Pölitz, Karl Heinrich Ludwig: Das Gesamtgebiet der teutschen Sprache nach Prosa, Dichtkunst und Beredsamkeit theoretisch und praktisch dargestellt. Dritter Band: Sprache der Dichtkunst. Leipzig, 1825.ppo_350.001 Nun kennt man ja die guten Esel schon, ppo_350.002 ppo_350.015Wie wichtig sie sich immer schätzen. ppo_350.003 Auch dieser Esel war so kühn, ppo_350.004 Und meinte: alle die Gesänge, ppo_350.005 Das Niederknien, der Weihrauch, das Gepränge, ppo_350.006 Kurz, alles sey für ihn. ppo_350.007 Ein klüg'res Thier, das dieser Dummheit lachte, ppo_350.008 Rief ihm ins Ohr: Herr Esel, glaube mir, ppo_350.009 Der Reverenz, den jetzt der Pöbel machte, ppo_350.010 Galt deinem Götzen, und nicht dir. ppo_350.011 Was hier die Fabel spricht, gehöret ppo_350.012 Für manche Excellenz und manche Herrlichkeit. ppo_350.013 Was auch der Pöbel oft an Jhro Gnaden ehret, ppo_350.014 Wovor er tief sich bückt, was ist es wohl? -- sein Kleid! 5) von Joh. Benj. Michaelis (+ 1772). ppo_350.016Die Buße der Wölfe. ppo_350.017 Zwei Wölfen kam bei sattem Magen ppo_350.018 ppo_350.026Einmal die liebe Buße ein. ppo_350.019 Zwei Wölfen? wird mein Leser fragen. -- ppo_350.020 Genug die Fabel sagts; -- soll denn bei sattem Magen ppo_350.021 Nicht auch einmal ein Wolf die Missethat bereun; ppo_350.022 Da mancher wohl in unsern Tagen, ppo_350.023 Der noch um eins Gesetz und Recht verdreht, ppo_350.024 Um zwei Uhr in die Beichte geht! ppo_350.025 Sie fingen also an, ihr Leben zu beklagen. Ach, heulte Jsegrimm, wir haben viel gethan! ppo_350.027
Viel, hob der andre Sünder an. ppo_350.028 Ach, fuhr der erste fort, wie viel, das ich verschweige, ppo_350.029 Sah dieser fürchterliche Zeuge, ppo_350.030 Der Wald und unsre Höhle an. ppo_350.031 Wie manche Mutter sucht noch jetzt ihr Kind mit Aengsten! ppo_350.032 Wie manches Schaf beweint die Frucht! ppo_350.001 Nun kennt man ja die guten Esel schon, ppo_350.002 ppo_350.015Wie wichtig sie sich immer schätzen. ppo_350.003 Auch dieser Esel war so kühn, ppo_350.004 Und meinte: alle die Gesänge, ppo_350.005 Das Niederknien, der Weihrauch, das Gepränge, ppo_350.006 Kurz, alles sey für ihn. ppo_350.007 Ein klüg'res Thier, das dieser Dummheit lachte, ppo_350.008 Rief ihm ins Ohr: Herr Esel, glaube mir, ppo_350.009 Der Reverenz, den jetzt der Pöbel machte, ppo_350.010 Galt deinem Götzen, und nicht dir. ppo_350.011 Was hier die Fabel spricht, gehöret ppo_350.012 Für manche Excellenz und manche Herrlichkeit. ppo_350.013 Was auch der Pöbel oft an Jhro Gnaden ehret, ppo_350.014 Wovor er tief sich bückt, was ist es wohl? — sein Kleid! 5) von Joh. Benj. Michaelis († 1772). ppo_350.016Die Buße der Wölfe. ppo_350.017 Zwei Wölfen kam bei sattem Magen ppo_350.018 ppo_350.026Einmal die liebe Buße ein. ppo_350.019 Zwei Wölfen? wird mein Leser fragen. — ppo_350.020 Genug die Fabel sagts; — soll denn bei sattem Magen ppo_350.021 Nicht auch einmal ein Wolf die Missethat bereun; ppo_350.022 Da mancher wohl in unsern Tagen, ppo_350.023 Der noch um eins Gesetz und Recht verdreht, ppo_350.024 Um zwei Uhr in die Beichte geht! ppo_350.025 Sie fingen also an, ihr Leben zu beklagen. Ach, heulte Jsegrimm, wir haben viel gethan! ppo_350.027
