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Pölitz, Karl Heinrich Ludwig: Das Gesamtgebiet der teutschen Sprache nach Prosa, Dichtkunst und Beredsamkeit theoretisch und praktisch dargestellt. Dritter Band: Sprache der Dichtkunst. Leipzig, 1825.

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unter dem Kreise der Jdylle. Jn ihr erscheinen ppo_400.002
die Menschen einander gleich, und sogar die Thiere ppo_400.003
sind in ihr weder Feinde des Menschen, noch Feinde ppo_400.004
gegen sich selbst. Der Mensch der Jdylle darf aber ppo_400.005
auch von dem Dichter nicht auf die Höhe der künstlichen ppo_400.006
Cultur gestellt werden, welche blos die Folge ppo_400.007
der im bürgerlichen Leben eingeführten und bestehenden ppo_400.008
Verhältnisse ist. Daraus läßt sich erklären, ppo_400.009
warum die Jdyllendichter die Menschen, die sie ppo_400.010
schildern, gewöhnlich aus dem Hirten=, Schäfer=, ppo_400.011
Fischer=
und Jäger=Leben entlehnen, und weshalb ppo_400.012
im Ganzen die einfache ländliche Natur in ihren ppo_400.013
Gebilden vorherrscht. Denn der Kreis des Jdyllendichters ppo_400.014
ist ein Kreis neben oder außerhalb der ppo_400.015
Wirklichkeit; ja sogar nur selten mit der geschichtlichen ppo_400.016
Hindeutung, daß diese Wirklichkeit in der ppo_400.017
fernsten Vergangenheit vorhanden gewesen, aber ppo_400.018
nun auf immer verschwunden sey. Deshalb schildert ppo_400.019
die Jdylle auch kein bestimmtes und mit einem ppo_400.020
geschichtlichen Namen bezeichnetes Volk der Erde ppo_400.021
und keine bestimmte Oertlichkeit des Erdbodens.

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Dem Stoffe nach gehört die Jdylle zur epischen, ppo_400.023
nach dem in ihr vorherrschenden Grundtone ppo_400.024
des Gefühls aber zur lyrischen Form der Dichtkunst. ppo_400.025
Die teutsche Literatur erfreut sich vorzugsweise, ppo_400.026
vor der Literatur andrer europäischer Völker, eines ppo_400.027
reichen Anbaues der Jdylle; zugleich ein sicherer Beleg ppo_400.028
des reinen unverdorbenen Naturtones der teutschen ppo_400.029
Dichter und ihrer Nation, so lange sie Wohlgefallen ppo_400.030
an der milden idealischen Welt der Jdylle ppo_400.031
findet. Salomo Geßner, Rost, Reckert, ppo_400.032
Ewald v. Kleist, Götz, Blum, Mahler Müller, ppo_400.033
Hölty, Jacobi,
Klamer Schmidt, v. ppo_400.034
Göthe, v. Bonstetten, Bronner, Voß,

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nun auf immer verschwunden sey. Deshalb schildert ppo_400.019
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nach dem in ihr vorherrschenden Grundtone ppo_400.024
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Zitationshilfe: Pölitz, Karl Heinrich Ludwig: Das Gesamtgebiet der teutschen Sprache nach Prosa, Dichtkunst und Beredsamkeit theoretisch und praktisch dargestellt. Dritter Band: Sprache der Dichtkunst. Leipzig, 1825, S. 400. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/poelitz_poetik_1825/412>, abgerufen am 01.06.2024.