ppo_176.001 den im Gebiete der teutschen Sprache vorhandenen ppo_176.002 Mustern in der Cantate ist sie durchaus nicht blos ppo_176.003 eine Untergattung des Liedes, wie die Dithyrambe ppo_176.004 von der Hymne, und die Heroide von der Elegie; ppo_176.005 sie kann sich vielmehr, nach dem Ausdrucke, der ppo_176.006 Fülle und Stärke des Tones der Gefühle, eben so ppo_176.007 der Ode, der Hymne und der Elegie, wie dem Liede ppo_176.008 nähern; es können in ihr reine Gefühle der Freude ppo_176.009 und Wonne, wie reine Gefühle der Wehmuth und ppo_176.010 Trauer, und gleichmäßig auch gemischte Gefühle der ppo_176.011 Lust und Unlust, bald in der Milde der elegischen ppo_176.012 Stimmung, bald in dem kühnen Schwunge der ppo_176.013 Ode und Hymne aufgestellt werden; bald können ppo_176.014 die Gefühle des Unendlichen und Endlichen in der ppo_176.015 Cantate in einem stark versinnlichten Gegensatze sich ppo_176.016 ankündigen, bald aber auch mit sich im Gleichgewichte ppo_176.017 stehen. Dazu kommt, daß in längern Cantaten, ppo_176.018 oder sogenannten Oratorien, eine große Abwechselung, ppo_176.019 Mannigfaltigkeit und Schattirung des ppo_176.020 lyrischen Tones in den Arien und Chören statt finden ppo_176.021 kann, besonders wenn durch die Recitative die ppo_176.022 Uebergänge aus dem einen Gefühle in das andere ppo_176.023 gehörig geleitet werden. Doch müssen, ungeachtet ppo_176.024 dieser Abwechselung und Schattirung der dargestellten ppo_176.025 Gefühle, die sämmtlichen einzelnen Theile der Cantate, ppo_176.026 deren Aufeinanderfolge gleichmäßig von ppo_176.027 dichterischen und tonkünstlerischen Rücksichten abhängt, ppo_176.028 überhaupt Ein ästhetisches Ganzes bilden, dessen ppo_176.029 Vollendung auf der innern Einheit und auf ppo_176.030 dem psychologischen Zusammenhange aller in der Cantate ppo_176.031 im Einzelnen verzeichneten und dargestellten Gefühle ppo_176.032 beruht. Weil aber die Cantate zunächst und ppo_176.033 durchgehends auf die tonkünstlerische Darstellung berechnet ppo_176.034 ist, und nur diese erst als Kunstwerk vollen=
ppo_176.001 den im Gebiete der teutschen Sprache vorhandenen ppo_176.002 Mustern in der Cantate ist sie durchaus nicht blos ppo_176.003 eine Untergattung des Liedes, wie die Dithyrambe ppo_176.004 von der Hymne, und die Heroide von der Elegie; ppo_176.005 sie kann sich vielmehr, nach dem Ausdrucke, der ppo_176.006 Fülle und Stärke des Tones der Gefühle, eben so ppo_176.007 der Ode, der Hymne und der Elegie, wie dem Liede ppo_176.008 nähern; es können in ihr reine Gefühle der Freude ppo_176.009 und Wonne, wie reine Gefühle der Wehmuth und ppo_176.010 Trauer, und gleichmäßig auch gemischte Gefühle der ppo_176.011 Lust und Unlust, bald in der Milde der elegischen ppo_176.012 Stimmung, bald in dem kühnen Schwunge der ppo_176.013 Ode und Hymne aufgestellt werden; bald können ppo_176.014 die Gefühle des Unendlichen und Endlichen in der ppo_176.015 Cantate in einem stark versinnlichten Gegensatze sich ppo_176.016 ankündigen, bald aber auch mit sich im Gleichgewichte ppo_176.017 stehen. Dazu kommt, daß in längern Cantaten, ppo_176.018 oder sogenannten Oratorien, eine große Abwechselung, ppo_176.019 Mannigfaltigkeit und Schattirung des ppo_176.020 lyrischen Tones in den Arien und Chören statt finden ppo_176.021 kann, besonders wenn durch die Recitative die ppo_176.022 Uebergänge aus dem einen Gefühle in das andere ppo_176.023 gehörig geleitet werden. Doch müssen, ungeachtet ppo_176.024 dieser Abwechselung und Schattirung der dargestellten ppo_176.025 Gefühle, die sämmtlichen einzelnen Theile der Cantate, ppo_176.026 deren Aufeinanderfolge gleichmäßig von ppo_176.027 dichterischen und tonkünstlerischen Rücksichten abhängt, ppo_176.028 überhaupt Ein ästhetisches Ganzes bilden, dessen ppo_176.029 Vollendung auf der innern Einheit und auf ppo_176.030 dem psychologischen Zusammenhange aller in der Cantate ppo_176.031 im Einzelnen verzeichneten und dargestellten Gefühle ppo_176.032 beruht. Weil aber die Cantate zunächst und ppo_176.033 durchgehends auf die tonkünstlerische Darstellung berechnet ppo_176.034 ist, und nur diese erst als Kunstwerk vollen=