Viel, hob der andre Sünder an. ppo_350.028 Ach, fuhr der erste fort, wie viel, das ich verschweige, ppo_350.029 Sah dieser fürchterliche Zeuge, ppo_350.030 Der Wald und unsre Höhle an. ppo_350.031 Wie manche Mutter sucht noch jetzt ihr Kind mit Aengsten! ppo_350.032 Wie manches Schaf beweint die Frucht! <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <pb facs="#f0362" n="350"/> <lb n="ppo_350.001"/> <lg> <l>Nun kennt man ja die guten Esel schon,</l> <lb n="ppo_350.002"/> <l>Wie wichtig sie sich immer schätzen.</l> <lb n="ppo_350.003"/> <l>Auch dieser Esel war so kühn,</l> <lb n="ppo_350.004"/> <l>Und meinte: alle die Gesänge,</l> <lb n="ppo_350.005"/> <l>Das Niederknien, der Weihrauch, das Gepränge,</l> <lb n="ppo_350.006"/> <l>Kurz, alles sey für ihn.</l> <lb n="ppo_350.007"/> <l>Ein klüg'res Thier, das dieser Dummheit lachte,</l> <lb n="ppo_350.008"/> <l>Rief ihm ins Ohr: Herr Esel, glaube mir,</l> <lb n="ppo_350.009"/> <l>Der Reverenz, den jetzt der Pöbel machte,</l> <lb n="ppo_350.010"/> <l>Galt deinem Götzen, und nicht dir.</l> <lb n="ppo_350.011"/> <l> Was hier die Fabel spricht, gehöret</l> <lb n="ppo_350.012"/> <l>Für manche Excellenz und manche Herrlichkeit.</l> <lb n="ppo_350.013"/> <l>Was auch der Pöbel oft an Jhro Gnaden ehret,</l> <lb n="ppo_350.014"/> <l>Wovor er tief sich bückt, was ist es wohl? — sein Kleid!</l> </lg> <lb n="ppo_350.015"/> <p> <hi rendition="#et"> 5) von Joh. Benj. <hi rendition="#g">Michaelis</hi> († 1772).</hi> </p> <lb n="ppo_350.016"/> <p> <hi rendition="#c"> <hi rendition="#g">Die Buße der Wölfe.</hi> </hi> </p> <lb n="ppo_350.017"/> <lg> <l> Zwei Wölfen kam bei sattem Magen</l> <lb n="ppo_350.018"/> <l>Einmal die liebe Buße ein.</l> <lb n="ppo_350.019"/> <l>Zwei Wölfen? wird mein Leser fragen. —</l> <lb n="ppo_350.020"/> <l>Genug die Fabel sagts; — soll denn bei sattem Magen</l> <lb n="ppo_350.021"/> <l>Nicht auch einmal ein Wolf die Missethat bereun;</l> <lb n="ppo_350.022"/> <l>Da mancher wohl in unsern Tagen,</l> <lb n="ppo_350.023"/> <l>Der noch um <hi rendition="#g">eins</hi> Gesetz und Recht verdreht,</l> <lb n="ppo_350.024"/> <l>Um <hi rendition="#g">zwei</hi> Uhr in die Beichte geht!</l> <lb n="ppo_350.025"/> <l>Sie fingen also an, ihr Leben zu beklagen. </l> </lg> <lb n="ppo_350.026"/> <lg> <l> Ach, heulte Jsegrimm, wir haben viel gethan!</l> <lb n="ppo_350.027"/> <l>Viel, hob der andre Sünder an.</l> <lb n="ppo_350.028"/> <l>Ach, fuhr der erste fort, wie viel, das ich verschweige,</l> <lb n="ppo_350.029"/> <l>Sah dieser fürchterliche Zeuge,</l> <lb n="ppo_350.030"/> <l>Der Wald und unsre Höhle an.</l> <lb n="ppo_350.031"/> <l>Wie manche Mutter sucht noch jetzt ihr Kind mit Aengsten!</l> <lb n="ppo_350.032"/> <l>Wie manches Schaf beweint die Frucht!</l> </lg> </div> </div> </body> </text> </TEI> [350/0362]
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Zitationshilfe: | Pölitz, Karl Heinrich Ludwig: Das Gesamtgebiet der teutschen Sprache nach Prosa, Dichtkunst und Beredsamkeit theoretisch und praktisch dargestellt. Dritter Band: Sprache der Dichtkunst. Leipzig, 1825, S. 350. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/poelitz_poetik_1825/362>, abgerufen am 16.07.2024. |