Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Pölitz, Karl Heinrich Ludwig: Das Gesamtgebiet der teutschen Sprache nach Prosa, Dichtkunst und Beredsamkeit theoretisch und praktisch dargestellt. Dritter Band: Sprache der Dichtkunst. Leipzig, 1825.

Bild:
<< vorherige Seite

ppo_257.001
des widrigen Schicksals mit einem erhöhtern gemischten ppo_257.002
Gefühle der Lust und der Unlust, als die bloße ppo_257.003
Wahrnehmung der Aeußerung der physischen oder ppo_257.004
intellectuellen Kräfte, obgleich die ästhetische Wirkung ppo_257.005
des Heldengedichts zunächst auf dem idealisirten ppo_257.006
Anstreben gegen große, während des Kampfes ppo_257.007
fortdauernd gesteigerte, Schwierigkeiten beruht, in ppo_257.008
deren Besiegung die dem Helden einwohnende Kraft ppo_257.009
sich bewährt.

ppo_257.010

Unter dieser Bedingung darf es auch nur Ein ppo_257.011
Jndividuum
seyn, das im Mittelpuncte der ppo_257.012
dichterischen Darstellung steht. Auf diesen Helden ppo_257.013
muß sich alles im Epos beziehen; alles muß um ppo_257.014
seinetwillen da seyn; nichts darf in die Darstellung ppo_257.015
aufgenommen werden, das nicht in näherer oder ppo_257.016
entfernterer Verbindung mit ihm, und zwar nach ppo_257.017
dem Verhältnisse
stände, in welchem er seine ppo_257.018
Kraft thätig beweiset. Das Erste daher, worauf ppo_257.019
es im Epos ankommt, bleibt die versinnlichte Darstellung, ppo_257.020
Haltung und Durchführung des Helden ppo_257.021
und der Aeußerung seiner durch das Schicksal aufgebotenen ppo_257.022
Kraft. Das Zweite ist die dichterische ppo_257.023
Schilderung der Macht des Schicksals, gegen ppo_257.024
welche er kämpft. Zwischen seiner Kraft und der ppo_257.025
Macht des Schicksals muß aber in der epischen ppo_257.026
Kunstform das sorgfältigst berechnete Verhältniß ppo_257.027
herrschen. Denn wäre die Macht des Schicksals ppo_257.028
ursprünglich stärker, als die Kraft, die gegen sie ppo_257.029
ankämpft; so wäre der Sieg des Schicksals im ppo_257.030
Voraus entschieden. Wäre hingegen die Kraft des ppo_257.031
Helden, als solche, sogleich in ihrer ersten Ankündigung ppo_257.032
überwiegend über die Gewalt des Schicksals, ppo_257.033
das sie zum Kampfe anregt; so könnte der Held ppo_257.034
nicht der Gegenstand unsrer Theilnahme und Bewunderung

ppo_257.001
des widrigen Schicksals mit einem erhöhtern gemischten ppo_257.002
Gefühle der Lust und der Unlust, als die bloße ppo_257.003
Wahrnehmung der Aeußerung der physischen oder ppo_257.004
intellectuellen Kräfte, obgleich die ästhetische Wirkung ppo_257.005
des Heldengedichts zunächst auf dem idealisirten ppo_257.006
Anstreben gegen große, während des Kampfes ppo_257.007
fortdauernd gesteigerte, Schwierigkeiten beruht, in ppo_257.008
deren Besiegung die dem Helden einwohnende Kraft ppo_257.009
sich bewährt.

ppo_257.010

Unter dieser Bedingung darf es auch nur Ein ppo_257.011
Jndividuum
seyn, das im Mittelpuncte der ppo_257.012
dichterischen Darstellung steht. Auf diesen Helden ppo_257.013
muß sich alles im Epos beziehen; alles muß um ppo_257.014
seinetwillen da seyn; nichts darf in die Darstellung ppo_257.015
aufgenommen werden, das nicht in näherer oder ppo_257.016
entfernterer Verbindung mit ihm, und zwar nach ppo_257.017
dem Verhältnisse
stände, in welchem er seine ppo_257.018
Kraft thätig beweiset. Das Erste daher, worauf ppo_257.019
es im Epos ankommt, bleibt die versinnlichte Darstellung, ppo_257.020
Haltung und Durchführung des Helden ppo_257.021
und der Aeußerung seiner durch das Schicksal aufgebotenen ppo_257.022
Kraft. Das Zweite ist die dichterische ppo_257.023
Schilderung der Macht des Schicksals, gegen ppo_257.024
welche er kämpft. Zwischen seiner Kraft und der ppo_257.025
Macht des Schicksals muß aber in der epischen ppo_257.026
Kunstform das sorgfältigst berechnete Verhältniß ppo_257.027
herrschen. Denn wäre die Macht des Schicksals ppo_257.028
ursprünglich stärker, als die Kraft, die gegen sie ppo_257.029
ankämpft; so wäre der Sieg des Schicksals im ppo_257.030
Voraus entschieden. Wäre hingegen die Kraft des ppo_257.031
Helden, als solche, sogleich in ihrer ersten Ankündigung ppo_257.032
überwiegend über die Gewalt des Schicksals, ppo_257.033
das sie zum Kampfe anregt; so könnte der Held ppo_257.034
nicht der Gegenstand unsrer Theilnahme und Bewunderung

