Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Pölitz, Karl Heinrich Ludwig: Das Gesamtgebiet der teutschen Sprache nach Prosa, Dichtkunst und Beredsamkeit theoretisch und praktisch dargestellt. Dritter Band: Sprache der Dichtkunst. Leipzig, 1825.

Bild:
<< vorherige Seite

ppo_383.001
des Gefühls und mit der höchsten Bewegung der ppo_383.002
schöpferischen Einbildungskraft ins Daseyn ruft, kann ppo_383.003
doch, nach einem ewigen Gesetze für die Geisterwelt, ppo_383.004
von Wesen derselben Art ertragen werden, zu ppo_383.005
welchen auch der Dichter gehört. Noch kein vollendetes ppo_383.006
Trauerspiel hat seine Wirkung über die Grenzen ppo_383.007
eines menschlichen Gefühlsvermögens hinausgetrieben; ppo_383.008
denn einzelne nervenschwache Leser oder Zuschauer ppo_383.009
können nur die Ausnahme von der Regel ppo_383.010
bilden. Jn der Annäherung aber an die möglichst ppo_383.011
höchste Erschütterung des Gefühlsvermögens, und ppo_383.012
in der Bewirkung des möglichst freiesten Spieles ppo_383.013
der Einbildungskraft durch die Versinnlichung der ppo_383.014
dargestellten tragischen Handlung, liegt eben die große ppo_383.015
Aufgabe der tragischen Kunst.

ppo_383.016
55. ppo_383.017
b) Das Lustspiel.
ppo_383.018

Wenn es zunächst die ästhetischen Eigenschaften ppo_383.019
des Edlen, des Großen, des Erhabenen, des Rührenden ppo_383.020
und Pathetischen sind, welche, nach ihrer ppo_383.021
freiesten Versinnlichung, den Grundton in der Darstellung ppo_383.022
der Tragödie bilden; so sind es die Eigenschaften ppo_383.023
des Scherzhaften, des Lächerlichen ppo_383.024
und Komischen *, deren ästhetische Farbengebung ppo_383.025
in der Komödie vorherrscht. Denn der Scherz ppo_383.026
besteht in einer absichtlichen, von dem Andern sogleich ppo_383.027
anerkannten, Verstellung, wodurch der Scherzende ppo_383.028
das in ihm aufgeregte Gefühl der Lust nach ppo_383.029
außen mittheilen, und dem, welchem der Scherz gilt, ppo_383.030
ein unmittelbares Gefühl der Lust gewähren will.

* ppo_383.031
Vgl. Th. 1. S. 402 und S. 406.

ppo_383.001
des Gefühls und mit der höchsten Bewegung der ppo_383.002
schöpferischen Einbildungskraft ins Daseyn ruft, kann ppo_383.003
doch, nach einem ewigen Gesetze für die Geisterwelt, ppo_383.004
von Wesen derselben Art ertragen werden, zu ppo_383.005
welchen auch der Dichter gehört. Noch kein vollendetes ppo_383.006
Trauerspiel hat seine Wirkung über die Grenzen ppo_383.007
eines menschlichen Gefühlsvermögens hinausgetrieben; ppo_383.008
denn einzelne nervenschwache Leser oder Zuschauer ppo_383.009
können nur die Ausnahme von der Regel ppo_383.010
bilden. Jn der Annäherung aber an die möglichst ppo_383.011
höchste Erschütterung des Gefühlsvermögens, und ppo_383.012
in der Bewirkung des möglichst freiesten Spieles ppo_383.013
der Einbildungskraft durch die Versinnlichung der ppo_383.014
dargestellten tragischen Handlung, liegt eben die große ppo_383.015
Aufgabe der tragischen Kunst.

ppo_383.016
55. ppo_383.017
b) Das Lustspiel.
ppo_383.018

Wenn es zunächst die ästhetischen Eigenschaften ppo_383.019
des Edlen, des Großen, des Erhabenen, des Rührenden ppo_383.020
und Pathetischen sind, welche, nach ihrer ppo_383.021
freiesten Versinnlichung, den Grundton in der Darstellung ppo_383.022
der Tragödie bilden; so sind es die Eigenschaften ppo_383.023
des Scherzhaften, des Lächerlichen ppo_383.024
und Komischen *, deren ästhetische Farbengebung ppo_383.025
in der Komödie vorherrscht. Denn der Scherz ppo_383.026
besteht in einer absichtlichen, von dem Andern sogleich ppo_383.027
anerkannten, Verstellung, wodurch der Scherzende ppo_383.028
das in ihm aufgeregte Gefühl der Lust nach ppo_383.029
außen mittheilen, und dem, welchem der Scherz gilt, ppo_383.030
ein unmittelbares Gefühl der Lust gewähren will.

