Pölitz, Karl Heinrich Ludwig: Das Gesamtgebiet der teutschen Sprache nach Prosa, Dichtkunst und Beredsamkeit theoretisch und praktisch dargestellt. Dritter Band: Sprache der Dichtkunst. Leipzig, 1825.ppo_260.001 Wenn man in neuerer Zeit den ästhetischen ppo_260.007 Man darf übrigens den modernen Epos nicht ppo_260.034 ppo_260.001 Wenn man in neuerer Zeit den ästhetischen ppo_260.007 Man darf übrigens den modernen Epos nicht ppo_260.034 <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0272" n="260"/><lb n="ppo_260.001"/>zwischen allen einzelnen Theilen herrscht, und je mehr <lb n="ppo_260.002"/>es ihm gelingt, das Jnteresse an der Darstellung <lb n="ppo_260.003"/>bis zu dem Schlusse hin zu steigern; desto umschließender <lb n="ppo_260.004"/>und sicherer wird die Wirkung des Epos <lb n="ppo_260.005"/>seyn.</p> <lb n="ppo_260.006"/> <p> Wenn man in neuerer Zeit den ästhetischen <lb n="ppo_260.007"/>Charakter des Epos beinahe zu <hi rendition="#g">überschätzen</hi> und <lb n="ppo_260.008"/>die epischen Dichtungen <hi rendition="#g">über die lyrischen</hi> zu <lb n="ppo_260.009"/>stellen suchte; so darf man, um beide gehörig zu <lb n="ppo_260.010"/>würdigen, den wesentlichen Unterschied zwischen beiden <lb n="ppo_260.011"/>nie übersehen. Die <hi rendition="#g">lyrische</hi> Form der Dichtkunst <lb n="ppo_260.012"/>versinnlicht nämlich die höchste Kraft des <hi rendition="#g">intensiven</hi> <lb n="ppo_260.013"/>Lebens der Gefühle, die <hi rendition="#g">epische</hi> Form <lb n="ppo_260.014"/>die möglichst höchste <hi rendition="#g">extensive</hi> Ankündigung dieser <lb n="ppo_260.015"/>Gefühle in Handlungen, welche rückwärts in dem <lb n="ppo_260.016"/>menschlichen Gefühlsvermögen begründet und mit <lb n="ppo_260.017"/>den Aeußerungen dieser Gefühle vergesellschaftet sind. <lb n="ppo_260.018"/>Die Aufgabe und der Zweck der lyrischen Dichtkunst <lb n="ppo_260.019"/>ist daher die sinnlich vollendetste <hi rendition="#g">Subjectivität,</hi> <lb n="ppo_260.020"/>so wie die Aufgabe und der Zweck der epischen Dichtkunst <lb n="ppo_260.021"/>die sinnlich vollendetste <hi rendition="#g">Objectivität.</hi> — <lb n="ppo_260.022"/>Ungeachtet dieser ursprünglichen Verschiedenheit ihres <lb n="ppo_260.023"/>ästhetischen Charakters, stehen aber doch die lyrische <lb n="ppo_260.024"/>und epische Form der Dichtkunst <hi rendition="#g">einander gleich</hi> <lb n="ppo_260.025"/>in Hinsicht des <hi rendition="#g">ästhetischen Gehalts;</hi> denn dieser <lb n="ppo_260.026"/>beruht nicht auf der Wahl des dichterischen Stoffes, <lb n="ppo_260.027"/>sondern auf der Gediegenheit und ästhetischen <lb n="ppo_260.028"/>Vollendung der Form, so wie das größere Wohlgefallen <lb n="ppo_260.029"/>entweder an der lyrischen, oder an der epischen <lb n="ppo_260.030"/>Form — bei <hi rendition="#g">gleicher</hi> Classicität derselben — <lb n="ppo_260.031"/>von der individuellen Stimmung dessen abhängt, der <lb n="ppo_260.032"/>bei der Betrachtung dieser Kunstformen verweilt.</p> <lb n="ppo_260.033"/> <p> Man darf übrigens den modernen Epos nicht <lb n="ppo_260.034"/>mit dem griechischen verwechseln; denn mehr, als </p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [260/0272]
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zwischen allen einzelnen Theilen herrscht, und je mehr ppo_260.002
es ihm gelingt, das Jnteresse an der Darstellung ppo_260.003
bis zu dem Schlusse hin zu steigern; desto umschließender ppo_260.004
und sicherer wird die Wirkung des Epos ppo_260.005
seyn.
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Wenn man in neuerer Zeit den ästhetischen ppo_260.007
Charakter des Epos beinahe zu überschätzen und ppo_260.008
die epischen Dichtungen über die lyrischen zu ppo_260.009
stellen suchte; so darf man, um beide gehörig zu ppo_260.010
würdigen, den wesentlichen Unterschied zwischen beiden ppo_260.011
nie übersehen. Die lyrische Form der Dichtkunst ppo_260.012
versinnlicht nämlich die höchste Kraft des intensiven ppo_260.013
Lebens der Gefühle, die epische Form ppo_260.014
die möglichst höchste extensive Ankündigung dieser ppo_260.015
Gefühle in Handlungen, welche rückwärts in dem ppo_260.016
menschlichen Gefühlsvermögen begründet und mit ppo_260.017
den Aeußerungen dieser Gefühle vergesellschaftet sind. ppo_260.018
Die Aufgabe und der Zweck der lyrischen Dichtkunst ppo_260.019
ist daher die sinnlich vollendetste Subjectivität, ppo_260.020
so wie die Aufgabe und der Zweck der epischen Dichtkunst ppo_260.021
die sinnlich vollendetste Objectivität. — ppo_260.022
Ungeachtet dieser ursprünglichen Verschiedenheit ihres ppo_260.023
ästhetischen Charakters, stehen aber doch die lyrische ppo_260.024
und epische Form der Dichtkunst einander gleich ppo_260.025
in Hinsicht des ästhetischen Gehalts; denn dieser ppo_260.026
beruht nicht auf der Wahl des dichterischen Stoffes, ppo_260.027
sondern auf der Gediegenheit und ästhetischen ppo_260.028
Vollendung der Form, so wie das größere Wohlgefallen ppo_260.029
entweder an der lyrischen, oder an der epischen ppo_260.030
Form — bei gleicher Classicität derselben — ppo_260.031
von der individuellen Stimmung dessen abhängt, der ppo_260.032
bei der Betrachtung dieser Kunstformen verweilt.
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Man darf übrigens den modernen Epos nicht ppo_260.034
mit dem griechischen verwechseln; denn mehr, als
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