Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Pölitz, Karl Heinrich Ludwig: Das Gesamtgebiet der teutschen Sprache nach Prosa, Dichtkunst und Beredsamkeit theoretisch und praktisch dargestellt. Dritter Band: Sprache der Dichtkunst. Leipzig, 1825.

Bild:
<< vorherige Seite
ppo_158.001
Ein Schwanenarm ans volle Herz gedrückt. ppo_158.002
"Nimm, sprach zu mir, am schönsten meiner Tage, ppo_158.003
Die lieblichste der Grazien, ppo_158.004
Nimm diesen Kuß, daß man, dich neidend, sage: ppo_158.005
Auch er war in Arkadien!"
ppo_158.006
Jch nahm den Kuß, und von mir selbst geschieden, ppo_158.007
Fühlt' ich für nichts, als für die Schmeichlerin. ppo_158.008
An sie verlor mein Herz den goldnen Frieden, ppo_158.009
Jhr opfert' ich den sorgenfreien Sinn. ppo_158.010
Mein Leben war Gedanke an die Traute, ppo_158.011
Mein kleinster Wunsch ihr Eigenthum, ppo_158.012
Und jedes Lied in die gewölbte Laute ppo_158.013
Ein süßes Lied zu ihrem Ruhm.
ppo_158.014
Oft fragt' ich sie, wenn meine Silbertöne ppo_158.015
Jhr Ohr verschlang: "Was schenkst du mir dafür?" ppo_158.016
"Nimm diesen Kuß, erwiederte die Schöne, ppo_158.017
Und sey mir treu, mein Herz gelob' ich dir!" ppo_158.018
Und ich, berauscht von ihren Nektarküssen, ppo_158.019
Ließ ruhig in ihr Netz mich ziehn. ppo_158.020
So hat sie schlau, was mein war, mir entrissen, ppo_158.021
Und von dem Jhren nichts verliehn.
ppo_158.022
O tief hinab in Lethens Strom versenken ppo_158.023
Möcht' ich das Bild, das meinen Jammer nährt -- ppo_158.024
Und doch, und doch ist mir das Angedenken ppo_158.025
An ihre Huld und meine Qual so werth; ppo_158.026
Und doch gewann ich, in der wunderbaren, ppo_158.027
Mir täglich süßern Dienstbarkeit, ppo_158.028
So manches, was mein Herz sich zu bewahren, ppo_158.029
Mein Geist sich zu erneuern freut.
ppo_158.030
Wer sonst, als sie, gab mir das süße Sehnen, ppo_158.031
Das bald mit Lust, und bald mit Schmerz erfüllt? ppo_158.032
Wer lehrte mich, was aus der Duldung Thränen
ppo_158.001
Ein Schwanenarm ans volle Herz gedrückt. ppo_158.002
„Nimm, sprach zu mir, am schönsten meiner Tage, ppo_158.003
Die lieblichste der Grazien, ppo_158.004
Nimm diesen Kuß, daß man, dich neidend, sage: ppo_158.005
Auch er war in Arkadien!“
ppo_158.006
Jch nahm den Kuß, und von mir selbst geschieden, ppo_158.007
Fühlt' ich für nichts, als für die Schmeichlerin. ppo_158.008
An sie verlor mein Herz den goldnen Frieden, ppo_158.009
Jhr opfert' ich den sorgenfreien Sinn. ppo_158.010
Mein Leben war Gedanke an die Traute, ppo_158.011
Mein kleinster Wunsch ihr Eigenthum, ppo_158.012
Und jedes Lied in die gewölbte Laute ppo_158.013
Ein süßes Lied zu ihrem Ruhm.
ppo_158.014
Oft fragt' ich sie, wenn meine Silbertöne ppo_158.015
Jhr Ohr verschlang: „Was schenkst du mir dafür?“ ppo_158.016
„Nimm diesen Kuß, erwiederte die Schöne, ppo_158.017
Und sey mir treu, mein Herz gelob' ich dir!“ ppo_158.018
Und ich, berauscht von ihren Nektarküssen, ppo_158.019
Ließ ruhig in ihr Netz mich ziehn. ppo_158.020
So hat sie schlau, was mein war, mir entrissen, ppo_158.021
Und von dem Jhren nichts verliehn.
ppo_158.022
O tief hinab in Lethens Strom versenken ppo_158.023
Möcht' ich das Bild, das meinen Jammer nährt — ppo_158.024
Und doch, und doch ist mir das Angedenken ppo_158.025
An ihre Huld und meine Qual so werth; ppo_158.026
Und doch gewann ich, in der wunderbaren, ppo_158.027
Mir täglich süßern Dienstbarkeit, ppo_158.028
So manches, was mein Herz sich zu bewahren, ppo_158.029
Mein Geist sich zu erneuern freut.
ppo_158.030
Wer sonst, als sie, gab mir das süße Sehnen, ppo_158.031
Das bald mit Lust, und bald mit Schmerz erfüllt? ppo_158.032
Wer lehrte mich, was aus der Duldung Thränen
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <pb facs="#f0170" n="158"/>
          <lb n="ppo_158.001"/>
          <lg>
            <l>Ein Schwanenarm ans volle Herz gedrückt.</l>
            <lb n="ppo_158.002"/>
            <l>&#x201E;Nimm, sprach zu mir, am schönsten meiner Tage,</l>
            <lb n="ppo_158.003"/>
            <l>Die lieblichste der Grazien,</l>
            <lb n="ppo_158.004"/>
            <l>Nimm diesen Kuß, daß man, dich neidend, sage:</l>
            <lb n="ppo_158.005"/>
            <l>Auch er war in Arkadien!&#x201C; </l>
          </lg>
          <lb n="ppo_158.006"/>
          <lg>
            <l>  Jch nahm den Kuß, und von mir selbst geschieden,</l>
