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Pölitz, Karl Heinrich Ludwig: Das Gesamtgebiet der teutschen Sprache nach Prosa, Dichtkunst und Beredsamkeit theoretisch und praktisch dargestellt. Dritter Band: Sprache der Dichtkunst. Leipzig, 1825.

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Schauspieles gehörende einzelne Erzeugnisse, aus dem ppo_390.002
Gebiete der dramatischen Formen für immer streichen, ppo_390.003
weil es einigen Theoretikern unwillkommen ppo_390.004
war, einer neuen dramatischen Gattung in der Mitte ppo_390.005
zwischen dem Trauer- und Lustspiele einen Platz zu ppo_390.006
verstatten, und das, worin die Praxis der Dichter ppo_390.007
vorausgeeilt war, in der Theorie allmählig nachzuhohlen!

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So wie aber das Schauspiel die Mitte zwischen ppo_390.010
dem Trauer- und Lustspiele hält; so auch der ppo_390.011
Ton und die Stärke der durch das Schauspiel aufgeregten ppo_390.012
und genährten Gefühle. Denn an sich ppo_390.013
schon gewährt die Mischung und der Wechsel der ppo_390.014
Gefühle der Lust und der Unlust eine eigenthümliche ppo_390.015
Befriedigung des Gefühlsvermögens, wie ppo_390.016
dies die Elegie und die ganze epische Dichtkunst ppo_390.017
beweiset. Dazu kommt beim Schauspiele, daß dieses ppo_390.018
das Gefühl der Unlust dem Gefühle der Lust mehr ppo_390.019
gegenüber stellt, als es beim Lustspiele möglich ist, ppo_390.020
wo das Gefühl der Lust fast ausschließend vorwaltet; ppo_390.021
daß es aber auch nicht so erschütternd auf ppo_390.022
das Gefühlsvermögen einwirkt, wie das Trauerspiel, ppo_390.023
weil die Hauptpersonen des Schauspiels nicht als ppo_390.024
tragische Helden, und die Hindernisse, die sie zu bekämpfen ppo_390.025
haben, nicht unter den Machtschlägen eines ppo_390.026
unwiderstehlichen Fatums sich ankündigen.

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57. ppo_390.028
d) Das Singspiel.
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Das Singspiel verhält sich zu den einzelnen ppo_390.030
Formen der dramatischen Dichtkunst, wie die Cantate ppo_390.031
zu den übrigen Formen der lyrischen Dichtkunst; ppo_390.032
es ist die ästhetisch=vollendete Einheit einer dramatischen

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Schauspieles gehörende einzelne Erzeugnisse, aus dem ppo_390.002
Gebiete der dramatischen Formen für immer streichen, ppo_390.003
weil es einigen Theoretikern unwillkommen ppo_390.004
war, einer neuen dramatischen Gattung in der Mitte ppo_390.005
zwischen dem Trauer- und Lustspiele einen Platz zu ppo_390.006
verstatten, und das, worin die Praxis der Dichter ppo_390.007
vorausgeeilt war, in der Theorie allmählig nachzuhohlen!

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So wie aber das Schauspiel die Mitte zwischen ppo_390.010
dem Trauer- und Lustspiele hält; so auch der ppo_390.011
Ton und die Stärke der durch das Schauspiel aufgeregten ppo_390.012
und genährten Gefühle. Denn an sich ppo_390.013
schon gewährt die Mischung und der Wechsel der ppo_390.014
Gefühle der Lust und der Unlust eine eigenthümliche ppo_390.015
Befriedigung des Gefühlsvermögens, wie ppo_390.016
dies die Elegie und die ganze epische Dichtkunst ppo_390.017
beweiset. Dazu kommt beim Schauspiele, daß dieses ppo_390.018
das Gefühl der Unlust dem Gefühle der Lust mehr ppo_390.019
gegenüber stellt, als es beim Lustspiele möglich ist, ppo_390.020
wo das Gefühl der Lust fast ausschließend vorwaltet; ppo_390.021
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das Gefühlsvermögen einwirkt, wie das Trauerspiel, ppo_390.023
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tragische Helden, und die Hindernisse, die sie zu bekämpfen ppo_390.025
haben, nicht unter den Machtschlägen eines ppo_390.026
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Das Singspiel verhält sich zu den einzelnen ppo_390.030
Formen der dramatischen Dichtkunst, wie die Cantate ppo_390.031
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Zitationshilfe: Pölitz, Karl Heinrich Ludwig: Das Gesamtgebiet der teutschen Sprache nach Prosa, Dichtkunst und Beredsamkeit theoretisch und praktisch dargestellt. Dritter Band: Sprache der Dichtkunst. Leipzig, 1825, S. 390. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/poelitz_poetik_1825/402>, abgerufen am 18.06.2024.