Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Pölitz, Karl Heinrich Ludwig: Das Gesamtgebiet der teutschen Sprache nach Prosa, Dichtkunst und Beredsamkeit theoretisch und praktisch dargestellt. Dritter Band: Sprache der Dichtkunst. Leipzig, 1825.

Bild:
<< vorherige Seite

ppo_402.001
erwachen, sey mir gefällig, und singe mir den ppo_402.002
neuen Lobgesang, den du gestern auf der Flur gedichtet ppo_402.003
hast. Was ist lieblicher, als mit Gesängen den Herrn ppo_402.004
loben? Wenn du singest, o dann wallet mein Herz voll ppo_402.005
heiligen Entzückens, wenn du die Empfindungen sagst, ppo_402.006
die ich nur empfand und nicht sagen konnte! Jhr antwortet' ppo_402.007
Abel und umarmte sie: Was deine süßen Lippen ppo_402.008
von mir begehren; das alles sey dir gewähret, meine ppo_402.009
Thirza! Les' ich einen Wunsch in deinen Augen, dann ppo_402.010
sey er erfüllt; wir wollen hier auf das weiche Moos ppo_402.011
uns setzen, dann will ich den Lobgesang singen. Sie ppo_402.012
setzten sich neben einander in der düftenden Laube, deren ppo_402.013
Eingang die Morgensonne vergoldete, und Abel hob so ppo_402.014
seinen Lobgesang an:

ppo_402.015

Weiche du Schlaf von jedem Aug', entweichet ihr ppo_402.016
flatternden Träume! Die Vernunft geht wieder hervor, ppo_402.017
und erhellet die Seele, wie die Morgensonne die ppo_402.018
Gegend erhellet. Sey uns gegrüßt, du liebliche Sonne ppo_402.019
hinter den Cedern herauf! du gießest Farb' und Anmuth ppo_402.020
durch die Natur hin, und jede Schönheit lachet verjüngt ppo_402.021
uns wieder entgegen. Entweiche du Schlaf von jedem ppo_402.022
Aug'; entfliehet, ihr flatternden Träume, zu den Schatten ppo_402.023
der Nacht! Wo sind sie, die Schatten der Nacht? ppo_402.024
Jns Dunkel der Haine und in die Felsenklüfte sind sie ppo_402.025
gewichen, und erwarten uns da, oder in dicht verwachsenen ppo_402.026
Lauben mit erquickender Kühlung am heißen Mittage. ppo_402.027
Dort, wo der Morgen den Adler früher weckte; ppo_402.028
was dampft dort von den schimmernden Häuptern der ppo_402.029
Felsen, von den glänzenden Stirnen der Berge in die ppo_402.030
helle Morgenluft empor, wie Opferrauch dem Altar entsteigt? ppo_402.031
Die Natur feiert den Morgen, und opfert dem ppo_402.032
Herrn der Schöpfung Dank. Jhn soll jedes Geschöpf ppo_402.033
loben, ihn, der alles schaffet und erhält. Ja ihm zum ppo_402.034
Lobe zerstreuen die jungen Blumen ihre frühen Gerüche;

ppo_402.001
erwachen, sey mir gefällig, und singe mir den ppo_402.002
neuen Lobgesang, den du gestern auf der Flur gedichtet ppo_402.003
hast. Was ist lieblicher, als mit Gesängen den Herrn ppo_402.004
loben? Wenn du singest, o dann wallet mein Herz voll ppo_402.005
heiligen Entzückens, wenn du die Empfindungen sagst, ppo_402.006
die ich nur empfand und nicht sagen konnte! Jhr antwortet' ppo_402.007
Abel und umarmte sie: Was deine süßen Lippen ppo_402.008
von mir begehren; das alles sey dir gewähret, meine ppo_402.009
Thirza! Les' ich einen Wunsch in deinen Augen, dann ppo_402.010
sey er erfüllt; wir wollen hier auf das weiche Moos ppo_402.011
uns setzen, dann will ich den Lobgesang singen. Sie ppo_402.012
setzten sich neben einander in der düftenden Laube, deren ppo_402.013
Eingang die Morgensonne vergoldete, und Abel hob so ppo_402.014
seinen Lobgesang an:

