ppo_346.001 Anschauung der ästhetisch vollendeten Form der Fabel ppo_346.002 stillschweigend voraussetzt, der Dichter schildere ppo_346.003 die Thiere nicht um ihrer selbst willen, sondern gebe ppo_346.004 eine menschliche Jndividualität unter der glücklich ppo_346.005 ergriffenen Aehnlichkeit derselben mit einem thierischen ppo_346.006 Wesen.
ppo_346.007
Ob nun gleich im Kreise der Thierwelt keine ppo_346.008 Freiheit und Sittlichkeit angetroffen wird; so folgt ppo_346.009 daraus doch keinesweges, wie einige Theoretiker ppo_346.010 wollen, daß die Fabel blos Klugheitsregeln, nicht ppo_346.011 aber sittliche Ankündigungen -- Tugenden und Verirrungen ppo_346.012 der Freiheit -- versinnlichen könne. Denn ppo_346.013 nicht nur, daß der für die Fabel geeignete Kreis ppo_346.014 darstellbarer Stoffe durch diese Forderung sehr beengt ppo_346.015 werden müßte; es haben auch die ausgezeichnetsten ppo_346.016 Fabeldichter nicht blos Klugheitsregeln, sondern ppo_346.017 auf gleiche Weise sittliche Erscheinungen und ppo_346.018 sittliche Vorschriften vergegenwärtigt. Dies folgt ppo_346.019 von selbst aus der Bestimmung der Fabel, die Ankündigungen ppo_346.020 und Wirkungen der menschlichen Freiheit ppo_346.021 unter der Hülle des Jnstinkts zu versinnlichen, ppo_346.022 so, daß wenn auch den Thieren nicht Freiheit des ppo_346.023 Willens zukommt, doch in Angemessenheit zu den ppo_346.024 Antrieben des Jnstinkts nicht selten Wirkungen geschildert ppo_346.025 werden, welche die sittlich entarteten Wesen ppo_346.026 unsrer Gattung zu beschämen vermögen; z. B. in ppo_346.027 der Kindesliebe; in der Treue; in der Anhänglichkeit, ppo_346.028 in der Aufopferung für seinen Herrn u. s. w. ppo_346.029 Denn wenn das Thier, geleitet vom Jnstinkte, in ppo_346.030 seinen Aeußerungen naturgemäßer, unverdorbener ppo_346.031 und edler sich ankündigt, als der in sittlicher Hinsicht ppo_346.032 ausgeartete, von seinem Eigennutze und von ppo_346.033 seinen Leidenschaften fortgerissene Mensch; so muß ppo_346.034 durch die Versinnlichung dieses Kontrastes zwischen
ppo_346.001 Anschauung der ästhetisch vollendeten Form der Fabel ppo_346.002 stillschweigend voraussetzt, der Dichter schildere ppo_346.003 die Thiere nicht um ihrer selbst willen, sondern gebe ppo_346.004 eine menschliche Jndividualität unter der glücklich ppo_346.005 ergriffenen Aehnlichkeit derselben mit einem thierischen ppo_346.006 Wesen.
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Ob nun gleich im Kreise der Thierwelt keine ppo_346.008 Freiheit und Sittlichkeit angetroffen wird; so folgt ppo_346.009 daraus doch keinesweges, wie einige Theoretiker ppo_346.010 wollen, daß die Fabel blos Klugheitsregeln, nicht ppo_346.011 aber sittliche Ankündigungen — Tugenden und Verirrungen ppo_346.012 der Freiheit — versinnlichen könne. Denn ppo_346.013 nicht nur, daß der für die Fabel geeignete Kreis ppo_346.014 darstellbarer Stoffe durch diese Forderung sehr beengt ppo_346.015 werden müßte; es haben auch die ausgezeichnetsten ppo_346.016 Fabeldichter nicht blos Klugheitsregeln, sondern ppo_346.017 auf gleiche Weise sittliche Erscheinungen und ppo_346.018 sittliche Vorschriften vergegenwärtigt. Dies folgt ppo_346.019 von selbst aus der Bestimmung der Fabel, die Ankündigungen ppo_346.020 und Wirkungen der menschlichen Freiheit ppo_346.021 unter der Hülle des Jnstinkts zu versinnlichen, ppo_346.022 so, daß wenn auch den Thieren nicht Freiheit des ppo_346.023 Willens zukommt, doch in Angemessenheit zu den ppo_346.024 Antrieben des Jnstinkts nicht selten Wirkungen geschildert ppo_346.025 werden, welche die sittlich entarteten Wesen ppo_346.026 unsrer Gattung zu beschämen vermögen; z. B. in ppo_346.027 der Kindesliebe; in der Treue; in der Anhänglichkeit, ppo_346.028 in der Aufopferung für seinen Herrn u. s. w. ppo_346.029 Denn wenn das Thier, geleitet vom Jnstinkte, in ppo_346.030 seinen Aeußerungen naturgemäßer, unverdorbener ppo_346.031 und edler sich ankündigt, als der in sittlicher Hinsicht ppo_346.032 ausgeartete, von seinem Eigennutze und von ppo_346.033 seinen Leidenschaften fortgerissene Mensch; so muß ppo_346.034 durch die Versinnlichung dieses Kontrastes zwischen
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Anschauung der ästhetisch vollendeten Form der Fabel ppo_346.002
stillschweigend voraussetzt, der Dichter schildere ppo_346.003
die Thiere nicht um ihrer selbst willen, sondern gebe ppo_346.004
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ergriffenen Aehnlichkeit derselben mit einem thierischen ppo_346.006
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ppo_346.007
Ob nun gleich im Kreise der Thierwelt keine ppo_346.008
Freiheit und Sittlichkeit angetroffen wird; so folgt ppo_346.009
daraus doch keinesweges, wie einige Theoretiker ppo_346.010
wollen, daß die Fabel blos Klugheitsregeln, nicht ppo_346.011
aber sittliche Ankündigungen — Tugenden und Verirrungen ppo_346.012
der Freiheit — versinnlichen könne. Denn ppo_346.013
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darstellbarer Stoffe durch diese Forderung sehr beengt ppo_346.015
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Fabeldichter nicht blos Klugheitsregeln, sondern ppo_346.017
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sittliche Vorschriften vergegenwärtigt. Dies folgt ppo_346.019
von selbst aus der Bestimmung der Fabel, die Ankündigungen ppo_346.020
und Wirkungen der menschlichen Freiheit ppo_346.021
unter der Hülle des Jnstinkts zu versinnlichen, ppo_346.022
so, daß wenn auch den Thieren nicht Freiheit des ppo_346.023
Willens zukommt, doch in Angemessenheit zu den ppo_346.024
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unsrer Gattung zu beschämen vermögen; z. B. in ppo_346.027
der Kindesliebe; in der Treue; in der Anhänglichkeit, ppo_346.028
in der Aufopferung für seinen Herrn u. s. w. ppo_346.029
Denn wenn das Thier, geleitet vom Jnstinkte, in ppo_346.030
seinen Aeußerungen naturgemäßer, unverdorbener ppo_346.031
und edler sich ankündigt, als der in sittlicher Hinsicht ppo_346.032
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seinen Leidenschaften fortgerissene Mensch; so muß ppo_346.034
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Pölitz, Karl Heinrich Ludwig: Das Gesamtgebiet der teutschen Sprache nach Prosa, Dichtkunst und Beredsamkeit theoretisch und praktisch dargestellt. Dritter Band: Sprache der Dichtkunst. Leipzig, 1825, S. 346. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/poelitz_poetik_1825/358>, abgerufen am 27.11.2024.
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