Pocci, Franz von: Lustiges Komödienbüchlein. Bd. 2. München, 1861. Myrrha. So ist's. Allein nicht diese Fesseln allein sind es, die Herbed binden -- sprach mein Vater; der Wahn ist es, der ihn noch mehr kettet. Herbed. Täusche mich nicht durch neues Blendwerk. Myrrha. Höre, theurer Herbed! (denn die Götter wissen es, daß Du meinem Herzen theuer bist) höre und glaub' es. Jener Einsiedler, der Dir den Zauber- ring gab, war Moschopulos, welcher Dich der wei- sen und liebenden Führung meines Vaters ent- reißen wollte. Es gelang ihm. Allzuschnell gabst Du ihm Gehör und den Ring am Finger ver- schmähtest Du die wohlgemeinten Warnungen mei- nes Vaters. Herbed. Wenn sich mein Herz auch zu Dir mächtig hin- gezogen fühlt, meine Weisheit täuscht mich nicht. Sie hieß mich Deinen Vater erkennen, der mich nun durch Deine Reize mit neuen Vorspiegelungen täuschen will, um mich gänzlich zu vernichten. Myrrha. Sieh diese Rose, deren Duft Dich entzückt hat -- es ist die Rose der Liebe und Demuth! Myrrha. So iſt’s. Allein nicht dieſe Feſſeln allein ſind es, die Herbed binden — ſprach mein Vater; der Wahn iſt es, der ihn noch mehr kettet. Herbed. Täuſche mich nicht durch neues Blendwerk. Myrrha. Höre, theurer Herbed! (denn die Götter wiſſen es, daß Du meinem Herzen theuer biſt) höre und glaub’ es. Jener Einſiedler, der Dir den Zauber- ring gab, war Moſchopulos, welcher Dich der wei- ſen und liebenden Führung meines Vaters ent- reißen wollte. Es gelang ihm. Allzuſchnell gabſt Du ihm Gehör und den Ring am Finger ver- ſchmähteſt Du die wohlgemeinten Warnungen mei- nes Vaters. Herbed. Wenn ſich mein Herz auch zu Dir mächtig hin- gezogen fühlt, meine Weisheit täuſcht mich nicht. Sie hieß mich Deinen Vater erkennen, der mich nun durch Deine Reize mit neuen Vorſpiegelungen täuſchen will, um mich gänzlich zu vernichten. Myrrha. Sieh dieſe Roſe, deren Duft Dich entzückt hat — es iſt die Roſe der Liebe und Demuth! <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <pb facs="#f0294" n="274"/> <sp who="#MYR"> <speaker> <hi rendition="#c">Myrrha.</hi> </speaker><lb/> <p>So iſt’s. Allein nicht <hi rendition="#g">dieſe</hi> Feſſeln allein<lb/> ſind es, die Herbed binden — ſprach mein Vater;<lb/> der <hi rendition="#g">Wahn</hi> iſt es, der ihn noch mehr kettet.</p> </sp><lb/> <sp who="#HERBED"> <speaker> <hi rendition="#c">Herbed.</hi> </speaker><lb/> <p>Täuſche mich nicht durch neues Blendwerk.</p> </sp><lb/> <sp who="#MYR"> <speaker> <hi rendition="#c">Myrrha.</hi> </speaker><lb/> <p>Höre, theurer Herbed! (denn die Götter wiſſen<lb/> es, daß Du meinem Herzen theuer biſt) höre und<lb/> glaub’ es. Jener Einſiedler, der Dir den Zauber-<lb/> ring gab, war Moſchopulos, welcher Dich der wei-<lb/> ſen und liebenden Führung meines Vaters ent-<lb/> reißen wollte. Es gelang ihm. Allzuſchnell gabſt<lb/> Du ihm Gehör und den Ring am Finger ver-<lb/> ſchmähteſt Du die wohlgemeinten Warnungen mei-<lb/> nes Vaters.</p> </sp><lb/> <sp who="#HERBED"> <speaker> <hi rendition="#c">Herbed.</hi> </speaker><lb/> <p>Wenn ſich mein Herz auch zu Dir mächtig hin-<lb/> gezogen fühlt, meine Weisheit täuſcht mich nicht.<lb/> Sie hieß mich Deinen Vater erkennen, der mich<lb/> nun durch Deine Reize mit neuen Vorſpiegelungen<lb/> täuſchen will, um mich gänzlich zu vernichten.</p> </sp><lb/> <sp who="#MYR"> <speaker> <hi rendition="#c">Myrrha.</hi> </speaker><lb/> <p>Sieh dieſe Roſe, deren Duft Dich entzückt hat —<lb/> es iſt die Roſe der Liebe und Demuth!</p> </sp><lb/> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [274/0294]
Myrrha.
So iſt’s. Allein nicht dieſe Feſſeln allein
ſind es, die Herbed binden — ſprach mein Vater;
der Wahn iſt es, der ihn noch mehr kettet.
Herbed.
Täuſche mich nicht durch neues Blendwerk.
Myrrha.
Höre, theurer Herbed! (denn die Götter wiſſen
es, daß Du meinem Herzen theuer biſt) höre und
glaub’ es. Jener Einſiedler, der Dir den Zauber-
ring gab, war Moſchopulos, welcher Dich der wei-
ſen und liebenden Führung meines Vaters ent-
reißen wollte. Es gelang ihm. Allzuſchnell gabſt
Du ihm Gehör und den Ring am Finger ver-
ſchmähteſt Du die wohlgemeinten Warnungen mei-
nes Vaters.
Herbed.
Wenn ſich mein Herz auch zu Dir mächtig hin-
gezogen fühlt, meine Weisheit täuſcht mich nicht.
Sie hieß mich Deinen Vater erkennen, der mich
nun durch Deine Reize mit neuen Vorſpiegelungen
täuſchen will, um mich gänzlich zu vernichten.
Myrrha.
Sieh dieſe Roſe, deren Duft Dich entzückt hat —
es iſt die Roſe der Liebe und Demuth!
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Zitationshilfe: | Pocci, Franz von: Lustiges Komödienbüchlein. Bd. 2. München, 1861, S. 274. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/pocci_komoedienbuechlein02_1861/294>, abgerufen am 27.07.2024. |