Pocci, Franz von: Lustiges Komödienbüchlein. Bd. 3. München, 1869.
Beeren hab ich auch gepflückt. Willst Du welche? Sieh, das ganze Körbchen ist voll. Kathrin. Dank dir, liebs Kind. Da, setz' dich auf die Fußbank zu mir und wenn du gegessen hast, so lies mir was vor aus'm Eulenspiegel. Rothkäppchen. Darf ich dir nicht aus dem anderen Buch vor- lesen, in dem die schönen Geschichten und Märchen steh'n? Bitt gar schön! Kathrin. Meinetwegen! aber mir ist eigentlich der Eulen- spiegel viel lieber; der ist gar so unterhaltlich zum schlafen. Auweh, zwickt's mich! Rothkäppchen. Arme Großmutter, hast du wieder Schmerzen? Kathrin. Ja, die lassen nit aus. Das ist so grad mein Zeitvertreib, wenn ich allein bin, weil ich nix treiben kann. Stricken oder Spinnen kann ich nit, weil meine Finger steif sind; lesen kann ich nix, weil ich nix sieh und weil ich's lesen nit glernt hab und da ist's grad recht, wenn's mich bisweilen a bißl zwickt
Beeren hab ich auch gepflückt. Willſt Du welche? Sieh, das ganze Körbchen iſt voll. Kathrin. Dank dir, liebs Kind. Da, ſetz’ dich auf die Fußbank zu mir und wenn du gegeſſen haſt, ſo lies mir was vor aus’m Eulenſpiegel. Rothkäppchen. Darf ich dir nicht aus dem anderen Buch vor- leſen, in dem die ſchönen Geſchichten und Märchen ſteh’n? Bitt gar ſchön! Kathrin. Meinetwegen! aber mir iſt eigentlich der Eulen- ſpiegel viel lieber; der iſt gar ſo unterhaltlich zum ſchlafen. Auweh, zwickt’s mich! Rothkäppchen. Arme Großmutter, haſt du wieder Schmerzen? Kathrin. Ja, die laſſen nit aus. Das iſt ſo grad mein Zeitvertreib, wenn ich allein bin, weil ich nix treiben kann. Stricken oder Spinnen kann ich nit, weil meine Finger ſteif ſind; leſen kann ich nix, weil ich nix ſieh und weil ich’s leſen nit glernt hab und da iſt’s grad recht, wenn’s mich bisweilen a bißl zwickt <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <sp who="#ROT"> <p><pb facs="#f0114" n="110"/> Beeren hab ich auch gepflückt. Willſt Du welche?<lb/> Sieh, das ganze Körbchen iſt voll.</p> </sp><lb/> <sp who="#KATHRIN"> <speaker> <hi rendition="#c"> <hi rendition="#b">Kathrin.</hi> </hi> </speaker><lb/> <p>Dank dir, liebs Kind. Da, ſetz’ dich auf die<lb/> Fußbank zu mir und wenn du gegeſſen haſt, ſo lies<lb/> mir was vor aus’m Eulenſpiegel.</p> </sp><lb/> <sp who="#ROT"> <speaker> <hi rendition="#c"> <hi rendition="#b">Rothkäppchen.</hi> </hi> </speaker><lb/> <p>Darf ich dir nicht aus dem anderen Buch vor-<lb/> leſen, in dem die ſchönen Geſchichten und Märchen<lb/> ſteh’n? Bitt gar ſchön!</p> </sp><lb/> <sp who="#KATHRIN"> <speaker> <hi rendition="#c"> <hi rendition="#b">Kathrin.</hi> </hi> </speaker><lb/> <p>Meinetwegen! aber mir iſt eigentlich der Eulen-<lb/> ſpiegel viel lieber; der iſt gar ſo unterhaltlich zum<lb/> ſchlafen. Auweh, zwickt’s mich!</p> </sp><lb/> <sp who="#ROT"> <speaker> <hi rendition="#c"> <hi rendition="#b">Rothkäppchen.</hi> </hi> </speaker><lb/> <p>Arme Großmutter, haſt du wieder Schmerzen?</p> </sp><lb/> <sp who="#KATHRIN"> <speaker> <hi rendition="#c"> <hi rendition="#b">Kathrin.</hi> </hi> </speaker><lb/> <p>Ja, die laſſen nit aus. Das iſt ſo grad mein<lb/> Zeitvertreib, wenn ich allein bin, weil ich nix treiben<lb/> kann. Stricken oder Spinnen kann ich nit, weil<lb/> meine Finger ſteif ſind; leſen kann ich nix, weil ich<lb/> nix ſieh und weil ich’s leſen nit glernt hab und da<lb/> iſt’s grad recht, wenn’s mich bisweilen a bißl zwickt<lb/></p> </sp> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [110/0114]
Beeren hab ich auch gepflückt. Willſt Du welche?
Sieh, das ganze Körbchen iſt voll.
Kathrin.
Dank dir, liebs Kind. Da, ſetz’ dich auf die
Fußbank zu mir und wenn du gegeſſen haſt, ſo lies
mir was vor aus’m Eulenſpiegel.
Rothkäppchen.
Darf ich dir nicht aus dem anderen Buch vor-
leſen, in dem die ſchönen Geſchichten und Märchen
ſteh’n? Bitt gar ſchön!
Kathrin.
Meinetwegen! aber mir iſt eigentlich der Eulen-
ſpiegel viel lieber; der iſt gar ſo unterhaltlich zum
ſchlafen. Auweh, zwickt’s mich!
Rothkäppchen.
Arme Großmutter, haſt du wieder Schmerzen?
Kathrin.
Ja, die laſſen nit aus. Das iſt ſo grad mein
Zeitvertreib, wenn ich allein bin, weil ich nix treiben
kann. Stricken oder Spinnen kann ich nit, weil
meine Finger ſteif ſind; leſen kann ich nix, weil ich
nix ſieh und weil ich’s leſen nit glernt hab und da
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Zitationshilfe: | Pocci, Franz von: Lustiges Komödienbüchlein. Bd. 3. München, 1869, S. 110. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/pocci_komoedienbuechlein03_1869/114>, abgerufen am 16.07.2024. |