Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Planck, Max: Vorlesungen über Thermodynamik. Leipzig: Veit & C., 1897.

Bild:
<< vorherige Seite

Der zweite Hauptsatz der Wärmetheorie.
ständig rückgängig zu machen -- das Wort "vollständig" immer
in demselben Sinn genommen wie oben. Wollte man den Ver-
such dazu machen, so könnte man z. B. das Gas, nachdem es
seinen neuen Gleichgewichtszustand angenommen hat, zunächst
auf sein altes Volumen comprimiren, etwa durch Herabsinken-
lassen eines Gewichts. Dann wird äussere Arbeit aufgewendet
und zugleich das Gas entsprechend erwärmt. Damit ist an und
für sich noch nichts bewiesen, es kommt vielmehr jetzt darauf
an, das Gas ganz in seinen ehemaligen Zustand zu bringen und
das benutzte Gewicht wieder heraufzuschaffen. Leitet man nun,
um das Gas auch auf seine alte Temperatur zurückzubringen, die
Compressionswärme bei constant gehaltenem Volumen ab, etwa
in ein kühleres Wärmereservoir, so müsste, damit der Prozess
vollständig rückgängig wird, dem Reservoir die empfangene
Wärme wieder entzogen und ferner das Gewicht auf seine ur-
sprüngliche Höhe gebracht werden, ohne dass anderweitige Ver-
änderungen zurückbleiben. Das ist aber genau dieselbe Aufgabe,
deren Unausführbarkeit im vorigen Paragraphen behauptet wurde.

§ 111. Ein dritter hiehergehöriger Satz betrifft die Wärme-
leitung. Gesetzt, ein Körper nehme durch Leitung eine gewisse
Wärmemenge von einem anderen, höher temperirten, auf, und
es handle sich darum, diesen Prozess vollständig rückgängig zu
machen, d. h. die Wärme zurückzuschaffen, ohne dass ander-
weitige Veränderungen in der Natur übrig bleiben. In der Be-
schreibung des Carnot'schen umkehrbaren Kreisprozesses (§ 91)
ist schon darauf hingewiesen worden, dass man es stets in der
Hand hat, einem Wärmebehälter Wärme zu entziehen und die-
selbe auf einen wärmeren Behälter zu übertragen, ohne dass
irgendwelche andere Veränderungen zurückbleiben, als dass eine
gewisse Arbeit verbraucht ist und die ihr äquivalente Wärme
sich in einem der beiden Reservoire vorfindet. Die Aufgabe, den
Prozess der Wärmeleitung vollständig rückgängig zu machen,
wäre also gelöst, wenn man auch noch die letztgenannte Wärme
wieder entfernen und dafür die entsprechende Arbeit gewinnen
könnte, ohne anderweitige Veränderungen, was wiederum auf
das in § 109 als unausführbar bezeichnete Problem hinauskommt.

Weitere Beispiele von Prozessen, an die sich ganz dieselben
Betrachtungen knüpfen lassen, wären die Diffusion, das Gefrieren
unterkühlter Flüssigkeit, die Condensation übersättigten Dampfes,

Der zweite Hauptsatz der Wärmetheorie.
ständig rückgängig zu machen — das Wort „vollständig“ immer
in demselben Sinn genommen wie oben. Wollte man den Ver-
such dazu machen, so könnte man z. B. das Gas, nachdem es
seinen neuen Gleichgewichtszustand angenommen hat, zunächst
auf sein altes Volumen comprimiren, etwa durch Herabsinken-
lassen eines Gewichts. Dann wird äussere Arbeit aufgewendet
und zugleich das Gas entsprechend erwärmt. Damit ist an und
für sich noch nichts bewiesen, es kommt vielmehr jetzt darauf
an, das Gas ganz in seinen ehemaligen Zustand zu bringen und
das benutzte Gewicht wieder heraufzuschaffen. Leitet man nun,
um das Gas auch auf seine alte Temperatur zurückzubringen, die
Compressionswärme bei constant gehaltenem Volumen ab, etwa
in ein kühleres Wärmereservoir, so müsste, damit der Prozess
vollständig rückgängig wird, dem Reservoir die empfangene
Wärme wieder entzogen und ferner das Gewicht auf seine ur-
sprüngliche Höhe gebracht werden, ohne dass anderweitige Ver-
änderungen zurückbleiben. Das ist aber genau dieselbe Aufgabe,
deren Unausführbarkeit im vorigen Paragraphen behauptet wurde.

