Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Pölitz, Karl Heinrich Ludwig: Das Gesamtgebiet der teutschen Sprache nach Prosa, Dichtkunst und Beredsamkeit theoretisch und praktisch dargestellt. Dritter Band: Sprache der Dichtkunst. Leipzig, 1825.

Bild:
<< vorherige Seite

ppo_009.001
wahrgenommen wird, eine unmittelbare ppo_009.002
Gewißheit,
während alle Ueberzeugung ppo_009.003
durch Begriffe des Verstandes, und selbst durch die ppo_009.004
Jdeen der Vernunft, nur mittelbar ist, mithin durch ppo_009.005
entgegengesetzte Begriffe und Jdeen bestritten und ppo_009.006
weggeläugnet werden kann. Das Gefühlsvermögen ppo_009.007
behauptet in dieser Beziehung den eigenthümlichen ppo_009.008
Charakter des unmittelbar Wirklichen (Realen) ppo_009.009
in dem gesammten (sinnlichen und geistigen) ppo_009.010
Daseyn des Menschen. Durchs Gefühl werden wir ppo_009.011
unsers Daseyns, unsers jedesmaligen Zustandes, ppo_009.012
des Daseyns der Dinge außer uns, und ppo_009.013
unserer Beziehung auf sie, so wie unserer individuellen ppo_009.014
Beziehung auf eine übersinnliche Welt unmittelbar ppo_009.015
gewiß,
so daß kein logischer Scharfsinn ppo_009.016
und keine dialektische Gewandtheit die Ankündigung ppo_009.017
dieser unmittelbaren Gewißheit im Bewußtseyn ganz ppo_009.018
zu erschüttern vermag.

ppo_009.019

Das Gefühlsvermögen behauptet aber auch eine ppo_009.020
eigenthümliche, von den beiden andern geistigen ppo_009.021
Vermögen verschiedene, Richtung auf den Gesammtzweck ppo_009.022
des menschlichen Daseyns.
ppo_009.023
Wenn das Vorstellungsvermögen diesen Zweck als ppo_009.024
die höchste Jdee der Vernunft aufstellt, und das ppo_009.025
Bestrebungsvermögen diesen Zweck durch freie Handlungen ppo_009.026
verwirklichen will; so faßt ihn das Gefühlsvermögen ppo_009.027
nach seiner Unermeßlichkeit und Ueberschwenglichkeit ppo_009.028
auf, und trägt auf jedes einzelne Gefühl ppo_009.029
nach dem Verhältnisse, in welchem das ppo_009.030
einzelne Gefühl zu dem Gesammtgebiete des menschlichen ppo_009.031
Daseyns steht, diesen Charakter der Unermeßlichkeit ppo_009.032
und Ueberschwenglichkeit über. Denn wenn ppo_009.033
die Gefühle, nach der Verschiedenheit ihrer Ankündigung ppo_009.034
im Bewußtseyn, in sinnliche, intellec=

ppo_009.001
wahrgenommen wird, eine unmittelbare ppo_009.002
Gewißheit,
während alle Ueberzeugung ppo_009.003
durch Begriffe des Verstandes, und selbst durch die ppo_009.004
Jdeen der Vernunft, nur mittelbar ist, mithin durch ppo_009.005
entgegengesetzte Begriffe und Jdeen bestritten und ppo_009.006
weggeläugnet werden kann. Das Gefühlsvermögen ppo_009.007
behauptet in dieser Beziehung den eigenthümlichen ppo_009.008
Charakter des unmittelbar Wirklichen (Realen) ppo_009.009
in dem gesammten (sinnlichen und geistigen) ppo_009.010
Daseyn des Menschen. Durchs Gefühl werden wir ppo_009.011
unsers Daseyns, unsers jedesmaligen Zustandes, ppo_009.012
des Daseyns der Dinge außer uns, und ppo_009.013
unserer Beziehung auf sie, so wie unserer individuellen ppo_009.014
Beziehung auf eine übersinnliche Welt unmittelbar ppo_009.015
gewiß,
so daß kein logischer Scharfsinn ppo_009.016
und keine dialektische Gewandtheit die Ankündigung ppo_009.017
dieser unmittelbaren Gewißheit im Bewußtseyn ganz ppo_009.018
zu erschüttern vermag.

