Platen, August von: Gedichte. Stuttgart, 1828.Du bliebst allein der engen Pflicht gewogen, Da galt es Kämpfe gegen ganze Massen: Ein ernster Streit entflammte sich, ein neuer, Weit über das hinaus, was Menschen fassen, Und die politisch kleinen Ungeheuer Verzehrten sich im gegenseit'gen Hassen; Du aber standest unbewegt am Steuer, Sinnschwere Worte werfend in die Winde, Daß einst der Sohn, der Enkel einst sie finde. Und stelltest dar, in wahren, großen Zügen, In welchen Abgrund die Begierde führet, Wenn das Gefühl sich nicht vermag zu fügen, Und wenn der Geist nach dem Versagten spüret, Und was, begabt mir fröhlichem Genügen, Den Deutschen, rechtlich wie sie sind, gebühret: Bey dieses Taumels schwankender Empörung Zu hemmen und zu meiden die Zerstörung. Und überall, im reichergoss'nen Leben,
In tausendfachen Bildern und Gestalten, Die bis herunter in ihr kleinstes Weben Anmuth und Wahrheit um sich her entfalten, Hast du die große Lehre nur gegeben, Im eignen Kreise müsse jeder walten, Und überall umschwebt uns der Gedanke: Freyheit erscheint nur im Bezirk der Schranke. Du bliebſt allein der engen Pflicht gewogen, Da galt es Kaͤmpfe gegen ganze Maſſen: Ein ernſter Streit entflammte ſich, ein neuer, Weit uͤber das hinaus, was Menſchen faſſen, Und die politiſch kleinen Ungeheuer Verzehrten ſich im gegenſeit'gen Haſſen; Du aber ſtandeſt unbewegt am Steuer, Sinnſchwere Worte werfend in die Winde, Daß einſt der Sohn, der Enkel einſt ſie finde. Und ſtellteſt dar, in wahren, großen Zuͤgen, In welchen Abgrund die Begierde fuͤhret, Wenn das Gefuͤhl ſich nicht vermag zu fuͤgen, Und wenn der Geiſt nach dem Verſagten ſpuͤret, Und was, begabt mir froͤhlichem Genuͤgen, Den Deutſchen, rechtlich wie ſie ſind, gebuͤhret: Bey dieſes Taumels ſchwankender Empoͤrung Zu hemmen und zu meiden die Zerſtoͤrung. Und uͤberall, im reichergoſſ'nen Leben,
In tauſendfachen Bildern und Geſtalten, Die bis herunter in ihr kleinſtes Weben Anmuth und Wahrheit um ſich her entfalten, Haſt du die große Lehre nur gegeben, Im eignen Kreiſe muͤſſe jeder walten, Und uͤberall umſchwebt uns der Gedanke: Freyheit erſcheint nur im Bezirk der Schranke. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <lg type="poem"> <lg n="7"> <pb facs="#f0078" n="68"/> <l>Du bliebſt allein der engen Pflicht gewogen,</l><lb/> <l>Getreu dem lebenſchaffenden Gedanken,</l><lb/> <l>Indeß die Zeit, in ungebundner Meinung,</l><lb/> <l>Dem Leben bot die graͤßliche Verneinung.</l><lb/> </lg> <lg n="8"> <l>Da galt es Kaͤmpfe gegen ganze Maſſen:</l><lb/> <l>Ein ernſter Streit entflammte ſich, ein neuer,</l><lb/> <l>Weit uͤber das hinaus, was Menſchen faſſen,</l><lb/> <l>Und die politiſch kleinen Ungeheuer</l><lb/> <l>Verzehrten ſich im gegenſeit'gen Haſſen;</l><lb/> <l>Du aber ſtandeſt unbewegt am Steuer,</l><lb/> <l>Sinnſchwere Worte werfend in die Winde,</l><lb/> <l>Daß einſt der Sohn, der Enkel einſt ſie finde.</l><lb/> </lg> <lg n="9"> <l>Und ſtellteſt dar, in wahren, großen Zuͤgen,</l><lb/> <l>In welchen Abgrund die Begierde fuͤhret,</l><lb/> <l>Wenn das Gefuͤhl ſich nicht vermag zu fuͤgen,</l><lb/> <l>Und wenn der Geiſt nach dem Verſagten ſpuͤret,</l><lb/> <l>Und was, begabt mir froͤhlichem Genuͤgen,</l><lb/> <l>Den Deutſchen, rechtlich wie ſie ſind, gebuͤhret:</l><lb/> <l>Bey dieſes Taumels ſchwankender Empoͤrung</l><lb/> <l>Zu hemmen und zu meiden die Zerſtoͤrung.</l><lb/> </lg> <lg n="10"> <l>Und uͤberall, im reichergoſſ'nen Leben,</l><lb/> <l>In tauſendfachen Bildern und Geſtalten,</l><lb/> <l>Die bis herunter in ihr kleinſtes Weben</l><lb/> <l>Anmuth und Wahrheit um ſich her entfalten,</l><lb/> <l>Haſt du die große Lehre nur gegeben,</l><lb/> <l>Im eignen Kreiſe muͤſſe jeder walten,</l><lb/> <l>Und uͤberall umſchwebt uns der Gedanke:</l><lb/> <l>Freyheit erſcheint nur im Bezirk der Schranke.</l><lb/> </lg> </lg> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [68/0078]
Du bliebſt allein der engen Pflicht gewogen,
Getreu dem lebenſchaffenden Gedanken,
Indeß die Zeit, in ungebundner Meinung,
Dem Leben bot die graͤßliche Verneinung.
Da galt es Kaͤmpfe gegen ganze Maſſen:
Ein ernſter Streit entflammte ſich, ein neuer,
Weit uͤber das hinaus, was Menſchen faſſen,
Und die politiſch kleinen Ungeheuer
Verzehrten ſich im gegenſeit'gen Haſſen;
Du aber ſtandeſt unbewegt am Steuer,
Sinnſchwere Worte werfend in die Winde,
Daß einſt der Sohn, der Enkel einſt ſie finde.
Und ſtellteſt dar, in wahren, großen Zuͤgen,
In welchen Abgrund die Begierde fuͤhret,
Wenn das Gefuͤhl ſich nicht vermag zu fuͤgen,
Und wenn der Geiſt nach dem Verſagten ſpuͤret,
Und was, begabt mir froͤhlichem Genuͤgen,
Den Deutſchen, rechtlich wie ſie ſind, gebuͤhret:
Bey dieſes Taumels ſchwankender Empoͤrung
Zu hemmen und zu meiden die Zerſtoͤrung.
Und uͤberall, im reichergoſſ'nen Leben,
In tauſendfachen Bildern und Geſtalten,
Die bis herunter in ihr kleinſtes Weben
Anmuth und Wahrheit um ſich her entfalten,
Haſt du die große Lehre nur gegeben,
Im eignen Kreiſe muͤſſe jeder walten,
Und uͤberall umſchwebt uns der Gedanke:
Freyheit erſcheint nur im Bezirk der Schranke.
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools
|
URL zu diesem Werk: | https://www.deutschestextarchiv.de/platen_gedichte_1828 |
URL zu dieser Seite: | https://www.deutschestextarchiv.de/platen_gedichte_1828/78 |
Zitationshilfe: | Platen, August von: Gedichte. Stuttgart, 1828, S. 68. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/platen_gedichte_1828/78>, abgerufen am 16.02.2025. |