§ 111. Ein dritter hiehergehöriger Satz betrifft die Wärme-
leitung. Gesetzt, ein Körper nehme durch Leitung eine gewisse
Wärmemenge von einem anderen, höher temperirten, auf, und
es handle sich darum, diesen Prozess vollständig rückgängig zu
machen, d. h. die Wärme zurückzuschaffen, ohne dass ander-
weitige Veränderungen in der Natur übrig bleiben. In der Be-
schreibung des Carnot’schen umkehrbaren Kreisprozesses (§ 91)
ist schon darauf hingewiesen worden, dass man es stets in der
Hand hat, einem Wärmebehälter Wärme zu entziehen und die-
selbe auf einen wärmeren Behälter zu übertragen, ohne dass
irgendwelche andere Veränderungen zurückbleiben, als dass eine
gewisse Arbeit verbraucht ist und die ihr äquivalente Wärme
sich in einem der beiden Reservoire vorfindet. Die Aufgabe, den
Prozess der Wärmeleitung vollständig rückgängig zu machen,
wäre also gelöst, wenn man auch noch die letztgenannte Wärme
wieder entfernen und dafür die entsprechende Arbeit gewinnen
könnte, ohne anderweitige Veränderungen, was wiederum auf
das in § 109 als unausführbar bezeichnete Problem hinauskommt.

Weitere Beispiele von Prozessen, an die sich ganz dieselben
Betrachtungen knüpfen lassen, wären die Diffusion, das Gefrieren
unterkühlter Flüssigkeit, die Condensation übersättigten Dampfes,