* ppo_383.031
Vgl. Th. 1. S. 402 und S. 406.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0395" n="383"/><lb n="ppo_383.001"/>des Gefühls und mit der höchsten Bewegung der <lb n="ppo_383.002"/>schöpferischen Einbildungskraft ins Daseyn ruft, kann <lb n="ppo_383.003"/>doch, nach einem ewigen Gesetze für die Geisterwelt, <lb n="ppo_383.004"/>von Wesen <hi rendition="#g">derselben</hi> Art ertragen werden, zu <lb n="ppo_383.005"/>welchen auch der Dichter gehört. Noch kein vollendetes <lb n="ppo_383.006"/>Trauerspiel hat seine Wirkung <hi rendition="#g">über</hi> die Grenzen <lb n="ppo_383.007"/>eines menschlichen Gefühlsvermögens hinausgetrieben; <lb n="ppo_383.008"/>denn einzelne nervenschwache Leser oder Zuschauer <lb n="ppo_383.009"/>können nur die Ausnahme von der Regel <lb n="ppo_383.010"/>bilden. Jn der Annäherung aber an die möglichst <lb n="ppo_383.011"/>höchste Erschütterung des Gefühlsvermögens, und <lb n="ppo_383.012"/>in der Bewirkung des möglichst freiesten Spieles <lb n="ppo_383.013"/>der Einbildungskraft durch die Versinnlichung der <lb n="ppo_383.014"/>dargestellten tragischen Handlung, liegt eben die große <lb n="ppo_383.015"/>Aufgabe der tragischen Kunst.</p>
        </div>
        <div n="2">
          <lb n="ppo_383.016"/>
          <head> <hi rendition="#c">55. <lb n="ppo_383.017"/><hi rendition="#aq">b</hi>) <hi rendition="#g">Das Lustspiel.</hi></hi> </head>
          <lb n="ppo_383.018"/>
          <p>  Wenn es zunächst die ästhetischen Eigenschaften <lb n="ppo_383.019"/>des Edlen, des Großen, des Erhabenen, des Rührenden <lb n="ppo_383.020"/>und Pathetischen sind, welche, nach ihrer <lb n="ppo_383.021"/>freiesten Versinnlichung, den Grundton in der Darstellung <lb n="ppo_383.022"/>der Tragödie bilden; so sind es die Eigenschaften <lb n="ppo_383.023"/>des <hi rendition="#g">Scherzhaften,</hi> des <hi rendition="#g">Lächerlichen</hi> <lb n="ppo_383.024"/>und <hi rendition="#g">Komischen</hi> <note xml:id="PPO_383_a" place="foot" n="*"><lb n="ppo_383.031"/> Vgl. Th. 1. S. 402 und S. 406.</note>, deren ästhetische Farbengebung <lb n="ppo_383.025"/>in der Komödie vorherrscht. Denn der <hi rendition="#g">Scherz</hi> <lb n="ppo_383.026"/>besteht in einer absichtlichen, von dem Andern sogleich <lb n="ppo_383.027"/>anerkannten, Verstellung, wodurch der Scherzende <lb n="ppo_383.028"/>das in ihm aufgeregte Gefühl der Lust nach <lb n="ppo_383.029"/>außen mittheilen, und dem, welchem der Scherz gilt, <lb n="ppo_383.030"/>ein unmittelbares Gefühl der Lust gewähren will.
</p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[383/0395] ppo_383.001 des Gefühls und mit der höchsten Bewegung der ppo_383.002 schöpferischen Einbildungskraft ins Daseyn ruft, kann ppo_383.003 doch, nach einem ewigen Gesetze für die Geisterwelt, ppo_383.004 von Wesen derselben Art ertragen werden, zu ppo_383.005 welchen auch der Dichter gehört. Noch kein vollendetes ppo_383.006 Trauerspiel hat seine Wirkung über die Grenzen ppo_383.007 eines menschlichen Gefühlsvermögens hinausgetrieben; ppo_383.008 denn einzelne nervenschwache Leser oder Zuschauer ppo_383.009 können nur die Ausnahme von der Regel ppo_383.010 bilden. Jn der Annäherung aber an die möglichst ppo_383.011 höchste Erschütterung des Gefühlsvermögens, und ppo_383.012 in der Bewirkung des möglichst freiesten Spieles ppo_383.013 