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0188"n="176"/><lbn="ppo_176.001"/>den im Gebiete der teutschen Sprache vorhandenen <lbn="ppo_176.002"/>Mustern in der Cantate ist sie durchaus nicht blos <lbn="ppo_176.003"/>eine Untergattung des Liedes, wie die Dithyrambe <lbn="ppo_176.004"/>von der Hymne, und die Heroide von der Elegie; <lbn="ppo_176.005"/>sie kann sich vielmehr, nach dem Ausdrucke, der <lbn="ppo_176.006"/>Fülle und Stärke des Tones der Gefühle, eben so <lbn="ppo_176.007"/>der Ode, der Hymne und der Elegie, wie dem Liede <lbn="ppo_176.008"/>nähern; es können in ihr reine Gefühle der Freude <lbn="ppo_176.009"/>und Wonne, wie reine Gefühle der Wehmuth und <lbn="ppo_176.010"/>Trauer, und gleichmäßig auch gemischte Gefühle der <lbn="ppo_176.011"/>Lust und Unlust, bald in der Milde der elegischen <lbn="ppo_176.012"/>Stimmung, bald in dem kühnen Schwunge der <lbn="ppo_176.013"/>Ode und Hymne aufgestellt werden; bald können <lbn="ppo_176.014"/>die Gefühle des Unendlichen und Endlichen in der <lbn="ppo_176.015"/>Cantate in einem stark versinnlichten Gegensatze sich <lbn="ppo_176.016"/>ankündigen, bald aber auch mit sich im Gleichgewichte <lbn="ppo_176.017"/>stehen. Dazu kommt, daß in längern Cantaten, <lbn="ppo_176.018"/>oder sogenannten Oratorien, eine große Abwechselung, <lbn="ppo_176.019"/>Mannigfaltigkeit und Schattirung des <lbn="ppo_176.020"/>lyrischen Tones in den Arien und Chören statt finden <lbn="ppo_176.021"/>kann, besonders wenn durch die Recitative die <lbn="ppo_176.022"/>Uebergänge aus dem einen Gefühle in das andere <lbn="ppo_176.023"/>gehörig geleitet werden. Doch müssen, ungeachtet <lbn="ppo_176.024"/>dieser Abwechselung und Schattirung der dargestellten <lbn="ppo_176.025"/>Gefühle, die sämmtlichen einzelnen Theile der Cantate, <lbn="ppo_176.026"/>deren <hirendition="#g">Aufeinanderfolge</hi> gleichmäßig von <lbn="ppo_176.027"/>dichterischen und tonkünstlerischen Rücksichten abhängt, <lbn="ppo_176.028"/>überhaupt <hirendition="#g">Ein ästhetisches Ganzes</hi> bilden, dessen <lbn="ppo_176.029"/>Vollendung auf der <hirendition="#g">innern</hi> Einheit und auf <lbn="ppo_176.030"/>dem psychologischen Zusammenhange aller in der Cantate <lbn="ppo_176.031"/>im Einzelnen verzeichneten und dargestellten Gefühle <lbn="ppo_176.032"/>beruht. Weil aber die Cantate zunächst und <lbn="ppo_176.033"/>durchgehends auf die tonkünstlerische Darstellung berechnet <lbn="ppo_176.034"/>ist, und nur diese erst als Kunstwerk <hirendition="#g">vollen=
</hi></p></div></div></body></text></TEI>
[176/0188]
ppo_176.001
den im Gebiete der teutschen Sprache vorhandenen ppo_176.002
Mustern in der Cantate ist sie durchaus nicht blos ppo_176.003
eine Untergattung des Liedes, wie die Dithyrambe ppo_176.004
von der Hymne, und die Heroide von der Elegie; ppo_176.005
sie kann sich vielmehr, nach dem Ausdrucke, der ppo_176.006
Fülle und Stärke des Tones der Gefühle, eben so ppo_176.007
der Ode, der Hymne und der Elegie, wie dem Liede ppo_176.008
nähern; es können in ihr reine Gefühle der Freude ppo_176.009
und Wonne, wie reine Gefühle der Wehmuth und ppo_176.010
Trauer, und gleichmäßig auch gemischte Gefühle der ppo_176.011
