte, daß er nicht mehr
imstande war, noch einen Bissen herunterzubringen, schob er
den Teller von sich. Ottilie sprang auf, holte Zigarren und
brannte ihm eigenhändig eine an.

Er bat sie, daß sie nun den Vater aus dem Keller holen
möge. Sie meinte darauf, das habe ja noch Zeit. Man
habe sich doch so mancherlei zu erzählen, wenn man sich so
lange nicht gesehen. Dabei wechselte sie den Platz, setzte sich
an seine Seite. Das wurde ihm doch zuviel des Guten.
Es bedurfte einer sehr energischen Aufforderung von seiner
Seite, daß sie sich bewogen fühlte, endlich den Vater herbei¬
zurufen.

Der Wirt erschien, wie gewöhnlich, in Pantoffeln, die Zipfel¬
mütze auf dem Kopfe, die Hände unter der blauen Schürze.
Hinter ihm sein Sohn wußte die Haltung des Vaters vortreff¬
lich nachzuahmen. Nach Kaschelscher Art begrüßten sie Gustav
mit Kichern und Grinsen, das sich bei jedem Worte, das ge¬
sprochen wurde, erneuerte.

"Ottilie! Ich nahm o eenen!" rief der Wirt. "Vun an
Bierabziehn kann ens schon warm warn. Newohr Richard?"

Der Sohn feixte dummdreist, und schielte falsch verlegen
nach dem Vetter hin. Er mochte an die Lektion denken, die
er von dem einstmals empfangen hatte.

Gustav, um etwas zu sagen, fragte, ob Richard nicht bald
zu den Soldaten müsse. Da erhellten sich die Gesichter von

ſoviel verlorene Mühe. Schöner ſah ſie in dem rot und gelb
gemuſterten Zeuge auch nicht aus, mit ihrer flachen Bruſt und
der gilblichen Hautfarbe. Das Mädchen that ſein Möglichſtes,
um den Vetter zum zulangen zu bringen. Nach jedem Schlucke,
den er nahm, ſchenkte ſie nach, ſo daß der Inhalt des Glaſes
niemals abnahm.

Guſtavs geſunder Appetit hatte bald den anfänglichen
Widerwillen überwunden. Zudem fragte er ſich, warum er
die Thorheit dieſes Frauenzimmers nicht ausnutzen ſolle.
Er ließ ſich ſeines Onkels Bier, Schnaps und Schinken gut
ſchmecken.

Als er ſich ſoweit geſättigt hatte, daß er nicht mehr
imſtande war, noch einen Biſſen herunterzubringen, ſchob er
den Teller von ſich. Ottilie ſprang auf, holte Zigarren und
brannte ihm eigenhändig eine an.

Er bat ſie, daß ſie nun den Vater aus dem Keller holen
möge. Sie meinte darauf, das habe ja noch Zeit. Man
habe ſich doch ſo mancherlei zu erzählen, wenn man ſich ſo
lange nicht geſehen. Dabei wechſelte ſie den Platz, ſetzte ſich
an ſeine Seite. Das wurde ihm doch zuviel des Guten.
Es bedurfte einer ſehr energiſchen Aufforderung von ſeiner
Seite, daß ſie ſich bewogen fühlte, endlich den Vater herbei¬
zurufen.

Der Wirt erſchien, wie gewöhnlich, in Pantoffeln, die Zipfel¬
mütze auf dem Kopfe, die Hände unter der blauen Schürze.
Hinter ihm ſein Sohn wußte die Haltung des Vaters vortreff¬
lich nachzuahmen. Nach Kaſchelſcher Art begrüßten ſie Guſtav
mit Kichern und Grinſen, das ſich bei jedem Worte, das ge¬
ſprochen wurde, erneuerte.

„Ottilie! Ich nahm o eenen!“ rief der Wirt. „Vun an
Bierabziehn kann ens ſchon warm warn. Newohr Richard?“

Der Sohn feixte dummdreiſt, und ſchielte falſch verlegen
nach dem Vetter hin. Er mochte an die Lektion denken, die
er von dem einſtmals empfangen hatte.

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zu den Soldaten müſſe. Da erhellten ſich die Geſichter von

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[168/0182] ſoviel verlorene Mühe. Schöner ſah ſie in dem rot und gelb gemuſterten Zeuge auch nicht aus, mit ihrer flachen Bruſt und der gilblichen Hautfarbe. Das Mädchen that ſein Möglichſtes, um den Vetter zum zulangen zu bringen. Nach jedem Schlucke, den er nahm, ſchenkte ſie nach, ſo daß der Inhalt des Glaſes niemals abnahm. Guſtavs geſunder Appetit hatte bald den anfänglichen Widerwillen überwunden. Zudem fragte er ſich, warum er die Thorheit dieſes Frauenzimmers nicht ausnutzen ſolle. Er ließ ſich ſeines Onkels Bier, Schnaps und Schinken gut ſchmecken. Als er ſich ſoweit geſättigt hatte, daß er nicht mehr imſtande war, noch einen Biſſen herunterzubringen, ſchob er den Teller von ſich. Ottilie ſprang auf, holte Zigarren und brannte ihm eigenhändig eine an. Er bat ſie, daß ſie nun den Vater aus dem Keller holen möge. Sie meinte darauf, das habe ja noch Zeit. Man habe ſich doch ſo mancherlei zu erzählen, wenn man ſich ſo lange nicht geſehen. Dabei wechſelte ſie den Platz, ſetzte ſich an ſeine Seite. Das wurde ihm doch zuviel des Guten. Es bedurfte einer ſehr energiſchen Aufforderung von ſeiner Seite, daß ſie ſich bewogen fühlte, endlich den Vater herbei¬ zurufen. Der Wirt erſchien, wie gewöhnlich, in Pantoffeln, die Zipfel¬ mütze auf dem Kopfe, die Hände unter der blauen Schürze. Hinter ihm ſein Sohn wußte die Haltung des Vaters vortreff¬ lich nachzuahmen. Nach Kaſchelſcher Art begrüßten ſie Guſtav mit Kichern und Grinſen, das ſich bei jedem Worte, das ge¬ ſprochen wurde, erneuerte. „Ottilie! Ich nahm o eenen!“ rief der Wirt. „Vun an Bierabziehn kann ens ſchon warm warn. Newohr Richard?“ Der Sohn feixte dummdreiſt, und ſchielte falſch verlegen nach dem Vetter hin. Er mochte an die Lektion denken, die er von dem einſtmals empfangen hatte. Guſtav, um etwas zu ſagen, fragte, ob Richard nicht bald zu den Soldaten müſſe. Da erhellten ſich die Geſichter von

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Zitationshilfe: Polenz, Wilhelm von: Der Büttnerbauer. Berlin, 1895, S. 168. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/polenz_buettnerbauer_1895/182>, abgerufen am 30.11.2024.