Platen, August von: Die verhängnißvolle Gabel. Stuttgart u. a., 1826.O goldne Freiheit, der auch ich entstamme, Die du den Aether, wie ein Zelt, entfaltest, Die du, der Schönheit und des Lebens Amme, Die Welt ernährst und immer neu gestaltest; Vestalin, die du des Gedankens Flamme Als ein Symbol der Ewigkeit verwaltest: Laß uns den Blick zu dir zu heben wagen, Lehr' uns die Wahrheit, die du kennst, ertragen! Du wolltest gütig uns das Wort verleihen, Das als ein Funke deinem Herd entglommen, Du, die du gibst ihm deine sieben Weihen, Durch die's der Menschen Herzen eingenommen, Die du es tönen lässest und gedeihen Vom Rednerstuhl, dem weltlichen und frommen: Leih' auch den Genien dieses heitern Ortes Den schönsten Ausdruck des lebend'gen Wortes! Wer hier zum Volke spricht in stolzen Tönen, Der sey auch würdig vor dem Volk zu sprechen; Entnervendes zu bieten statt des Schönen, Ist an der Zeit ein Majestätsverbrechen. Zeigt ihr der Väter sonst'gen Ruhm den Söhnen, So sucht, durch stille Größe zu bestechen, Und wollt ihr treffen mit des Witzes Strale, Kredenz' euch Anmuth erst die Zauberschale! Doch laßt ihr stets euch voll Geduld beschenken Mit allen Gattungen von Mißgebilden, Die höchst possirlich jedes Glied verrenken, Um zu gefallen euch, den Allzumilden; O goldne Freiheit, der auch ich entſtamme, Die du den Aether, wie ein Zelt, entfalteſt, Die du, der Schoͤnheit und des Lebens Amme, Die Welt ernaͤhrſt und immer neu geſtalteſt; Veſtalin, die du des Gedankens Flamme Als ein Symbol der Ewigkeit verwalteſt: Laß uns den Blick zu dir zu heben wagen, Lehr' uns die Wahrheit, die du kennſt, ertragen! Du wollteſt guͤtig uns das Wort verleihen, Das als ein Funke deinem Herd entglommen, Du, die du gibſt ihm deine ſieben Weihen, Durch die's der Menſchen Herzen eingenommen, Die du es toͤnen laͤſſeſt und gedeihen Vom Rednerſtuhl, dem weltlichen und frommen: Leih' auch den Genien dieſes heitern Ortes Den ſchoͤnſten Ausdruck des lebend'gen Wortes! Wer hier zum Volke ſpricht in ſtolzen Toͤnen, Der ſey auch wuͤrdig vor dem Volk zu ſprechen; Entnervendes zu bieten ſtatt des Schoͤnen, Iſt an der Zeit ein Majeſtaͤtsverbrechen. Zeigt ihr der Vaͤter ſonſt'gen Ruhm den Soͤhnen, So ſucht, durch ſtille Groͤße zu beſtechen, Und wollt ihr treffen mit des Witzes Strale, Kredenz' euch Anmuth erſt die Zauberſchale! Doch laßt ihr ſtets euch voll Geduld beſchenken Mit allen Gattungen von Mißgebilden, Die hoͤchſt poſſirlich jedes Glied verrenken, Um zu gefallen euch, den Allzumilden; <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <sp who="#SCHM"> <pb facs="#f0061" n="55"/> <p>O goldne Freiheit, der auch ich entſtamme,<lb/> Die du den Aether, wie ein Zelt, entfalteſt,<lb/> Die du, der Schoͤnheit und des Lebens Amme,<lb/> Die Welt ernaͤhrſt und immer neu geſtalteſt;<lb/> Veſtalin, die du des Gedankens Flamme<lb/> Als ein Symbol der Ewigkeit verwalteſt:<lb/> Laß uns den Blick zu dir zu heben wagen,<lb/> Lehr' uns die Wahrheit, die du kennſt, ertragen!</p><lb/> <p>Du wollteſt guͤtig uns das Wort verleihen,<lb/> Das als ein Funke deinem Herd entglommen,<lb/> Du, die du gibſt ihm deine ſieben Weihen,<lb/> Durch die's der Menſchen Herzen eingenommen,<lb/> Die du es toͤnen laͤſſeſt und gedeihen<lb/> Vom Rednerſtuhl, dem weltlichen und frommen:<lb/> Leih' auch den Genien dieſes heitern Ortes<lb/> Den ſchoͤnſten Ausdruck des lebend'gen Wortes!</p><lb/> <p>Wer hier zum Volke ſpricht in ſtolzen Toͤnen,<lb/> Der ſey auch wuͤrdig vor dem Volk zu ſprechen;<lb/> Entnervendes zu bieten ſtatt des Schoͤnen,<lb/> Iſt an der Zeit ein Majeſtaͤtsverbrechen.<lb/> Zeigt ihr der Vaͤter ſonſt'gen Ruhm den Soͤhnen,<lb/> So ſucht, durch ſtille Groͤße zu beſtechen,<lb/> Und wollt ihr treffen mit des Witzes Strale,<lb/> Kredenz' euch Anmuth erſt die Zauberſchale!</p><lb/> <p>Doch laßt ihr ſtets euch voll Geduld beſchenken<lb/> Mit allen Gattungen von Mißgebilden,<lb/> Die hoͤchſt poſſirlich jedes Glied verrenken,<lb/> Um zu gefallen euch, den Allzumilden;<lb/></p> </sp> </div> </div> </body> </text> </TEI> [55/0061]
O goldne Freiheit, der auch ich entſtamme,
Die du den Aether, wie ein Zelt, entfalteſt,
Die du, der Schoͤnheit und des Lebens Amme,
Die Welt ernaͤhrſt und immer neu geſtalteſt;
Veſtalin, die du des Gedankens Flamme
Als ein Symbol der Ewigkeit verwalteſt:
Laß uns den Blick zu dir zu heben wagen,
Lehr' uns die Wahrheit, die du kennſt, ertragen!
Du wollteſt guͤtig uns das Wort verleihen,
Das als ein Funke deinem Herd entglommen,
Du, die du gibſt ihm deine ſieben Weihen,
Durch die's der Menſchen Herzen eingenommen,
Die du es toͤnen laͤſſeſt und gedeihen
Vom Rednerſtuhl, dem weltlichen und frommen:
Leih' auch den Genien dieſes heitern Ortes
Den ſchoͤnſten Ausdruck des lebend'gen Wortes!
Wer hier zum Volke ſpricht in ſtolzen Toͤnen,
Der ſey auch wuͤrdig vor dem Volk zu ſprechen;
Entnervendes zu bieten ſtatt des Schoͤnen,
Iſt an der Zeit ein Majeſtaͤtsverbrechen.
Zeigt ihr der Vaͤter ſonſt'gen Ruhm den Soͤhnen,
So ſucht, durch ſtille Groͤße zu beſtechen,
Und wollt ihr treffen mit des Witzes Strale,
Kredenz' euch Anmuth erſt die Zauberſchale!
Doch laßt ihr ſtets euch voll Geduld beſchenken
Mit allen Gattungen von Mißgebilden,
Die hoͤchſt poſſirlich jedes Glied verrenken,
Um zu gefallen euch, den Allzumilden;
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |