Pölitz, Karl Heinrich Ludwig: Das Gesamtgebiet der teutschen Sprache nach Prosa, Dichtkunst und Beredsamkeit theoretisch und praktisch dargestellt. Dritter Band: Sprache der Dichtkunst. Leipzig, 1825.ppo_361.001 Sein Lied begann, ihn auf der Stelle ppo_361.002
An des verstorbnen Mufti Platz. ppo_361.003 So hohe Würden hatte Matz ppo_361.004 Sich auch im Traume nicht versprochen. ppo_361.005 Doch Ehre bläht, Gewalt macht kühn! ppo_361.006 Das neue Haupt des Sanhedrin ppo_361.007 Gebar gleich in den ersten Wochen ppo_361.008 Die Grille: seine Psalmodie ppo_361.009 Bei allen Vögeln einzuführen. ppo_361.010 Der frohe König billigt sie. ppo_361.011 Der Waldgesang, die Liturgie ppo_361.012 Des Herzens, konnt' ihn nicht mehr rühren; ppo_361.013 War für sein Ohr Kakophonie. ppo_361.014 Zudem ist ja das Reformiren ppo_361.015 Der Fürsten Steckenpferd. Sogleich ppo_361.016 Ließ er in seinem ganzen Reich ppo_361.017 Den neuen Kanon publiciren. -- ppo_361.018 Nun schützte zwar der Vögel Chor ppo_361.019 Die hergebrachten Rechte vor; ppo_361.020 Allein da half kein Protestiren. ppo_361.021 Der Mufti drohte mit dem Bann, ppo_361.022 Der Sultan sprach vom Stranguliren; ppo_361.023 Und kurz, das neue Lied begann. ppo_361.024 Die Sänger wetzten sich den Schnabel, ppo_361.025 Und orgelten mit Angst und Pein ppo_361.026 Das tollste Wirrwarr durch den Hain, ppo_361.027 Das seit der Symphonie zu Babel ppo_361.028 Auf unserm Erdenrund erscholl. ppo_361.029 Den Vorsang führte, andachtsvoll, ppo_361.030 Der Storch, der wälsche Hahn, die Eule, ppo_361.031 Die Gans, der Kukuk und der Pfau. ppo_361.032 Sie kollerten sich braun und blau, ppo_361.033 Und füllten durch ihr Klaggeheule ppo_361.034 Das Land auf eine halbe Meile. ppo_361.001 Sein Lied begann, ihn auf der Stelle ppo_361.002
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Zitationshilfe: | Pölitz, Karl Heinrich Ludwig: Das Gesamtgebiet der teutschen Sprache nach Prosa, Dichtkunst und Beredsamkeit theoretisch und praktisch dargestellt. Dritter Band: Sprache der Dichtkunst. Leipzig, 1825, S. 361. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/poelitz_poetik_1825/373>, abgerufen am 16.07.2024. |