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0269" n="257"/><lb n="ppo_257.001"/>des widrigen Schicksals mit einem erhöhtern gemischten <lb n="ppo_257.002"/>Gefühle der Lust und der Unlust, als die bloße <lb n="ppo_257.003"/>Wahrnehmung der Aeußerung der physischen oder <lb n="ppo_257.004"/>intellectuellen Kräfte, obgleich die ästhetische Wirkung <lb n="ppo_257.005"/>des Heldengedichts zunächst auf dem idealisirten <lb n="ppo_257.006"/>Anstreben gegen große, während des Kampfes <lb n="ppo_257.007"/>fortdauernd gesteigerte, Schwierigkeiten beruht, in <lb n="ppo_257.008"/>deren Besiegung die dem Helden einwohnende Kraft <lb n="ppo_257.009"/>sich bewährt.</p>
          <lb n="ppo_257.010"/>
          <p>  Unter dieser Bedingung darf es auch <hi rendition="#g">nur Ein <lb n="ppo_257.011"/>Jndividuum</hi> seyn, das im <hi rendition="#g">Mittelpuncte</hi> der <lb n="ppo_257.012"/>dichterischen Darstellung steht. Auf diesen Helden <lb n="ppo_257.013"/>muß sich alles im Epos beziehen; alles muß um <lb n="ppo_257.014"/>seinetwillen da seyn; nichts darf in die Darstellung <lb n="ppo_257.015"/>aufgenommen werden, das nicht in näherer oder <lb n="ppo_257.016"/>entfernterer Verbindung mit ihm, und zwar <hi rendition="#g">nach <lb n="ppo_257.017"/>dem Verhältnisse</hi> stände, in welchem er seine <lb n="ppo_257.018"/>Kraft thätig beweiset. Das <hi rendition="#g">Erste</hi> daher, worauf <lb n="ppo_257.019"/>es im Epos ankommt, bleibt die versinnlichte Darstellung, <lb n="ppo_257.020"/>Haltung und Durchführung des <hi rendition="#g">Helden</hi> <lb n="ppo_257.021"/>und der Aeußerung seiner durch das Schicksal aufgebotenen <lb n="ppo_257.022"/>Kraft. Das <hi rendition="#g">Zweite</hi> ist die dichterische <lb n="ppo_257.023"/>Schilderung der Macht des <hi rendition="#g">Schicksals,</hi> gegen <lb n="ppo_257.024"/>welche er kämpft. Zwischen seiner Kraft und der <lb n="ppo_257.025"/>Macht des Schicksals muß aber in der epischen <lb n="ppo_257.026"/>Kunstform das sorgfältigst berechnete Verhältniß <lb n="ppo_257.027"/>herrschen. Denn wäre die Macht des Schicksals <lb n="ppo_257.028"/>ursprünglich stärker, als die Kraft, die gegen sie <lb n="ppo_257.029"/>ankämpft; so wäre der Sieg des Schicksals im <lb n="ppo_257.030"/>Voraus entschieden. Wäre hingegen die Kraft des <lb n="ppo_257.031"/>Helden, als solche, sogleich in ihrer ersten Ankündigung <lb n="ppo_257.032"/>überwiegend über die Gewalt des Schicksals, <lb n="ppo_257.033"/>das sie zum Kampfe anregt; so könnte der Held <lb n="ppo_257.034"/>nicht der Gegenstand unsrer Theilnahme und Bewunderung
</p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[257/0269] ppo_257.001 des widrigen Schicksals mit einem erhöhtern gemischten ppo_257.002 Gefühle der Lust und der Unlust, als die bloße ppo_257.003 Wahrnehmung der Aeußerung der physischen oder ppo_257.004 intellectuellen Kräfte, obgleich die ästhetische Wirkung ppo_257.005 des Heldengedichts zunächst auf dem idealisirten ppo_257.006 Anstreben gegen große, während des Kampfes ppo_257.007 fortdauernd gesteigerte, Schwierigkeiten beruht, in ppo_257.008 deren Besiegung die dem Helden einwohnende Kraft ppo_257.009 sich bewährt. ppo_257.010 Unter dieser Bedingung darf es auch nur Ein ppo_257.011 Jndividuum seyn, das im Mittelpuncte der ppo_257.012 dichterischen Darstellung steht. Auf diesen Helden ppo_257.013 muß sich alles im Epos beziehen; alles muß um ppo_257.014 seinetwillen da seyn; nichts darf in die Darstellung ppo_257.015 aufgenommen werden, das nicht in näherer oder ppo_257.016 entfernterer Verbindung mit ihm, und zwar nach ppo_257.017 dem Verhältnisse stände, in welchem er seine ppo_257.018 Kraft thätig beweiset. Das Erste daher, worauf ppo_257.019 es im Epos ankommt, bleibt die versinnlichte Darstellung, ppo_257.020 Haltung und Durchführung des Helden ppo_257.021 und der Aeußerung seiner durch das Schicksal aufgebotenen ppo_257.022 Kraft. Das Zweite ist die dichterische ppo_257.023 Schilderung der Macht des Schicksals, gegen ppo_257.024 welche er kämpft. Zwischen seiner Kraft und der ppo_257.025 Macht des Schicksals muß aber in der epischen ppo_257.026 Kunstform das sorgfältigst berechnete Verhältniß ppo_257.027 herrschen. Denn wäre die Macht des Schicksals ppo_257.028 ursprünglich stärker, als die Kraft, die gegen sie ppo_257.029 ankämpft; so wäre der Sieg des Schicksals im ppo_257.030 Voraus entschieden. Wäre hingegen die Kraft des ppo_257.031 Helden, als solche, sogleich in ihrer ersten Ankündigung ppo_257.032 überwiegend über die Gewalt des Schicksals, ppo_257.033 das sie zum Kampfe anregt; so könnte der Held ppo_257.034 nicht der Gegenstand unsrer Theilnahme und Bewunderung