der Einbildungskraft durch die Versinnlichung der ppo_383.014 dargestellten tragischen Handlung, liegt eben die große ppo_383.015 Aufgabe der tragischen Kunst. ppo_383.016 55. ppo_383.017 b) Das Lustspiel. ppo_383.018 Wenn es zunächst die ästhetischen Eigenschaften ppo_383.019 des Edlen, des Großen, des Erhabenen, des Rührenden ppo_383.020 und Pathetischen sind, welche, nach ihrer ppo_383.021 freiesten Versinnlichung, den Grundton in der Darstellung ppo_383.022 der Tragödie bilden; so sind es die Eigenschaften ppo_383.023 des Scherzhaften, des Lächerlichen ppo_383.024 und Komischen *, deren ästhetische Farbengebung ppo_383.025 in der Komödie vorherrscht. Denn der Scherz ppo_383.026 besteht in einer absichtlichen, von dem Andern sogleich ppo_383.027 anerkannten, Verstellung, wodurch der Scherzende ppo_383.028 das in ihm aufgeregte Gefühl der Lust nach ppo_383.029 außen mittheilen, und dem, welchem der Scherz gilt, ppo_383.030 ein unmittelbares Gefühl der Lust gewähren will. * ppo_383.031 Vgl. Th. 1. S. 402 und S. 406.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Technische Universität Darmstadt, Universität Stuttgart: Bereitstellung der Scan-Digitalisate und der Texttranskription. (2015-09-30T09:54:39Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
TextGrid/DARIAH-DE: Langfristige Bereitstellung der TextGrid/DARIAH-DE-Repository-Ausgabe
Stefan Alscher: Bearbeitung der digitalen Edition - Annotation des Metaphernbegriffs
Hans-Werner Bartz: Bearbeitung der digitalen Edition - Tustep-Unterstützung
Michael Bender: Bearbeitung der digitalen Edition - Koordination, Konzeption (Korpusaufbau, Annotationsschema, Workflow, Publikationsformen), Annotation des Metaphernbegriffs, XML-Auszeichnung)
Leonie Blumenschein: Bearbeitung der digitalen Edition - XML-Auszeichnung
David Glück: Bearbeitung der digitalen Edition - Korpusaufbau, XML-Auszeichnung, Annotation des Metaphernbegriffs, XSL+JavaScript
Constanze Hahn: Bearbeitung der digitalen Edition - Korpusaufbau, XML-Auszeichnung
Philipp Hegel: Bearbeitung der digitalen Edition - XML/XSL/CSS-Unterstützung
Andrea Rapp: ePoetics-Projekt-Koordination
Sandra Richter: ePoetics-Projekt-Koordination

Weitere Informationen:

Bogensignaturen: keine Angabe; Druckfehler: keine Angabe; fremdsprachliches Material: gekennzeichnet; Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage; Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): wie Vorlage; i/j in Fraktur: wie Vorlage; I/J in Fraktur: wie Vorlage; Kolumnentitel: nicht übernommen; Kustoden: nicht übernommen; langes s (ſ): wie Vorlage; Normalisierungen: keine; rundes r (ꝛ): wie Vorlage; Seitenumbrüche markiert: ja; Silbentrennung: nicht übernommen; u/v bzw. U/V: wie Vorlage; Vokale mit übergest. e: wie Vorlage; Vollständigkeit: vollständig erfasst; Zeichensetzung: wie Vorlage; Zeilenumbrüche markiert: ja;




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/poelitz_poetik_1825
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/poelitz_poetik_1825/395
Zitationshilfe: Pölitz, Karl Heinrich Ludwig: Das Gesamtgebiet der teutschen Sprache nach Prosa, Dichtkunst und Beredsamkeit theoretisch und praktisch dargestellt. Dritter Band: Sprache der Dichtkunst. Leipzig, 1825, S. 383. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/poelitz_poetik_1825/395>, abgerufen am 23.11.2024.