Lust und Unlust, bald in der Milde der elegischen ppo_176.012
Stimmung, bald in dem kühnen Schwunge der ppo_176.013
Ode und Hymne aufgestellt werden; bald können ppo_176.014
die Gefühle des Unendlichen und Endlichen in der ppo_176.015
Cantate in einem stark versinnlichten Gegensatze sich ppo_176.016
ankündigen, bald aber auch mit sich im Gleichgewichte ppo_176.017
stehen. Dazu kommt, daß in längern Cantaten, ppo_176.018
oder sogenannten Oratorien, eine große Abwechselung, ppo_176.019
Mannigfaltigkeit und Schattirung des ppo_176.020
lyrischen Tones in den Arien und Chören statt finden ppo_176.021
kann, besonders wenn durch die Recitative die ppo_176.022
Uebergänge aus dem einen Gefühle in das andere ppo_176.023
gehörig geleitet werden. Doch müssen, ungeachtet ppo_176.024
dieser Abwechselung und Schattirung der dargestellten ppo_176.025
Gefühle, die sämmtlichen einzelnen Theile der Cantate, ppo_176.026
deren Aufeinanderfolge gleichmäßig von ppo_176.027
dichterischen und tonkünstlerischen Rücksichten abhängt, ppo_176.028
überhaupt Ein ästhetisches Ganzes bilden, dessen ppo_176.029
Vollendung auf der innern Einheit und auf ppo_176.030
dem psychologischen Zusammenhange aller in der Cantate ppo_176.031
im Einzelnen verzeichneten und dargestellten Gefühle ppo_176.032
beruht. Weil aber die Cantate zunächst und ppo_176.033
durchgehends auf die tonkünstlerische Darstellung berechnet ppo_176.034
ist, und nur diese erst als Kunstwerk vollen=
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert.
Weitere Informationen …
Technische Universität Darmstadt, Universität Stuttgart: Bereitstellung der Scan-Digitalisate und der Texttranskription.
(2015-09-30T09:54:39Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
TextGrid/DARIAH-DE: Langfristige Bereitstellung der TextGrid/DARIAH-DE-Repository-Ausgabe
Stefan Alscher: Bearbeitung der digitalen Edition - Annotation des Metaphernbegriffs
Hans-Werner Bartz: Bearbeitung der digitalen Edition - Tustep-Unterstützung
Michael Bender: Bearbeitung der digitalen Edition - Koordination, Konzeption (Korpusaufbau, Annotationsschema, Workflow, Publikationsformen), Annotation des Metaphernbegriffs, XML-Auszeichnung)
Leonie Blumenschein: Bearbeitung der digitalen Edition - XML-Auszeichnung
David Glück: Bearbeitung der digitalen Edition - Korpusaufbau, XML-Auszeichnung, Annotation des Metaphernbegriffs, XSL+JavaScript
Constanze Hahn: Bearbeitung der digitalen Edition - Korpusaufbau, XML-Auszeichnung
Philipp Hegel: Bearbeitung der digitalen Edition - XML/XSL/CSS-Unterstützung
Andrea Rapp: ePoetics-Projekt-Koordination
Sandra Richter: ePoetics-Projekt-Koordination
Weitere Informationen:
Bogensignaturen: keine Angabe;
Druckfehler: keine Angabe;
fremdsprachliches Material: gekennzeichnet;
Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;
Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): wie Vorlage;
i/j in Fraktur: wie Vorlage;
I/J in Fraktur: wie Vorlage;
Kolumnentitel: nicht übernommen;
Kustoden: nicht übernommen;
langes s (ſ): wie Vorlage;
Normalisierungen: keine;
rundes r (ꝛ): wie Vorlage;
Seitenumbrüche markiert: ja;
Silbentrennung: nicht übernommen;
u/v bzw. U/V: wie Vorlage;
Vokale mit übergest. e: wie Vorlage;
Vollständigkeit: vollständig erfasst;
Zeichensetzung: wie Vorlage;
Zeilenumbrüche markiert: ja;
Pölitz, Karl Heinrich Ludwig: Das Gesamtgebiet der teutschen Sprache nach Prosa, Dichtkunst und Beredsamkeit theoretisch und praktisch dargestellt. Dritter Band: Sprache der Dichtkunst. Leipzig, 1825, S. 176. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/poelitz_poetik_1825/188>, abgerufen am 22.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.