            <lb n="ppo_158.007"/>
            <l>Fühlt' ich für nichts, als für die Schmeichlerin.</l>
            <lb n="ppo_158.008"/>
            <l>An sie verlor mein Herz den goldnen Frieden,</l>
            <lb n="ppo_158.009"/>
            <l>Jhr opfert' ich den sorgenfreien Sinn.</l>
            <lb n="ppo_158.010"/>
            <l>Mein Leben war Gedanke an die Traute,</l>
            <lb n="ppo_158.011"/>
            <l>Mein kleinster Wunsch ihr Eigenthum,</l>
            <lb n="ppo_158.012"/>
            <l>Und jedes Lied in die gewölbte Laute</l>
            <lb n="ppo_158.013"/>
            <l>Ein süßes Lied zu ihrem Ruhm. </l>
          </lg>
          <lb n="ppo_158.014"/>
          <lg>
            <l>  Oft fragt' ich sie, wenn meine Silbertöne</l>
            <lb n="ppo_158.015"/>
            <l>Jhr Ohr verschlang: &#x201E;Was schenkst du mir dafür?&#x201C;</l>
            <lb n="ppo_158.016"/>
            <l>&#x201E;Nimm diesen Kuß, erwiederte die Schöne,</l>
            <lb n="ppo_158.017"/>
            <l>Und sey mir treu, mein Herz gelob' ich dir!&#x201C;</l>
            <lb n="ppo_158.018"/>
            <l>Und ich, berauscht von ihren Nektarküssen,</l>
            <lb n="ppo_158.019"/>
            <l>Ließ ruhig in ihr Netz mich ziehn.</l>
            <lb n="ppo_158.020"/>
            <l>So hat sie schlau, was mein war, mir entrissen,</l>
            <lb n="ppo_158.021"/>
            <l>Und von dem Jhren nichts verliehn. </l>
          </lg>
          <lb n="ppo_158.022"/>
          <lg>
            <l>  O tief hinab in Lethens Strom versenken</l>
            <lb n="ppo_158.023"/>
            <l>Möcht' ich das Bild, das meinen Jammer nährt &#x2014;</l>
            <lb n="ppo_158.024"/>
            <l>Und doch, und doch ist mir das Angedenken</l>
            <lb n="ppo_158.025"/>
            <l>An ihre Huld und meine Qual so werth;</l>
            <lb n="ppo_158.026"/>
            <l>Und doch gewann ich, in der wunderbaren,</l>
            <lb n="ppo_158.027"/>
            <l>Mir täglich süßern Dienstbarkeit,</l>
            <lb n="ppo_158.028"/>
            <l>So manches, was mein Herz sich zu bewahren,</l>
            <lb n="ppo_158.029"/>
            <l>Mein Geist sich zu erneuern freut. </l>
          </lg>
          <lb n="ppo_158.030"/>
          <lg>
            <l>  Wer sonst, als sie, gab mir das süße Sehnen,</l>
            <lb n="ppo_158.031"/>
            <l>Das bald mit Lust, und bald mit Schmerz erfüllt?</l>
            <lb n="ppo_158.032"/>
            <l>Wer lehrte mich, was aus der Duldung Thränen</l>
          </lg>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[158/0170] ppo_158.001 Ein Schwanenarm ans volle Herz gedrückt. ppo_158.002 „Nimm, sprach zu mir, am schönsten meiner Tage, ppo_158.003 Die lieblichste der Grazien, ppo_158.004 Nimm diesen Kuß, daß man, dich neidend, sage: ppo_158.005 Auch er war in Arkadien!“ ppo_158.006 Jch nahm den Kuß, und von mir selbst geschieden, ppo_158.007 Fühlt' ich für nichts, als für die Schmeichlerin. ppo_158.008 An sie verlor mein Herz den goldnen Frieden, ppo_158.009 Jhr opfert' ich den sorgenfreien Sinn. ppo_158.010 Mein Leben war Gedanke an die Traute, ppo_158.011 Mein kleinster Wunsch ihr Eigenthum, ppo_158.012 Und jedes Lied in die gewölbte Laute ppo_158.013 Ein süßes Lied zu ihrem Ruhm. ppo_158.014 Oft fragt' ich sie, wenn meine Silbertöne ppo_158.015 Jhr Ohr verschlang: „Was schenkst du mir dafür?“ ppo_158.016 „Nimm diesen Kuß, erwiederte die Schöne, ppo_158.017 Und sey mir treu, mein Herz gelob' ich dir!“ ppo_158.018 Und ich, berauscht von ihren Nektarküssen, ppo_158.019 Ließ ruhig in ihr Netz mich ziehn. ppo_158.020 So hat sie schlau, was mein war, mir entrissen, ppo_158.021 Und von dem Jhren nichts verliehn. ppo_158.022 O tief hinab in Lethens Strom versenken ppo_158.023 Möcht' ich das Bild, das meinen Jammer nährt — ppo_158.024 Und doch, und doch ist mir das Angedenken ppo_158.025 An ihre Huld und meine Qual so werth; ppo_158.026 Und doch gewann ich, in der wunderbaren, ppo_158.027 Mir täglich süßern Dienstbarkeit, ppo_158.028 So manches, was mein Herz sich zu bewahren, ppo_158.029 Mein Geist sich zu erneuern freut. ppo_158.030 Wer sonst, als sie, gab mir das süße Sehnen, ppo_158.031 Das bald mit Lust, und bald mit Schmerz erfüllt? ppo_158.032 Wer lehrte mich, was aus der Duldung Thränen