ppo_009.019

Das Gefühlsvermögen behauptet aber auch eine ppo_009.020
eigenthümliche, von den beiden andern geistigen ppo_009.021
Vermögen verschiedene, Richtung auf den Gesammtzweck ppo_009.022
des menschlichen Daseyns.
ppo_009.023
Wenn das Vorstellungsvermögen diesen Zweck als ppo_009.024
die höchste Jdee der Vernunft aufstellt, und das ppo_009.025
Bestrebungsvermögen diesen Zweck durch freie Handlungen ppo_009.026
verwirklichen will; so faßt ihn das Gefühlsvermögen ppo_009.027
nach seiner Unermeßlichkeit und Ueberschwenglichkeit ppo_009.028
auf, und trägt auf jedes einzelne Gefühl ppo_009.029
nach dem Verhältnisse, in welchem das ppo_009.030
einzelne Gefühl zu dem Gesammtgebiete des menschlichen ppo_009.031
Daseyns steht, diesen Charakter der Unermeßlichkeit ppo_009.032
und Ueberschwenglichkeit über. Denn wenn ppo_009.033
die Gefühle, nach der Verschiedenheit ihrer Ankündigung ppo_009.034
im Bewußtseyn, in sinnliche, intellec=

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0021" n="9"/><lb n="ppo_009.001"/> wahrgenommen wird, eine <hi rendition="#g">unmittelbare <lb n="ppo_009.002"/>Gewißheit,</hi> während alle Ueberzeugung <lb n="ppo_009.003"/>durch Begriffe des Verstandes, und selbst durch die <lb n="ppo_009.004"/>Jdeen der Vernunft, nur mittelbar ist, mithin durch <lb n="ppo_009.005"/>entgegengesetzte Begriffe und Jdeen bestritten und <lb n="ppo_009.006"/>weggeläugnet werden kann. Das Gefühlsvermögen <lb n="ppo_009.007"/>behauptet in <hi rendition="#g">dieser</hi> Beziehung den eigenthümlichen <lb n="ppo_009.008"/>Charakter des <hi rendition="#g">unmittelbar Wirklichen</hi> (Realen) <lb n="ppo_009.009"/>in dem <hi rendition="#g">gesammten</hi> (sinnlichen und geistigen) <lb n="ppo_009.010"/>Daseyn des Menschen. Durchs Gefühl werden wir <lb n="ppo_009.011"/>unsers <hi rendition="#g">Daseyns,</hi> unsers <hi rendition="#g">jedesmaligen Zustandes,</hi> <lb n="ppo_009.012"/>des Daseyns der Dinge außer uns, und <lb n="ppo_009.013"/>unserer Beziehung auf sie, so wie unserer individuellen <lb n="ppo_009.014"/>Beziehung auf eine übersinnliche Welt <hi rendition="#g">unmittelbar <lb n="ppo_009.015"/>gewiß,</hi> so daß kein logischer Scharfsinn <lb n="ppo_009.016"/>und keine dialektische Gewandtheit die Ankündigung <lb n="ppo_009.017"/>dieser unmittelbaren Gewißheit im Bewußtseyn ganz <lb n="ppo_009.018"/>zu erschüttern vermag.</p>
          <lb n="ppo_009.019"/>
          <p>  Das Gefühlsvermögen behauptet aber auch eine <lb n="ppo_009.020"/><hi rendition="#g">eigenthümliche,</hi> von den beiden andern geistigen <lb n="ppo_009.021"/>Vermögen verschiedene, <hi rendition="#g">Richtung auf den Gesammtzweck <lb n="ppo_009.022"/>des menschlichen Daseyns.</hi> <lb n="ppo_009.023"/>Wenn das Vorstellungsvermögen diesen Zweck als <lb n="ppo_009.024"/>die höchste Jdee der Vernunft aufstellt, und das <lb n="ppo_009.025"/>Bestrebungsvermögen diesen Zweck durch freie Handlungen <lb n="ppo_009.026"/>verwirklichen will; so faßt ihn das Gefühlsvermögen <lb n="ppo_009.027"/>nach seiner Unermeßlichkeit und Ueberschwenglichkeit <lb n="ppo_009.028"/>auf, und trägt auf jedes einzelne Gefühl <lb n="ppo_009.029"/><hi rendition="#g">nach dem Verhältnisse,</hi> in welchem das <lb n="ppo_009.030"/>einzelne Gefühl zu dem Gesammtgebiete des menschlichen <lb n="ppo_009.031"/>Daseyns steht, diesen Charakter der Unermeßlichkeit <lb n="ppo_009.032"/>und Ueberschwenglichkeit über. Denn wenn <lb n="ppo_009.033"/>die Gefühle, nach der Verschiedenheit ihrer Ankündigung <lb n="ppo_009.034"/>im Bewußtseyn, in <hi rendition="#g">sinnliche, intellec=
</hi></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[9/0021] ppo_009.001 wahrgenommen wird, eine unmittelbare ppo_009.002 Gewißheit, während alle Ueberzeugung ppo_009.003 durch Begriffe des Verstandes, und selbst durch die ppo_009.004 Jdeen der Vernunft, nur mittelbar ist, mithin durch ppo_009.005 entgegengesetzte Begriffe und Jdeen bestritten und ppo_009.006 weggeläugnet werden kann. Das Gefühlsvermögen ppo_009.007 behauptet in dieser Beziehung den eigenthümlichen ppo_009.008 Charakter des unmittelbar Wirklichen (Realen) ppo_009.009 in dem gesammten (sinnlichen und geistigen) ppo_009.010 Daseyn des Menschen. Durchs Gefühl werden wir ppo_009.011 unsers Daseyns, unsers jedesmaligen Zustandes, ppo_009.012 des Daseyns der Dinge außer uns, und ppo_009.013 unserer Beziehung auf sie, so wie unserer individuellen ppo_009.014 Beziehung auf eine übersinnliche Welt unmittelbar ppo_009.015 gewiß, so daß kein logischer Scharfsinn ppo_009.016 und keine dialektische Gewandtheit die Ankündigung ppo_009.017 dieser unmittelbaren Gewißheit im Bewußtseyn ganz ppo_009.018 zu erschüttern vermag. ppo_009.019 Das Gefühlsvermögen behauptet aber auch eine ppo_009.020 eigenthümliche, von den beiden andern geistigen ppo_009.021 Vermögen verschiedene, Richtung auf den Gesammtzweck ppo_009.022 des menschlichen Daseyns. ppo_009.023 Wenn das Vorstellungsvermögen diesen Zweck als ppo_009.024 die höchste Jdee der Vernunft aufstellt, und das ppo_009.025 Bestrebungsvermögen diesen Zweck durch freie Handlungen ppo_009.026 verwirklichen will; so faßt ihn das Gefühlsvermögen ppo_009.027 nach seiner Unermeßlichkeit und Ueberschwenglichkeit ppo_009.028 auf, und trägt auf jedes einzelne Gefühl ppo_009.029 nach dem Verhältnisse, in welchem das ppo_009.030 einzelne Gefühl zu dem Gesammtgebiete des menschlichen ppo_009.031 Daseyns steht, diesen Charakter der Unermeßlichkeit ppo_009.032 und Ueberschwenglichkeit über. Denn wenn ppo_009.033 die Gefühle, nach der Verschiedenheit ihrer Ankündigung ppo_009.034 im Bewußtseyn, in sinnliche, intellec=

