Platen, August von: Gedichte. Stuttgart, 1828.Ueber diese feuchten Blicke Möge nie ein Schleyer fallen, Und kein härnes Kleid ersticke Dieser Brust gelindes Wallen. Reißend vom Altar die Reine, Trat er nun hervor und tobte: Christus werde nie der Deine, König Odo's Anverlobte! Frevelvoll und voll von Wonne, Selig im erbotnen Tausche, Neigt sich die bethörte Nonne Seinem schönen Liebesrausche. Als die Nacht begann zu schauern Um die Stunde der Gespenster, Zitterten des Schlosses Mauern, Und es flogen auf die Fenster. Bebend sahn empor die Gatten, Und an's goldne Lager Beyder Trat ein weißer Zug von Schatten, Angethan in Nonnenkleider. Alle hielten rothe Kerzen,
Welche blau und düster flammten, Und die junge Braut vom Herzen Rissen sie dem Gottverdammten. Ueber dieſe feuchten Blicke Moͤge nie ein Schleyer fallen, Und kein haͤrnes Kleid erſticke Dieſer Bruſt gelindes Wallen. Reißend vom Altar die Reine, Trat er nun hervor und tobte: Chriſtus werde nie der Deine, Koͤnig Odo's Anverlobte! Frevelvoll und voll von Wonne, Selig im erbotnen Tauſche, Neigt ſich die bethoͤrte Nonne Seinem ſchoͤnen Liebesrauſche. Als die Nacht begann zu ſchauern Um die Stunde der Geſpenſter, Zitterten des Schloſſes Mauern, Und es flogen auf die Fenſter. Bebend ſahn empor die Gatten, Und an's goldne Lager Beyder Trat ein weißer Zug von Schatten, Angethan in Nonnenkleider. Alle hielten rothe Kerzen,
Welche blau und duͤſter flammten, Und die junge Braut vom Herzen Riſſen ſie dem Gottverdammten. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <lg type="poem"> <pb facs="#f0030" n="20"/> <lg n="5"> <l>Ueber dieſe feuchten Blicke</l><lb/> <l>Moͤge nie ein Schleyer fallen,</l><lb/> <l>Und kein haͤrnes Kleid erſticke</l><lb/> <l>Dieſer Bruſt gelindes Wallen.</l><lb/> </lg> <lg n="6"> <l>Reißend vom Altar die Reine,</l><lb/> <l>Trat er nun hervor und tobte:</l><lb/> <l>Chriſtus werde nie der Deine,</l><lb/> <l>Koͤnig Odo's Anverlobte!</l><lb/> </lg> <lg n="7"> <l>Frevelvoll und voll von Wonne,</l><lb/> <l>Selig im erbotnen Tauſche,</l><lb/> <l>Neigt ſich die bethoͤrte Nonne</l><lb/> <l>Seinem ſchoͤnen Liebesrauſche.</l><lb/> </lg> <lg n="8"> <l>Als die Nacht begann zu ſchauern</l><lb/> <l>Um die Stunde der Geſpenſter,</l><lb/> <l>Zitterten des Schloſſes Mauern,</l><lb/> <l>Und es flogen auf die Fenſter.</l><lb/> </lg> <lg n="9"> <l>Bebend ſahn empor die Gatten,</l><lb/> <l>Und an's goldne Lager Beyder</l><lb/> <l>Trat ein weißer Zug von Schatten,</l><lb/> <l>Angethan in Nonnenkleider.</l><lb/> </lg> <lg n="10"> <l>Alle hielten rothe Kerzen,</l><lb/> <l>Welche blau und duͤſter flammten,</l><lb/> <l>Und die junge Braut vom Herzen</l><lb/> <l>Riſſen ſie dem Gottverdammten.</l><lb/> </lg> </lg> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [20/0030]
Ueber dieſe feuchten Blicke
Moͤge nie ein Schleyer fallen,
Und kein haͤrnes Kleid erſticke
Dieſer Bruſt gelindes Wallen.
Reißend vom Altar die Reine,
Trat er nun hervor und tobte:
Chriſtus werde nie der Deine,
Koͤnig Odo's Anverlobte!
Frevelvoll und voll von Wonne,
Selig im erbotnen Tauſche,
Neigt ſich die bethoͤrte Nonne
Seinem ſchoͤnen Liebesrauſche.
Als die Nacht begann zu ſchauern
Um die Stunde der Geſpenſter,
Zitterten des Schloſſes Mauern,
Und es flogen auf die Fenſter.
Bebend ſahn empor die Gatten,
Und an's goldne Lager Beyder
Trat ein weißer Zug von Schatten,
Angethan in Nonnenkleider.
Alle hielten rothe Kerzen,
Welche blau und duͤſter flammten,
Und die junge Braut vom Herzen
Riſſen ſie dem Gottverdammten.
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Zitationshilfe: | Platen, August von: Gedichte. Stuttgart, 1828, S. 20. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/platen_gedichte_1828/30>, abgerufen am 16.07.2024. |