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Technische Universität Darmstadt, Universität Stuttgart: Bereitstellung der Scan-Digitalisate und der Texttranskription. (2015-09-30T09:54:39Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
TextGrid/DARIAH-DE: Langfristige Bereitstellung der TextGrid/DARIAH-DE-Repository-Ausgabe
Stefan Alscher: Bearbeitung der digitalen Edition - Annotation des Metaphernbegriffs
Hans-Werner Bartz: Bearbeitung der digitalen Edition - Tustep-Unterstützung
Michael Bender: Bearbeitung der digitalen Edition - Koordination, Konzeption (Korpusaufbau, Annotationsschema, Workflow, Publikationsformen), Annotation des Metaphernbegriffs, XML-Auszeichnung)
Leonie Blumenschein: Bearbeitung der digitalen Edition - XML-Auszeichnung
David Glück: Bearbeitung der digitalen Edition - Korpusaufbau, XML-Auszeichnung, Annotation des Metaphernbegriffs, XSL+JavaScript
Constanze Hahn: Bearbeitung der digitalen Edition - Korpusaufbau, XML-Auszeichnung
Philipp Hegel: Bearbeitung der digitalen Edition - XML/XSL/CSS-Unterstützung
Andrea Rapp: ePoetics-Projekt-Koordination
Sandra Richter: ePoetics-Projekt-Koordination

Weitere Informationen:

Bogensignaturen: keine Angabe; Druckfehler: keine Angabe; fremdsprachliches Material: gekennzeichnet; Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage; Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): wie Vorlage; i/j in Fraktur: wie Vorlage; I/J in Fraktur: wie Vorlage; Kolumnentitel: nicht übernommen; Kustoden: nicht übernommen; langes s (ſ): wie Vorlage; Normalisierungen: keine; rundes r (ꝛ): wie Vorlage; Seitenumbrüche markiert: ja; Silbentrennung: nicht übernommen; u/v bzw. U/V: wie Vorlage; Vokale mit übergest. e: wie Vorlage; Vollständigkeit: vollständig erfasst; Zeichensetzung: wie Vorlage; Zeilenumbrüche markiert: ja;




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/poelitz_poetik_1825
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/poelitz_poetik_1825/170
Zitationshilfe: Pölitz, Karl Heinrich Ludwig: Das Gesamtgebiet der teutschen Sprache nach Prosa, Dichtkunst und Beredsamkeit theoretisch und praktisch dargestellt. Dritter Band: Sprache der Dichtkunst. Leipzig, 1825, S. 158. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/poelitz_poetik_1825/170>, abgerufen am 28.11.2024.