Pölitz, Karl Heinrich Ludwig: Das Gesamtgebiet der teutschen Sprache nach Prosa, Dichtkunst und Beredsamkeit theoretisch und praktisch dargestellt. Dritter Band: Sprache der Dichtkunst. Leipzig, 1825.ppo_462.001 Das heißt: du sollst dein Weib nicht treiben, sondern ppo_462.002
führen, ppo_462.003 Und sie mit Höflichkeit, nicht mit Gewalt regieren. ppo_462.004 Du bist kein Medicus; sonst nähmst du in der Pein ppo_462.005 Ein treibendes Klystier für deine Würmer ein. ppo_462.006 So hast du auch nicht viel in Gottes Wort vergessen; ppo_462.007 Sonst würdest du dein Thun nach dem Gewissen messen. ppo_462.008 Du bist auch kein Jurist; denn wer das Recht erklärt, ppo_462.009 Der weiß wohl, daß das Weib nicht einen Mann ernährt, ppo_462.010 Und daß, soll eine Frau der Haushaltung befehlen, ppo_462.011 Man ihr die Krüge nicht muß aus der Kammer stehlen. ppo_462.012 Was Henker bist du denn? -- Ein Narr, der nichts ppo_462.013 gelernt; ppo_462.014 Ein Flegel, der nur drischt, was Andre eingeernt. ppo_462.015 Und gleichwohl bist du doch ein großer Doctor worden? ppo_462.016 Erhabner Eselskopf, man kommt nicht in den Orden, ppo_462.017 Wo man bei dieser Zeit nicht Künste mit sich bringt, ppo_462.018 Und, wenn die Kunst gebricht, von großer Zahlung singt. ppo_462.019 Wie geht es denn nun zu? -- Das Geld hat dich erhoben; ppo_462.020 ppo_462.021 Das Geld, das dir, wie Koth, oft in der Hand verstoben, ppo_462.022 ppo_462.023 Das deines Vaters Fleiß mit vieler Müh gehegt, ppo_462.024 Und du schon, eh er starb, mit Schanden angelegt. ppo_462.025 Drum fingst du nach der Zeit dich endlich an zu grämen, ppo_462.026 Und dachtst, ich muß mir nur ein liebes Weibchen nehmen, ppo_462.027 Die, weil ich armer Schelm in Büchern nichts gethan, ppo_462.028 Und alles Geld verschluckt, mich noch erhalten kann. ppo_462.029 Das Glücke war dir hold, du wurdest angenommen; ppo_462.030 Dein Titel hat ein Weib, nicht aber du bekommen. ppo_462.031 Nun hast du, was du willst; du lebst, wie dir's gefällt, ppo_462.032 Die Frau ernähret dich, ihr Vater schafft dir Geld; ppo_462.033 Die Braten müssen dir fast in die Gurgel fliegen. ppo_462.034 Du kannst den ganzen Tag im Bette schnarchend liegen. ppo_462.001 Das heißt: du sollst dein Weib nicht treiben, sondern ppo_462.002
führen, ppo_462.003 Und sie mit Höflichkeit, nicht mit Gewalt regieren. ppo_462.004 Du bist kein Medicus; sonst nähmst du in der Pein ppo_462.005 Ein treibendes Klystier für deine Würmer ein. ppo_462.006 So hast du auch nicht viel in Gottes Wort vergessen; ppo_462.007 Sonst würdest du dein Thun nach dem Gewissen messen. ppo_462.008 Du bist auch kein Jurist; denn wer das Recht erklärt, ppo_462.009 Der weiß wohl, daß das Weib nicht einen Mann ernährt, ppo_462.010 Und daß, soll eine Frau der Haushaltung befehlen, ppo_462.011 Man ihr die Krüge nicht muß aus der Kammer stehlen. ppo_462.012 Was Henker bist du denn? — Ein Narr, der nichts ppo_462.013 gelernt; ppo_462.014 Ein Flegel, der nur drischt, was Andre eingeernt. ppo_462.015 Und gleichwohl bist du doch ein großer Doctor worden? ppo_462.016 Erhabner Eselskopf, man kommt nicht in den Orden, ppo_462.017 Wo man bei dieser Zeit nicht Künste mit sich bringt, ppo_462.018 Und, wenn die Kunst gebricht, von großer Zahlung singt. ppo_462.019 Wie geht es denn nun zu? — Das Geld hat dich erhoben; ppo_462.020 ppo_462.021 Das Geld, das dir, wie Koth, oft in der Hand verstoben, ppo_462.022 ppo_462.023 Das deines Vaters Fleiß mit vieler Müh gehegt, ppo_462.024 Und du schon, eh er starb, mit Schanden angelegt. ppo_462.025 Drum fingst du nach der Zeit dich endlich an zu grämen, ppo_462.026 Und dachtst, ich muß mir nur ein liebes Weibchen nehmen, ppo_462.027 Die, weil ich armer Schelm in Büchern nichts gethan, ppo_462.028 Und alles Geld verschluckt, mich noch erhalten kann. ppo_462.029 Das Glücke war dir hold, du wurdest angenommen; ppo_462.030 Dein Titel hat ein Weib, nicht aber du bekommen. ppo_462.031 Nun hast du, was du willst; du lebst, wie dir's gefällt, ppo_462.032 Die Frau ernähret dich, ihr Vater schafft dir Geld; ppo_462.033 Die Braten müssen dir fast in die Gurgel fliegen. ppo_462.034 Du kannst den ganzen Tag im Bette schnarchend liegen. