Platen, August von: Der romantische Oedipus. Stuttgart u. a., 1829.Dieß [A]lles glaubt der Mann, so scheint es, gerne; Doch als das Knäbchen lesen kann und schreiben, Da nimmt er's mit sich in die weite Ferne, Auf daß es zeitig sich herumzutreiben, Und auch die Kaufmannschaft zugleich erlerne, Wiewohl die Gattin ihn ersucht zu bleiben; Doch ging und endlich kam zurück der Gatte, Der keinen Sohn an seiner Seite hatte. Wo ist das Kind hin, fragt das Weib erschrocken, Das ich so sehr dich flehte, wohl zu wahren? Der Mann erwiedert ohne nur zu stocken: Es ist mir ganz was Eignes widerfahren Mit diesem wunderbaren Sohn der Flocken; Denn als wir über einen Berg gefahren, Den just der Sonnenstrahl beschien, der warme, Schmolz mir das Kind in meinem Vaterarme! Zelinde. Du spottest mein, statt eine Frau zu preisen, Die weit erhaben über jedem Lobe! Polybus. Kannst du die Unschuld nicht sogleich beweisen, So mord' ich dich in deiner Garderobe! Zelinde. Kehrt einst Diagoras von seinen Reisen, Dann will ich geben dir die höchste Probe! Polybus. So lange magst du zittern vor der Strafe! Zelinde. In meine Tugend hüll' ich mich und schlafe! (Ab.) Dieß [A]lles glaubt der Mann, ſo ſcheint es, gerne; Doch als das Knaͤbchen leſen kann und ſchreiben, Da nimmt er's mit ſich in die weite Ferne, Auf daß es zeitig ſich herumzutreiben, Und auch die Kaufmannſchaft zugleich erlerne, Wiewohl die Gattin ihn erſucht zu bleiben; Doch ging und endlich kam zuruͤck der Gatte, Der keinen Sohn an ſeiner Seite hatte. Wo iſt das Kind hin, fragt das Weib erſchrocken, Das ich ſo ſehr dich flehte, wohl zu wahren? Der Mann erwiedert ohne nur zu ſtocken: Es iſt mir ganz was Eignes widerfahren Mit dieſem wunderbaren Sohn der Flocken; Denn als wir uͤber einen Berg gefahren, Den juſt der Sonnenſtrahl beſchien, der warme, Schmolz mir das Kind in meinem Vaterarme! Zelinde. Du ſpotteſt mein, ſtatt eine Frau zu preiſen, Die weit erhaben uͤber jedem Lobe! Polybus. Kannſt du die Unſchuld nicht ſogleich beweiſen, So mord' ich dich in deiner Garderobe! Zelinde. Kehrt einſt Diagoras von ſeinen Reiſen, Dann will ich geben dir die hoͤchſte Probe! Polybus. So lange magſt du zittern vor der Strafe! Zelinde. In meine Tugend huͤll' ich mich und ſchlafe! (Ab.) <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <sp who="#POL"> <pb facs="#f0043" n="37"/> <p>Dieß <supplied reason="damage">A</supplied>lles glaubt der Mann, ſo ſcheint es, gerne;<lb/> Doch als das Knaͤbchen leſen kann und ſchreiben,<lb/> Da nimmt er's mit ſich in die weite Ferne,<lb/> Auf daß es zeitig ſich herumzutreiben,<lb/> Und auch die Kaufmannſchaft zugleich erlerne,<lb/> Wiewohl die Gattin ihn erſucht zu bleiben;<lb/> Doch ging und endlich kam zuruͤck der Gatte,<lb/> Der keinen Sohn an ſeiner Seite hatte.</p><lb/> <p>Wo iſt das Kind hin, fragt das Weib erſchrocken,<lb/> Das ich ſo ſehr dich flehte, wohl zu wahren?<lb/> Der Mann erwiedert ohne nur zu ſtocken:<lb/> Es iſt mir ganz was Eignes widerfahren<lb/> Mit dieſem wunderbaren Sohn der Flocken;<lb/> Denn als wir uͤber einen Berg gefahren,<lb/> Den juſt der Sonnenſtrahl beſchien, der warme,<lb/> Schmolz mir das Kind in meinem Vaterarme!</p> </sp><lb/> <sp who="#ZEL"> <speaker> <hi rendition="#c"><hi rendition="#g">Zelinde</hi>.</hi> </speaker><lb/> <p>Du ſpotteſt mein, ſtatt eine Frau zu preiſen,<lb/> Die weit erhaben uͤber jedem Lobe!</p> </sp><lb/> <sp who="#POL"> <speaker> <hi rendition="#c"><hi rendition="#g">Polybus</hi>.</hi> </speaker><lb/> <p>Kannſt du die Unſchuld nicht ſogleich beweiſen,<lb/> So mord' ich dich in deiner Garderobe!</p> </sp><lb/> <sp who="#ZEL"> <speaker> <hi rendition="#c"><hi rendition="#g">Zelinde</hi>.</hi> </speaker><lb/> <p>Kehrt einſt Diagoras von ſeinen Reiſen,<lb/> Dann will ich geben dir die hoͤchſte Probe!</p> </sp><lb/> <sp who="#POL"> <speaker> <hi rendition="#c"><hi rendition="#g">Polybus</hi>.</hi> </speaker><lb/> <p>So lange magſt du zittern vor der Strafe!</p> </sp><lb/> <sp who="#ZEL"> <speaker> <hi rendition="#c"><hi rendition="#g">Zelinde</hi>.</hi> </speaker><lb/> <p>In meine Tugend huͤll' ich mich und ſchlafe!</p><lb/> <stage> <hi rendition="#c">(Ab.)</hi> </stage> </sp><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [37/0043]
Dieß Alles glaubt der Mann, ſo ſcheint es, gerne;
Doch als das Knaͤbchen leſen kann und ſchreiben,
Da nimmt er's mit ſich in die weite Ferne,
Auf daß es zeitig ſich herumzutreiben,
Und auch die Kaufmannſchaft zugleich erlerne,
Wiewohl die Gattin ihn erſucht zu bleiben;
Doch ging und endlich kam zuruͤck der Gatte,
Der keinen Sohn an ſeiner Seite hatte.
Wo iſt das Kind hin, fragt das Weib erſchrocken,
Das ich ſo ſehr dich flehte, wohl zu wahren?
Der Mann erwiedert ohne nur zu ſtocken:
Es iſt mir ganz was Eignes widerfahren
Mit dieſem wunderbaren Sohn der Flocken;
Denn als wir uͤber einen Berg gefahren,
Den juſt der Sonnenſtrahl beſchien, der warme,
Schmolz mir das Kind in meinem Vaterarme!
Zelinde.
Du ſpotteſt mein, ſtatt eine Frau zu preiſen,
Die weit erhaben uͤber jedem Lobe!
Polybus.
Kannſt du die Unſchuld nicht ſogleich beweiſen,
So mord' ich dich in deiner Garderobe!
Zelinde.
Kehrt einſt Diagoras von ſeinen Reiſen,
Dann will ich geben dir die hoͤchſte Probe!
Polybus.
So lange magſt du zittern vor der Strafe!
Zelinde.
In meine Tugend huͤll' ich mich und ſchlafe!
(Ab.)
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Zitationshilfe: | Platen, August von: Der romantische Oedipus. Stuttgart u. a., 1829, S. 37. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/platen_oedipus_1829/43>, abgerufen am 07.07.2024. |