Magd war sie! wochentags womöglich barfuß und mit kurzen Röcken! --
Er nahm eine hochmütige Miene an, im Geiste die ehe¬ malige Geliebte mit den "Fräuleins" vergleichend, deren Be¬ kanntschaft er in den Kneipen und Promenaden der Provinzial¬ hauptstadt gemacht hatte. In der Stadt hatte, weiß Gott, das einfachste Dienstmädel mehr Lebensart, als hier draußen auf dem Dorfe die Frauenzimmer allezusammen. Er verachtete Katschners Pauline so recht aus Herzensgrunde.
Und einstmals war die dort unten doch sein Einund¬ alles gewesen! --
Auf einmal zog durch seinen Kopf die Erinnerung an das Abschiednehmen damals, als er mit den Rekruten weggezogen in die Garnison. Da hatten sie gedacht, das Herz müsse ihnen brechen beim letzten Kusse. Und dann, als er wiederkam, zum ersten Urlaub, nach einjähriger Trennung. -- Was er da ange¬ stellt hatte vor Glückseligkeit! Und das Mädel! Sie waren ja wie verrückt gewesen, beide. Was er ihr da alles ver¬ sprochen und zugesagt hatte!
Er versuchte die Gedanken daran zu verscheuchen. Da¬ mals war er ja so dumm gewesen, so fürchterlich dumm! Was er da versprochen hatte, konnte gar nicht gelten. Und außerdem hatte sie ihm ja selbst auch nicht die Treue gehalten. -- Was ging ihn der Junge an! Überhaupt, wer stand ihm denn dafür, daß das sein Kind sei! Er war ja so lange weg ge¬ wesen.
Na, mit der war er fertig! Mochten die Leute sagen, was sie wollten! Mochte sie selbst sich beklagen, und Briefe schreiben und ihm zu seinem Geburtstage und zu Neujahr Glückwunschkarten schicken -- das sollte ihn alles nicht rühren. So dumm! Er hatte ganz andere Damen in der Stadt, feine Damen, die gebildet sprachen und "Hochwalzer" tanzen konnten. Was ging ihn Katschners Pauline an, deren Vater armseliger Stellenbesitzer gewesen war.
Inzwischen hatte der Pastor zu predigen begonnen. Gustav versuchte nun, seine Gedanken auf das Gotteswort zu richten.
Magd war ſie! wochentags womöglich barfuß und mit kurzen Röcken! —
Er nahm eine hochmütige Miene an, im Geiſte die ehe¬ malige Geliebte mit den „Fräuleins“ vergleichend, deren Be¬ kanntſchaft er in den Kneipen und Promenaden der Provinzial¬ hauptſtadt gemacht hatte. In der Stadt hatte, weiß Gott, das einfachſte Dienſtmädel mehr Lebensart, als hier draußen auf dem Dorfe die Frauenzimmer allezuſammen. Er verachtete Katſchners Pauline ſo recht aus Herzensgrunde.
Und einſtmals war die dort unten doch ſein Einund¬ alles geweſen! —
Auf einmal zog durch ſeinen Kopf die Erinnerung an das Abſchiednehmen damals, als er mit den Rekruten weggezogen in die Garniſon. Da hatten ſie gedacht, das Herz müſſe ihnen brechen beim letzten Kuſſe. Und dann, als er wiederkam, zum erſten Urlaub, nach einjähriger Trennung. — Was er da ange¬ ſtellt hatte vor Glückſeligkeit! Und das Mädel! Sie waren ja wie verrückt geweſen, beide. Was er ihr da alles ver¬ ſprochen und zugeſagt hatte!
Er verſuchte die Gedanken daran zu verſcheuchen. Da¬ mals war er ja ſo dumm geweſen, ſo fürchterlich dumm! Was er da verſprochen hatte, konnte gar nicht gelten. Und außerdem hatte ſie ihm ja ſelbſt auch nicht die Treue gehalten. — Was ging ihn der Junge an! Überhaupt, wer ſtand ihm denn dafür, daß das ſein Kind ſei! Er war ja ſo lange weg ge¬ weſen.
Na, mit der war er fertig! Mochten die Leute ſagen, was ſie wollten! Mochte ſie ſelbſt ſich beklagen, und Briefe ſchreiben und ihm zu ſeinem Geburtstage und zu Neujahr Glückwunſchkarten ſchicken — das ſollte ihn alles nicht rühren. So dumm! Er hatte ganz andere Damen in der Stadt, feine Damen, die gebildet ſprachen und „Hochwalzer“ tanzen konnten. Was ging ihn Katſchners Pauline an, deren Vater armſeliger Stellenbeſitzer geweſen war.
Inzwiſchen hatte der Paſtor zu predigen begonnen. Guſtav verſuchte nun, ſeine Gedanken auf das Gotteswort zu richten.
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Magd war ſie! wochentags womöglich barfuß und mit kurzen
Röcken! —
Er nahm eine hochmütige Miene an, im Geiſte die ehe¬
malige Geliebte mit den „Fräuleins“ vergleichend, deren Be¬
kanntſchaft er in den Kneipen und Promenaden der Provinzial¬
hauptſtadt gemacht hatte. In der Stadt hatte, weiß Gott, das
einfachſte Dienſtmädel mehr Lebensart, als hier draußen auf
dem Dorfe die Frauenzimmer allezuſammen. Er verachtete
Katſchners Pauline ſo recht aus Herzensgrunde.
Und einſtmals war die dort unten doch ſein Einund¬
alles geweſen! —
Auf einmal zog durch ſeinen Kopf die Erinnerung an das
Abſchiednehmen damals, als er mit den Rekruten weggezogen in
die Garniſon. Da hatten ſie gedacht, das Herz müſſe ihnen
brechen beim letzten Kuſſe. Und dann, als er wiederkam, zum
erſten Urlaub, nach einjähriger Trennung. — Was er da ange¬
ſtellt hatte vor Glückſeligkeit! Und das Mädel! Sie waren
ja wie verrückt geweſen, beide. Was er ihr da alles ver¬
ſprochen und zugeſagt hatte!
Er verſuchte die Gedanken daran zu verſcheuchen. Da¬
mals war er ja ſo dumm geweſen, ſo fürchterlich dumm!
Was er da verſprochen hatte, konnte gar nicht gelten. Und
außerdem hatte ſie ihm ja ſelbſt auch nicht die Treue gehalten. —
Was ging ihn der Junge an! Überhaupt, wer ſtand ihm denn
dafür, daß das ſein Kind ſei! Er war ja ſo lange weg ge¬
weſen.
Na, mit der war er fertig! Mochten die Leute ſagen,
was ſie wollten! Mochte ſie ſelbſt ſich beklagen, und Briefe
ſchreiben und ihm zu ſeinem Geburtstage und zu Neujahr
Glückwunſchkarten ſchicken — das ſollte ihn alles nicht rühren.
So dumm! Er hatte ganz andere Damen in der Stadt, feine
Damen, die gebildet ſprachen und „Hochwalzer“ tanzen konnten.
Was ging ihn Katſchners Pauline an, deren Vater armſeliger
Stellenbeſitzer geweſen war.
Inzwiſchen hatte der Paſtor zu predigen begonnen. Guſtav
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Polenz, Wilhelm von: Der Büttnerbauer. Berlin, 1895, S. 4. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/polenz_buettnerbauer_1895/18>, abgerufen am 23.11.2024.
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