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <pb facs="#f0474" n="462"/> <lb n="ppo_462.001"/> <lg> <l>Das heißt: du sollst dein Weib nicht treiben, sondern</l> <lb n="ppo_462.002"/> <l> <hi rendition="#right">führen,</hi> </l> <lb n="ppo_462.003"/> <l>Und sie mit Höflichkeit, nicht mit Gewalt regieren.</l> <lb n="ppo_462.004"/> <l>Du bist kein Medicus; sonst nähmst du in der Pein</l> <lb n="ppo_462.005"/> <l>Ein treibendes Klystier für deine Würmer ein.</l> <lb n="ppo_462.006"/> <l>So hast du auch nicht viel in Gottes Wort vergessen;</l> <lb n="ppo_462.007"/> <l>Sonst würdest du dein Thun nach dem Gewissen messen.</l> <lb n="ppo_462.008"/> <l>Du bist auch kein Jurist; denn wer das Recht erklärt,</l> <lb n="ppo_462.009"/> <l>Der weiß wohl, daß das Weib nicht einen Mann ernährt,</l> <lb n="ppo_462.010"/> <l>Und daß, soll eine Frau der Haushaltung befehlen,</l> <lb n="ppo_462.011"/> <l>Man ihr die Krüge nicht muß aus der Kammer stehlen.</l> <lb n="ppo_462.012"/> <l>Was Henker bist du denn? — Ein Narr, der nichts</l> <lb n="ppo_462.013"/> <l> <hi rendition="#right">gelernt;</hi> </l> <lb n="ppo_462.014"/> <l>Ein Flegel, der nur drischt, was Andre eingeernt.</l> <lb n="ppo_462.015"/> <l>Und gleichwohl bist du doch ein großer Doctor worden?</l> <lb n="ppo_462.016"/> <l>Erhabner Eselskopf, man kommt nicht in den Orden,</l> <lb n="ppo_462.017"/> <l>Wo man bei dieser Zeit nicht Künste mit sich bringt,</l> <lb n="ppo_462.018"/> <l>Und, wenn die Kunst gebricht, von großer Zahlung singt.</l> <lb n="ppo_462.019"/> <l>Wie geht es denn nun zu? — Das Geld hat dich erhoben;</l> <lb n="ppo_462.020"/> <l/> <lb n="ppo_462.021"/> <l>Das Geld, das dir, wie Koth, oft in der Hand verstoben,</l> <lb n="ppo_462.022"/> <l/> <lb n="ppo_462.023"/> <l>Das deines Vaters Fleiß mit vieler Müh gehegt,</l> <lb n="ppo_462.024"/> <l>Und du schon, eh er starb, mit Schanden angelegt.</l> <lb n="ppo_462.025"/> <l>Drum fingst du nach der Zeit dich endlich an zu grämen,</l> <lb n="ppo_462.026"/> <l>Und dachtst, ich muß mir nur ein liebes Weibchen nehmen,</l> <lb n="ppo_462.027"/> <l>Die, weil ich armer Schelm in Büchern nichts gethan,</l> <lb n="ppo_462.028"/> <l>Und alles Geld verschluckt, mich noch erhalten kann.</l> <lb n="ppo_462.029"/> <l>Das Glücke war dir hold, du wurdest angenommen;</l> <lb n="ppo_462.030"/> <l>Dein Titel hat ein Weib, nicht aber du bekommen.</l> <lb n="ppo_462.031"/> <l>Nun hast du, was du willst; du lebst, wie dir's gefällt,</l> <lb n="ppo_462.032"/> <l>Die Frau ernähret dich, ihr Vater schafft dir Geld;</l> <lb n="ppo_462.033"/> <l>Die Braten müssen dir fast in die Gurgel fliegen.</l> <lb n="ppo_462.034"/> <l>Du kannst den ganzen Tag im Bette schnarchend liegen.</l> </lg> </div> </div> </body> </text> </TEI> [462/0474]
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Du kannst den ganzen Tag im Bette schnarchend liegen.
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Zitationshilfe: | Pölitz, Karl Heinrich Ludwig: Das Gesamtgebiet der teutschen Sprache nach Prosa, Dichtkunst und Beredsamkeit theoretisch und praktisch dargestellt. Dritter Band: Sprache der Dichtkunst. Leipzig, 1825, S. 462. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/poelitz_poetik_1825/474>, abgerufen am 16.07.2024. |