Platen, August von: Der romantische Oedipus. Stuttgart u. a., 1829.
Und sinnend auf ein Distichon den Kampf mit dieser Sphinx bestehn! (Beide ab.) Die Vorigen, Melchior. Melchior. O Königin! Wie künd' ich dir die Schreckenspost? Jokaste. Welch neu Geschick? Melchior. Erschlagen ward dein Ehgemahl von einem jungen Galgenstrick! Jokaste. Wenn schon von hier und dort zugleich die Welle schlägt in's lecke Both, Dann zeigt sich Geistesgegenwart am höchsten bei der höchsten Noth! Zwar bin ich nur ein schwaches Weib; doch fühl' ich mich gefaßt im Schmerz, Und weiß zu sorgen für das Volk, zu sorgen für das eigne Herz! Durch einen Herold lasse man trompeten durch das ganze Land: Derjen'ge, der die Sphinx erlegt, erhält Jokastens Kron' und Hand! So wird vom Zolle frei die Stadt, und da gestorben ihr Tyrann,
Und ſinnend auf ein Diſtichon den Kampf mit dieſer Sphinx beſtehn! (Beide ab.) Die Vorigen, Melchior. Melchior. O Koͤnigin! Wie kuͤnd' ich dir die Schreckenspoſt? Jokaſte. Welch neu Geſchick? Melchior. Erſchlagen ward dein Ehgemahl von einem jungen Galgenſtrick! Jokaſte. Wenn ſchon von hier und dort zugleich die Welle ſchlaͤgt in's lecke Both, Dann zeigt ſich Geiſtesgegenwart am hoͤchſten bei der hoͤchſten Noth! Zwar bin ich nur ein ſchwaches Weib; doch fuͤhl' ich mich gefaßt im Schmerz, Und weiß zu ſorgen fuͤr das Volk, zu ſorgen fuͤr das eigne Herz! Durch einen Herold laſſe man trompeten durch das ganze Land: Derjen'ge, der die Sphinx erlegt, erhaͤlt Jokaſtens Kron' und Hand! So wird vom Zolle frei die Stadt, und da geſtorben ihr Tyrann, <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <sp who="#KINS"> <p><pb facs="#f0058" n="52"/> Und ſinnend auf ein Diſtichon den Kampf mit dieſer Sphinx<lb/> beſtehn!</p><lb/> <stage> <hi rendition="#right">(Beide ab.)</hi> </stage><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/> <stage> <hi rendition="#c"><hi rendition="#g">Die Vorigen, Melchior</hi>.</hi> </stage> </sp><lb/> <sp who="#MEL"> <speaker> <hi rendition="#c"><hi rendition="#g">Melchior</hi>.</hi> </speaker><lb/> <p>O Koͤnigin! Wie kuͤnd' ich dir die Schreckenspoſt?</p> </sp><lb/> <sp who="#JOK"> <speaker> <hi rendition="#c"><hi rendition="#g">Jokaſte</hi>.</hi> </speaker><lb/> <p>Welch neu Geſchick?</p> </sp><lb/> <sp who="#MEL"> <speaker> <hi rendition="#c"><hi rendition="#g">Melchior</hi>.</hi> </speaker><lb/> <p>Erſchlagen ward dein Ehgemahl von einem jungen Galgenſtrick!</p> </sp><lb/> <sp who="#JOK"> <speaker> <hi rendition="#c"><hi rendition="#g">Jokaſte</hi>.</hi> </speaker><lb/> <p>Wenn ſchon von hier und dort zugleich die Welle ſchlaͤgt in's<lb/> lecke Both,<lb/> Dann zeigt ſich Geiſtesgegenwart am hoͤchſten bei der hoͤchſten<lb/> Noth!<lb/> Zwar bin ich nur ein ſchwaches Weib; doch fuͤhl' ich mich gefaßt<lb/> im Schmerz,<lb/> Und weiß zu ſorgen fuͤr das Volk, zu ſorgen fuͤr das eigne<lb/> Herz!<lb/> Durch einen Herold laſſe man trompeten durch das ganze<lb/> Land:<lb/> Derjen'ge, der die Sphinx erlegt, erhaͤlt Jokaſtens Kron'<lb/> und Hand!<lb/> So wird vom Zolle frei die Stadt, und da geſtorben ihr<lb/> Tyrann,<lb/></p> </sp> </div> </div> </body> </text> </TEI> [52/0058]
Und ſinnend auf ein Diſtichon den Kampf mit dieſer Sphinx
beſtehn!
(Beide ab.)
Die Vorigen, Melchior.
Melchior.
O Koͤnigin! Wie kuͤnd' ich dir die Schreckenspoſt?
Jokaſte.
Welch neu Geſchick?
Melchior.
Erſchlagen ward dein Ehgemahl von einem jungen Galgenſtrick!
Jokaſte.
Wenn ſchon von hier und dort zugleich die Welle ſchlaͤgt in's
lecke Both,
Dann zeigt ſich Geiſtesgegenwart am hoͤchſten bei der hoͤchſten
Noth!
Zwar bin ich nur ein ſchwaches Weib; doch fuͤhl' ich mich gefaßt
im Schmerz,
Und weiß zu ſorgen fuͤr das Volk, zu ſorgen fuͤr das eigne
Herz!
Durch einen Herold laſſe man trompeten durch das ganze
Land:
Derjen'ge, der die Sphinx erlegt, erhaͤlt Jokaſtens Kron'
und Hand!
So wird vom Zolle frei die Stadt, und da geſtorben ihr
Tyrann,
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Zitationshilfe: | Platen, August von: Der romantische Oedipus. Stuttgart u. a., 1829, S. 52. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/platen_oedipus_1829/58>, abgerufen am 26.06.2024. |