ppo_402.015

Weiche du Schlaf von jedem Aug', entweichet ihr ppo_402.016
flatternden Träume! Die Vernunft geht wieder hervor, ppo_402.017
und erhellet die Seele, wie die Morgensonne die ppo_402.018
Gegend erhellet. Sey uns gegrüßt, du liebliche Sonne ppo_402.019
hinter den Cedern herauf! du gießest Farb' und Anmuth ppo_402.020
durch die Natur hin, und jede Schönheit lachet verjüngt ppo_402.021
uns wieder entgegen. Entweiche du Schlaf von jedem ppo_402.022
Aug'; entfliehet, ihr flatternden Träume, zu den Schatten ppo_402.023
der Nacht! Wo sind sie, die Schatten der Nacht? ppo_402.024
Jns Dunkel der Haine und in die Felsenklüfte sind sie ppo_402.025
gewichen, und erwarten uns da, oder in dicht verwachsenen ppo_402.026
Lauben mit erquickender Kühlung am heißen Mittage. ppo_402.027
Dort, wo der Morgen den Adler früher weckte; ppo_402.028
was dampft dort von den schimmernden Häuptern der ppo_402.029
Felsen, von den glänzenden Stirnen der Berge in die ppo_402.030
helle Morgenluft empor, wie Opferrauch dem Altar entsteigt? ppo_402.031
Die Natur feiert den Morgen, und opfert dem ppo_402.032
Herrn der Schöpfung Dank. Jhn soll jedes Geschöpf ppo_402.033
loben, ihn, der alles schaffet und erhält. Ja ihm zum ppo_402.034
Lobe zerstreuen die jungen Blumen ihre frühen Gerüche;

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p> <hi rendition="#et"><pb facs="#f0414" n="402"/><lb n="ppo_402.001"/> erwachen, sey mir gefällig, und singe mir den <lb n="ppo_402.002"/>neuen Lobgesang, den du gestern auf der Flur gedichtet <lb n="ppo_402.003"/>hast. Was ist lieblicher, als mit Gesängen den Herrn <lb n="ppo_402.004"/>loben? Wenn du singest, o dann wallet mein Herz voll <lb n="ppo_402.005"/>heiligen Entzückens, wenn du die Empfindungen sagst, <lb n="ppo_402.006"/>die ich nur empfand und nicht sagen konnte! Jhr antwortet' <lb n="ppo_402.007"/>Abel und umarmte sie: Was deine süßen Lippen <lb n="ppo_402.008"/>von mir begehren; das alles sey dir gewähret, meine <lb n="ppo_402.009"/>Thirza! Les' ich einen Wunsch in deinen Augen, dann <lb n="ppo_402.010"/>sey er erfüllt; wir wollen hier auf das weiche Moos <lb n="ppo_402.011"/>uns setzen, dann will ich den Lobgesang singen. Sie <lb n="ppo_402.012"/>setzten sich neben einander in der düftenden Laube, deren <lb n="ppo_402.013"/>Eingang die Morgensonne vergoldete, und Abel hob so <lb n="ppo_402.014"/>seinen Lobgesang an:</hi> </p>
          <lb n="ppo_402.015"/>
          <p> <hi rendition="#et">  Weiche du Schlaf von jedem Aug', entweichet ihr <lb n="ppo_402.016"/>flatternden Träume! Die Vernunft geht wieder hervor, <lb n="ppo_402.017"/>und erhellet die Seele, wie die Morgensonne die <lb n="ppo_402.018"/>Gegend erhellet. Sey uns gegrüßt, du liebliche Sonne <lb n="ppo_402.019"/>hinter den Cedern herauf! du gießest Farb' und Anmuth <lb n="ppo_402.020"/>durch die Natur hin, und jede Schönheit lachet verjüngt <lb n="ppo_402.021"/>uns wieder entgegen. Entweiche du Schlaf von jedem <lb n="ppo_402.022"/>Aug'; entfliehet, ihr flatternden Träume, zu den Schatten <lb n="ppo_402.023"/>der Nacht! Wo sind sie, die Schatten der Nacht? <lb n="ppo_402.024"/>Jns Dunkel der Haine und in die Felsenklüfte sind sie <lb n="ppo_402.025"/>gewichen, und erwarten uns da, oder in dicht verwachsenen <lb n="ppo_402.026"/>Lauben mit erquickender Kühlung am heißen Mittage. <lb n="ppo_402.027"/>Dort, wo der Morgen den Adler früher weckte; <lb n="ppo_402.028"/>was dampft dort von den schimmernden Häuptern der <lb n="ppo_402.029"/>Felsen, von den glänzenden Stirnen der Berge in die <lb n="ppo_402.030"/>helle Morgenluft empor, wie Opferrauch dem Altar entsteigt? <lb n="ppo_402.031"/>Die Natur feiert den Morgen, und opfert dem <lb n="ppo_402.032"/>Herrn der Schöpfung Dank. Jhn soll jedes Geschöpf <lb n="ppo_402.033"/>loben, ihn, der alles schaffet und erhält. Ja ihm zum <lb n="ppo_402.034"/>Lobe zerstreuen die jungen Blumen ihre frühen Gerüche;
</hi> </p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[402/0414] ppo_402.001 erwachen, sey mir gefällig, und singe mir den ppo_402.002 neuen Lobgesang, den du gestern auf der Flur gedichtet ppo_402.003 hast. Was ist lieblicher, als mit Gesängen den Herrn ppo_402.004 loben? Wenn du singest, o dann wallet mein Herz voll ppo_402.005 heiligen Entzückens, wenn du die Empfindungen sagst, ppo_402.006 die ich nur empfand und nicht sagen konnte! Jhr antwortet' ppo_402.007 Abel und umarmte sie: Was deine süßen Lippen ppo_402.008 von mir begehren; das alles sey dir gewähret, meine ppo_402.009 Thirza! Les' ich einen Wunsch in deinen Augen, dann ppo_402.010 sey er erfüllt; wir wollen hier auf das weiche Moos ppo_402.011 uns setzen, dann will ich den Lobgesang singen. Sie ppo_402.012 setzten sich neben einander in der düftenden Laube, deren ppo_402.013 Eingang die Morgensonne vergoldete, und Abel hob so ppo_402.014 seinen Lobgesang an: ppo_402.015 Weiche du Schlaf von jedem Aug', entweichet ihr ppo_402.016 flatternden Träume! Die Vernunft geht wieder hervor, ppo_402.017 und erhellet die Seele, wie die Morgensonne die ppo_402.018 Gegend erhellet. Sey uns gegrüßt, du liebliche Sonne ppo_402.019 hinter den Cedern herauf! du gießest Farb' und Anmuth ppo_402.020 durch die Natur hin, und jede Schönheit lachet verjüngt ppo_402.021 uns wieder entgegen. Entweiche du Schlaf von jedem ppo_402.022 Aug'; entfliehet, ihr flatternden Träume, zu den Schatten ppo_402.023 der Nacht! Wo sind sie, die Schatten der Nacht? ppo_402.024 Jns Dunkel der Haine und in die Felsenklüfte sind sie ppo_402.025 gewichen, und erwarten uns da, oder in dicht verwachsenen ppo_402.026 Lauben mit erquickender Kühlung am heißen Mittage. ppo_402.027 Dort, wo der Morgen den Adler früher weckte; ppo_402.028 was dampft dort von den schimmernden Häuptern der ppo_402.029 Felsen, von den glänzenden Stirnen der Berge in die ppo_402.030 helle Morgenluft empor, wie Opferrauch dem Altar entsteigt? ppo_402.031 Die Natur feiert den Morgen, und opfert dem ppo_402.032 Herrn der Schöpfung Dank. Jhn soll jedes Geschöpf ppo_402.033 loben, ihn, der alles schaffet und erhält. Ja ihm zum ppo_402.034 Lobe zerstreuen die jungen Blumen ihre frühen Gerüche;