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Technische Universität Darmstadt, Universität Stuttgart: Bereitstellung der Scan-Digitalisate und der Texttranskription. (2015-09-30T09:54:39Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
TextGrid/DARIAH-DE: Langfristige Bereitstellung der TextGrid/DARIAH-DE-Repository-Ausgabe
Stefan Alscher: Bearbeitung der digitalen Edition - Annotation des Metaphernbegriffs
Hans-Werner Bartz: Bearbeitung der digitalen Edition - Tustep-Unterstützung
Michael Bender: Bearbeitung der digitalen Edition - Koordination, Konzeption (Korpusaufbau, Annotationsschema, Workflow, Publikationsformen), Annotation des Metaphernbegriffs, XML-Auszeichnung)
Leonie Blumenschein: Bearbeitung der digitalen Edition - XML-Auszeichnung
David Glück: Bearbeitung der digitalen Edition - Korpusaufbau, XML-Auszeichnung, Annotation des Metaphernbegriffs, XSL+JavaScript
Constanze Hahn: Bearbeitung der digitalen Edition - Korpusaufbau, XML-Auszeichnung
Philipp Hegel: Bearbeitung der digitalen Edition - XML/XSL/CSS-Unterstützung
Andrea Rapp: ePoetics-Projekt-Koordination
Sandra Richter: ePoetics-Projekt-Koordination

Weitere Informationen:

Bogensignaturen: keine Angabe; Druckfehler: keine Angabe; fremdsprachliches Material: gekennzeichnet; Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage; Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): wie Vorlage; i/j in Fraktur: wie Vorlage; I/J in Fraktur: wie Vorlage; Kolumnentitel: nicht übernommen; Kustoden: nicht übernommen; langes s (ſ): wie Vorlage; Normalisierungen: keine; rundes r (ꝛ): wie Vorlage; Seitenumbrüche markiert: ja; Silbentrennung: nicht übernommen; u/v bzw. U/V: wie Vorlage; Vokale mit übergest. e: wie Vorlage; Vollständigkeit: vollständig erfasst; Zeichensetzung: wie Vorlage; Zeilenumbrüche markiert: ja;




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/poelitz_poetik_1825
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/poelitz_poetik_1825/269
Zitationshilfe: Pölitz, Karl Heinrich Ludwig: Das Gesamtgebiet der teutschen Sprache nach Prosa, Dichtkunst und Beredsamkeit theoretisch und praktisch dargestellt. Dritter Band: Sprache der Dichtkunst. Leipzig, 1825, S. 257. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/poelitz_poetik_1825/269>, abgerufen am 16.07.2024.