Pölitz, Karl Heinrich Ludwig: Das Gesamtgebiet der teutschen Sprache nach Prosa, Dichtkunst und Beredsamkeit theoretisch und praktisch dargestellt. Dritter Band: Sprache der Dichtkunst. Leipzig, 1825.ppo_343.001 Jndem er nun empor mit seinem Buche fuhr, ppo_343.002 ppo_343.006War jede bange vor dem Falle, ppo_343.003 Und jede bückte sich. -- "Verdorbene Natur, ppo_343.004 Jch dacht', es wäre Eine nur; ppo_343.005 Nun seh' ich erst, sie sind es Alle!" 11) von v. Aloys Schreiber. ppo_343.007Der Bramin. ppo_343.008 Zu einem alten weisen Bramen, ppo_343.009
(Die Zeit verlor uns seinen Namen!) ppo_343.010 Der, ferne von der Thorheit Spiel, ppo_343.011 Jn einer stillen Klause lebte, ppo_343.012 Und da durch guten Rath, so viel ppo_343.013 Er konnte, noch zu nützen strebte, ppo_343.014 Kam einst ein junger Biedermann, ppo_343.015 Und redet ihn bescheiden an: ppo_343.016 Mein Vater, bange Zweifel quälen ppo_343.017 Schon lange, lange meine Brust; ppo_343.018 Der Tugend Bahn ging ich mit Lust; ppo_343.019 Doch welch System soll ich erwählen? ppo_343.020 Als Knabe schon saß ich im Staub ppo_343.021 Der Schule zu der Weisen Füßen, ppo_343.022 Und horchte ihren strengen Schlüssen, ppo_343.023 Und blieb doch stets der Zweifel Raub. ppo_343.024 Der eine rief: geh meine Wege! ppo_343.025 Der andre: näher führ' ich dich! ppo_343.026 Ein dritter sprach Sanscritt für mich. ppo_343.027 Der Brame lächelt: O, die Rege ppo_343.028 Zum Guten gibt die Schule nicht! ppo_343.029 Dein eignes Herz kennt jede Pflicht, ppo_343.030 Mein Sohn; bewahre seine Lehren, ppo_343.031 Und folge ihnen stets mit Muth. ppo_343.032 Das übrige sind taube Aehren, ppo_343.033 Nur für gelehrte Scheunen gut. ppo_343.001 Jndem er nun empor mit seinem Buche fuhr, ppo_343.002 ppo_343.006War jede bange vor dem Falle, ppo_343.003 Und jede bückte sich. — „Verdorbene Natur, ppo_343.004 Jch dacht', es wäre Eine nur; ppo_343.005 Nun seh' ich erst, sie sind es Alle!“ 11) von v. Aloys Schreiber. ppo_343.007Der Bramin. ppo_343.008 Zu einem alten weisen Bramen, ppo_343.009
(Die Zeit verlor uns seinen Namen!) ppo_343.010 Der, ferne von der Thorheit Spiel, ppo_343.011 Jn einer stillen Klause lebte, ppo_343.012 Und da durch guten Rath, so viel ppo_343.013 Er konnte, noch zu nützen strebte, ppo_343.014 Kam einst ein junger Biedermann, ppo_343.015 Und redet ihn bescheiden an: ppo_343.016 Mein Vater, bange Zweifel quälen ppo_343.017 Schon lange, lange meine Brust; ppo_343.018 Der Tugend Bahn ging ich mit Lust; ppo_343.019 Doch welch System soll ich erwählen? ppo_343.020 Als Knabe schon saß ich im Staub ppo_343.021 Der Schule zu der Weisen Füßen, ppo_343.022 Und horchte ihren strengen Schlüssen, ppo_343.023 Und blieb doch stets der Zweifel Raub. ppo_343.024 Der eine rief: geh meine Wege! ppo_343.025 Der andre: näher führ' ich dich! ppo_343.026 Ein dritter sprach Sanscritt für mich. ppo_343.027 Der Brame lächelt: O, die Rege ppo_343.028 Zum Guten gibt die Schule nicht! ppo_343.029 Dein eignes Herz kennt jede Pflicht, ppo_343.030 Mein Sohn; bewahre seine Lehren, ppo_343.031 Und folge ihnen stets mit Muth. ppo_343.032 Das übrige sind taube Aehren, ppo_343.033 Nur für gelehrte Scheunen gut. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <pb facs="#f0355" n="343"/> <lb n="ppo_343.001"/> <lg> <l> Jndem er nun empor mit seinem Buche fuhr,</l> <lb n="ppo_343.002"/> <l>War jede bange vor dem Falle,</l> <lb n="ppo_343.003"/> <l>Und jede bückte sich. — „Verdorbene Natur,</l> <lb n="ppo_343.004"/> <l>Jch dacht', es wäre Eine nur;</l> <lb n="ppo_343.005"/> <l>Nun seh' ich erst, sie sind es Alle!“</l> </lg> <lb n="ppo_343.006"/> <p> <hi rendition="#et"> 11) von v. Aloys <hi rendition="#g">Schreiber.</hi></hi> </p> <lb n="ppo_343.007"/> <p> <hi rendition="#c"> <hi rendition="#g">Der Bramin.</hi> </hi> </p> <lb n="ppo_343.008"/> <lg> <l> Zu einem alten weisen Bramen,</l> <lb n="ppo_343.009"/> <l>(Die Zeit verlor uns seinen Namen!)</l> <lb n="ppo_343.010"/> <l>Der, ferne von der Thorheit Spiel,</l> <lb n="ppo_343.011"/> <l>Jn einer stillen Klause lebte,</l> <lb n="ppo_343.012"/> <l>Und da durch guten Rath, so viel</l> <lb n="ppo_343.013"/> <l>Er konnte, noch zu nützen strebte,</l> <lb n="ppo_343.014"/> <l>Kam einst ein junger Biedermann,</l> <lb n="ppo_343.015"/> <l>Und redet ihn bescheiden an:</l> <lb n="ppo_343.016"/> <l>Mein Vater, bange Zweifel quälen</l> <lb n="ppo_343.017"/> <l>Schon lange, lange meine Brust;</l> <lb n="ppo_343.018"/> <l>Der Tugend Bahn ging ich mit Lust;</l> <lb n="ppo_343.019"/> <l>Doch <hi rendition="#g">welch System</hi> soll ich erwählen?</l> <lb n="ppo_343.020"/> <l>Als Knabe schon saß ich im Staub</l> <lb n="ppo_343.021"/> <l>Der Schule zu der Weisen Füßen,</l> <lb n="ppo_343.022"/> <l>Und horchte ihren strengen Schlüssen,</l> <lb n="ppo_343.023"/> <l>Und blieb doch stets der Zweifel Raub.</l> <lb n="ppo_343.024"/> <l>Der eine rief: geh meine Wege!</l> <lb n="ppo_343.025"/> <l>Der andre: näher führ' ich dich!</l> <lb n="ppo_343.026"/> <l>Ein dritter sprach Sanscritt für mich.</l> <lb n="ppo_343.027"/> <l> Der Brame lächelt: O, die Rege</l> <lb n="ppo_343.028"/> <l>Zum Guten gibt die Schule nicht!</l> <lb n="ppo_343.029"/> <l>Dein <hi rendition="#g">eignes Herz</hi> kennt jede Pflicht,</l> <lb n="ppo_343.030"/> <l>Mein Sohn; bewahre <hi rendition="#g">seine</hi> Lehren,</l> <lb n="ppo_343.031"/> <l>Und folge ihnen stets mit Muth.</l> <lb n="ppo_343.032"/> <l>Das übrige sind taube Aehren,</l> <lb n="ppo_343.033"/> <l>Nur für gelehrte Scheunen gut.</l> </lg> </div> </div> </body> </text> </TEI> [343/0355]
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11) von v. Aloys Schreiber.
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Der Bramin.
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Zitationshilfe: | Pölitz, Karl Heinrich Ludwig: Das Gesamtgebiet der teutschen Sprache nach Prosa, Dichtkunst und Beredsamkeit theoretisch und praktisch dargestellt. Dritter Band: Sprache der Dichtkunst. Leipzig, 1825, S. 343. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/poelitz_poetik_1825/355>, abgerufen am 16.07.2024. |