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Technische Universität Darmstadt, Universität Stuttgart: Bereitstellung der Scan-Digitalisate und der Texttranskription. (2015-09-30T09:54:39Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
TextGrid/DARIAH-DE: Langfristige Bereitstellung der TextGrid/DARIAH-DE-Repository-Ausgabe
Stefan Alscher: Bearbeitung der digitalen Edition - Annotation des Metaphernbegriffs
Hans-Werner Bartz: Bearbeitung der digitalen Edition - Tustep-Unterstützung
Michael Bender: Bearbeitung der digitalen Edition - Koordination, Konzeption (Korpusaufbau, Annotationsschema, Workflow, Publikationsformen), Annotation des Metaphernbegriffs, XML-Auszeichnung)
Leonie Blumenschein: Bearbeitung der digitalen Edition - XML-Auszeichnung
David Glück: Bearbeitung der digitalen Edition - Korpusaufbau, XML-Auszeichnung, Annotation des Metaphernbegriffs, XSL+JavaScript
Constanze Hahn: Bearbeitung der digitalen Edition - Korpusaufbau, XML-Auszeichnung
Philipp Hegel: Bearbeitung der digitalen Edition - XML/XSL/CSS-Unterstützung
Andrea Rapp: ePoetics-Projekt-Koordination
Sandra Richter: ePoetics-Projekt-Koordination

Weitere Informationen:

Bogensignaturen: keine Angabe; Druckfehler: keine Angabe; fremdsprachliches Material: gekennzeichnet; Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage; Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): wie Vorlage; i/j in Fraktur: wie Vorlage; I/J in Fraktur: wie Vorlage; Kolumnentitel: nicht übernommen; Kustoden: nicht übernommen; langes s (ſ): wie Vorlage; Normalisierungen: keine; rundes r (ꝛ): wie Vorlage; Seitenumbrüche markiert: ja; Silbentrennung: nicht übernommen; u/v bzw. U/V: wie Vorlage; Vokale mit übergest. e: wie Vorlage; Vollständigkeit: vollständig erfasst; Zeichensetzung: wie Vorlage; Zeilenumbrüche markiert: ja;




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/poelitz_poetik_1825
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/poelitz_poetik_1825/414
Zitationshilfe: Pölitz, Karl Heinrich Ludwig: Das Gesamtgebiet der teutschen Sprache nach Prosa, Dichtkunst und Beredsamkeit theoretisch und praktisch dargestellt. Dritter Band: Sprache der Dichtkunst. Leipzig, 1825, S. 402. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/poelitz_poetik_1825/414>, abgerufen am 23.11.2024.