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0092" n="76"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#i">Der zweite Hauptsatz der Wärmetheorie.</hi></fw><lb/>
ständig rückgängig zu machen &#x2014; das Wort &#x201E;vollständig&#x201C; immer<lb/>
in demselben Sinn genommen wie oben. Wollte man den Ver-<lb/>
such dazu machen, so könnte man z. B. das Gas, nachdem es<lb/>
seinen neuen Gleichgewichtszustand angenommen hat, zunächst<lb/>
auf sein altes Volumen comprimiren, etwa durch Herabsinken-<lb/>
lassen eines Gewichts. Dann wird äussere Arbeit aufgewendet<lb/>
und zugleich das Gas entsprechend erwärmt. Damit ist an und<lb/>
für sich noch nichts bewiesen, es kommt vielmehr jetzt darauf<lb/>
an, das Gas ganz in seinen ehemaligen Zustand zu bringen und<lb/>
das benutzte Gewicht wieder heraufzuschaffen. Leitet man nun,<lb/>
um das Gas auch auf seine alte Temperatur zurückzubringen, die<lb/>
Compressionswärme bei constant gehaltenem Volumen ab, etwa<lb/>
in ein kühleres Wärmereservoir, so müsste, damit der Prozess<lb/>
vollständig rückgängig wird, dem Reservoir die empfangene<lb/>
Wärme wieder entzogen und ferner das Gewicht auf seine ur-<lb/>
sprüngliche Höhe gebracht werden, ohne dass anderweitige Ver-<lb/>
änderungen zurückbleiben. Das ist aber genau dieselbe Aufgabe,<lb/>
deren Unausführbarkeit im vorigen Paragraphen behauptet wurde.</p><lb/>
          <p><hi rendition="#b">§ 111.</hi> Ein dritter hiehergehöriger Satz betrifft die Wärme-<lb/>
leitung. Gesetzt, ein Körper nehme durch Leitung eine gewisse<lb/>
Wärmemenge von einem anderen, höher temperirten, auf, und<lb/>
es handle sich darum, diesen Prozess vollständig rückgängig zu<lb/>
machen, d. h. die Wärme zurückzuschaffen, ohne dass ander-<lb/>
weitige Veränderungen in der Natur übrig bleiben. In der Be-<lb/>
schreibung des <hi rendition="#k">Carnot</hi>&#x2019;schen umkehrbaren Kreisprozesses (§ 91)<lb/>
ist schon darauf hingewiesen worden, dass man es stets in der<lb/>
Hand hat, einem Wärmebehälter Wärme zu entziehen und die-<lb/>
selbe auf einen wärmeren Behälter zu übertragen, ohne dass<lb/>
irgendwelche andere Veränderungen zurückbleiben, als dass eine<lb/>
gewisse Arbeit verbraucht ist und die ihr äquivalente Wärme<lb/>
sich in einem der beiden Reservoire vorfindet. Die Aufgabe, den<lb/>
Prozess der Wärmeleitung vollständig rückgängig zu machen,<lb/>
wäre also gelöst, wenn man auch noch die letztgenannte Wärme<lb/>
wieder entfernen und dafür die entsprechende Arbeit gewinnen<lb/>
könnte, ohne anderweitige Veränderungen, was wiederum auf<lb/>
das in § 109 als unausführbar bezeichnete Problem hinauskommt.</p><lb/>
          <p>Weitere Beispiele von Prozessen, an die sich ganz dieselben<lb/>
Betrachtungen knüpfen lassen, wären die Diffusion, das Gefrieren<lb/>
unterkühlter Flüssigkeit, die Condensation übersättigten Dampfes,<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[76/0092] Der zweite Hauptsatz der Wärmetheorie. ständig rückgängig zu machen — das Wort „vollständig“ immer in demselben Sinn genommen wie oben. Wollte man den Ver- such dazu machen, so könnte man z. B. das Gas, nachdem es seinen neuen Gleichgewichtszustand angenommen hat, zunächst auf sein altes Volumen comprimiren, etwa durch Herabsinken- lassen eines Gewichts. Dann wird äussere Arbeit aufgewendet und zugleich das Gas entsprechend erwärmt. Damit ist an und für sich noch nichts bewiesen, es kommt vielmehr jetzt darauf an, das Gas ganz in seinen ehemaligen Zustand zu bringen und das benutzte Gewicht wieder heraufzuschaffen. Leitet man nun, um das Gas auch auf seine alte Temperatur zurückzubringen, die Compressionswärme bei constant gehaltenem Volumen ab, etwa in ein kühleres Wärmereservoir, so müsste, damit der Prozess vollständig rückgängig wird, dem Reservoir die empfangene Wärme wieder entzogen und ferner das Gewicht auf seine ur- sprüngliche Höhe gebracht werden, ohne dass anderweitige Ver- änderungen zurückbleiben. Das ist aber genau dieselbe Aufgabe, deren Unausführbarkeit im vorigen Paragraphen behauptet wurde. § 111. Ein dritter hiehergehöriger Satz betrifft die Wärme- leitung. Gesetzt, ein Körper nehme durch Leitung eine gewisse Wärmemenge von einem anderen, höher temperirten, auf, und es handle sich darum, diesen Prozess vollständig rückgängig zu machen, d. h. die Wärme zurückzuschaffen, ohne dass ander- weitige Veränderungen in der Natur übrig bleiben. In der Be- schreibung des Carnot’schen umkehrbaren Kreisprozesses (§ 91) ist schon darauf hingewiesen worden, dass man es stets in der Hand hat, einem Wärmebehälter Wärme zu entziehen und die- selbe auf einen wärmeren Behälter zu übertragen, ohne dass irgendwelche andere Veränderungen zurückbleiben, als dass eine gewisse Arbeit verbraucht ist und die ihr äquivalente Wärme sich in einem der beiden Reservoire vorfindet. Die Aufgabe, den Prozess der Wärmeleitung vollständig rückgängig zu machen, wäre also gelöst, wenn man auch noch die letztgenannte Wärme wieder entfernen und dafür die entsprechende Arbeit gewinnen könnte, ohne anderweitige Veränderungen, was wiederum auf das in § 109 als unausführbar bezeichnete Problem hinauskommt. Weitere Beispiele von Prozessen, an die sich ganz dieselben Betrachtungen knüpfen lassen, wären die Diffusion, das Gefrieren unterkühlter Flüssigkeit, die Condensation übersättigten Dampfes,

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/planck_thermodynamik_1897
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/planck_thermodynamik_1897/92
Zitationshilfe: Planck, Max: Vorlesungen über Thermodynamik. Leipzig: Veit & C., 1897, S. 76. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/planck_thermodynamik_1897/92>, abgerufen am 09.05.2024.