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Technische Universität Darmstadt, Universität Stuttgart: Bereitstellung der Scan-Digitalisate und der Texttranskription. (2015-09-30T09:54:39Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
TextGrid/DARIAH-DE: Langfristige Bereitstellung der TextGrid/DARIAH-DE-Repository-Ausgabe
Stefan Alscher: Bearbeitung der digitalen Edition - Annotation des Metaphernbegriffs
Hans-Werner Bartz: Bearbeitung der digitalen Edition - Tustep-Unterstützung
Michael Bender: Bearbeitung der digitalen Edition - Koordination, Konzeption (Korpusaufbau, Annotationsschema, Workflow, Publikationsformen), Annotation des Metaphernbegriffs, XML-Auszeichnung)
Leonie Blumenschein: Bearbeitung der digitalen Edition - XML-Auszeichnung
David Glück: Bearbeitung der digitalen Edition - Korpusaufbau, XML-Auszeichnung, Annotation des Metaphernbegriffs, XSL+JavaScript
Constanze Hahn: Bearbeitung der digitalen Edition - Korpusaufbau, XML-Auszeichnung
Philipp Hegel: Bearbeitung der digitalen Edition - XML/XSL/CSS-Unterstützung
Andrea Rapp: ePoetics-Projekt-Koordination
Sandra Richter: ePoetics-Projekt-Koordination

Weitere Informationen:

Bogensignaturen: keine Angabe; Druckfehler: keine Angabe; fremdsprachliches Material: gekennzeichnet; Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage; Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): wie Vorlage; i/j in Fraktur: wie Vorlage; I/J in Fraktur: wie Vorlage; Kolumnentitel: nicht übernommen; Kustoden: nicht übernommen; langes s (ſ): wie Vorlage; Normalisierungen: keine; rundes r (ꝛ): wie Vorlage; Seitenumbrüche markiert: ja; Silbentrennung: nicht übernommen; u/v bzw. U/V: wie Vorlage; Vokale mit übergest. e: wie Vorlage; Vollständigkeit: vollständig erfasst; Zeichensetzung: wie Vorlage; Zeilenumbrüche markiert: ja;




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/poelitz_poetik_1825
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/poelitz_poetik_1825/21
Zitationshilfe: Pölitz, Karl Heinrich Ludwig: Das Gesamtgebiet der teutschen Sprache nach Prosa, Dichtkunst und Beredsamkeit theoretisch und praktisch dargestellt. Dritter Band: Sprache der Dichtkunst. Leipzig, 1825, S. 9. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/poelitz_poetik_1825/21>, abgerufen am 22.11.2024.