Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Planck, Max: Vorlesungen über Thermodynamik. Leipzig: Veit & C., 1897.

Bild:
<< vorherige Seite
Der zweite Hauptsatz der Wärmetheorie.

So findet man manchmal den zweiten Hauptsatz dahin cha-
rakterisirt, dass die Verwandlung von Arbeit in Wärme voll-
ständig, die von Wärme in Arbeit dagegen nur unvollständig
stattfinden könne, in der Weise, dass jedesmal, wenn ein Quan-
tum Wärme in Arbeit verwandelt wird, zugleich nothwendiger-
weise ein anderes Quantum Wärme eine entsprechende, als
Compensation dienende Verwandlung, z. B. Uebergang von höherer
in tiefere Temperatur, durchmachen müsse. Dieser Ausspruch
ist in gewissen ganz speziellen Fällen richtig; ganz allgemein
genommen trifft er aber durchaus nicht das Wesen der Sache, wie
der Deutlichkeit halber an einem einfachen Beispiel gezeigt
werden soll. Eine der allerwichtigsten mit der Entdeckung des
Energieprincips verknüpften Errungenschaften für die Wärme-
theorie ist der in der Gleichung (19) (§ 70) ausgesprochene Satz,
dass die gesammte innere Energie eines idealen Gases lediglich
von der Temperatur abhängt und nicht vom Volumen. Lässt
man nun ein ideales Gas sich unter Arbeitsleistung ausdehnen,
und verhindert man die Abkühlung des Gases durch gleichzeitige
Zuleitung von Wärme aus einem Wärmebehälter von höherer
Temperatur, so behält das Gas mit seiner Temperatur zugleich
auch seine Energie unverändert bei, und man kann sagen, dass
die vom Reservoir abgegebene Wärme vollständig in Arbeit
verwandelt wird, ohne dass sonst irgendwo ein Energieumsatz
stattfindet. Gegen diesen Ausspruch lässt sich nicht das min-
deste Thatsächliche einwenden. Nur durch eine veränderte Be-
trachtungsweise, die aber nicht den physikalischen Thatbestand,
sondern nur die Auffassung desselben modificirt, also auch durch
Thatsachen weder gestützt noch widerlegt werden kann, lässt
sich der Satz von der "unvollständigen Verwandelbarkeit der
Wärme in Arbeit" aufrecht erhalten, nämlich mit Hülfe der
Einführung neuer, nur ad hoc ersonnener Energiearten, indem
man die Energie des Gases in mehrere Theile zerlegt, die dann
einzeln auch vom Volumen abhängen können. Diese Zerlegung
muss aber für verschiedene Fälle in verschiedener Weise vor-
genommen werden, z. B. für isothermische Prozesse anders als
für adiabatische, und erfordert auch für physikalisch einfache
Fälle ziemlich verwickelte Betrachtungen. Nun ist von vorn-
herein einleuchtend, dass man aus einer noch so künstlichen
Definition, selbst wenn sie in sich keinen Widerspruch enthält,

Der zweite Hauptsatz der Wärmetheorie.

So findet man manchmal den zweiten Hauptsatz dahin cha-
rakterisirt, dass die Verwandlung von Arbeit in Wärme voll-
ständig, die von Wärme in Arbeit dagegen nur unvollständig
stattfinden könne, in der Weise, dass jedesmal, wenn ein Quan-
tum Wärme in Arbeit verwandelt wird, zugleich nothwendiger-
weise ein anderes Quantum Wärme eine entsprechende, als
Compensation dienende Verwandlung, z. B. Uebergang von höherer
in tiefere Temperatur, durchmachen müsse. Dieser Ausspruch
ist in gewissen ganz speziellen Fällen richtig; ganz allgemein
genommen trifft er aber durchaus nicht das Wesen der Sache, wie
der Deutlichkeit halber an einem einfachen Beispiel gezeigt
werden soll. Eine der allerwichtigsten mit der Entdeckung des
Energieprincips verknüpften Errungenschaften für die Wärme-
theorie ist der in der Gleichung (19) (§ 70) ausgesprochene Satz,
dass die gesammte innere Energie eines idealen Gases lediglich
von der Temperatur abhängt und nicht vom Volumen. Lässt
man nun ein ideales Gas sich unter Arbeitsleistung ausdehnen,
und verhindert man die Abkühlung des Gases durch gleichzeitige
Zuleitung von Wärme aus einem Wärmebehälter von höherer
Temperatur, so behält das Gas mit seiner Temperatur zugleich
auch seine Energie unverändert bei, und man kann sagen, dass
die vom Reservoir abgegebene Wärme vollständig in Arbeit
verwandelt wird, ohne dass sonst irgendwo ein Energieumsatz
stattfindet. Gegen diesen Ausspruch lässt sich nicht das min-
deste Thatsächliche einwenden. Nur durch eine veränderte Be-
trachtungsweise, die aber nicht den physikalischen Thatbestand,
sondern nur die Auffassung desselben modificirt, also auch durch
Thatsachen weder gestützt noch widerlegt werden kann, lässt
sich der Satz von der „unvollständigen Verwandelbarkeit der
Wärme in Arbeit“ aufrecht erhalten, nämlich mit Hülfe der
Einführung neuer, nur ad hoc ersonnener Energiearten, indem
man die Energie des Gases in mehrere Theile zerlegt, die dann
einzeln auch vom Volumen abhängen können. Diese Zerlegung
muss aber für verschiedene Fälle in verschiedener Weise vor-
genommen werden, z. B. für isothermische Prozesse anders als
für adiabatische, und erfordert auch für physikalisch einfache
Fälle ziemlich verwickelte Betrachtungen. Nun ist von vorn-
herein einleuchtend, dass man aus einer noch so künstlichen
Definition, selbst wenn sie in sich keinen Widerspruch enthält,

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <pb facs="#f0090" n="74"/>
          <fw place="top" type="header"><hi rendition="#i">Der zweite Hauptsatz der Wärmetheorie</hi>.</fw><lb/>
          <p>So findet man manchmal den zweiten Hauptsatz dahin cha-<lb/>
rakterisirt, dass die Verwandlung von Arbeit in Wärme voll-<lb/>
ständig, die von Wärme in Arbeit dagegen nur unvollständig<lb/>
stattfinden könne, in der Weise, dass jedesmal, wenn ein Quan-<lb/>
tum Wärme in Arbeit verwandelt wird, zugleich nothwendiger-<lb/>
weise ein anderes Quantum Wärme eine entsprechende, als<lb/>
Compensation dienende Verwandlung, z. B. Uebergang von höherer<lb/>
in tiefere Temperatur, durchmachen müsse. Dieser Ausspruch<lb/>
ist in gewissen ganz speziellen Fällen richtig; ganz allgemein<lb/>
genommen trifft er aber durchaus nicht das Wesen der Sache, wie<lb/>
der Deutlichkeit halber an einem einfachen Beispiel gezeigt<lb/>
werden soll. Eine der allerwichtigsten mit der Entdeckung des<lb/>
Energieprincips verknüpften Errungenschaften für die Wärme-<lb/>
theorie ist der in der Gleichung (19) (§ 70) ausgesprochene Satz,<lb/>
dass die gesammte innere Energie eines idealen Gases lediglich<lb/>
von der Temperatur abhängt und nicht vom Volumen. Lässt<lb/>
man nun ein ideales Gas sich unter Arbeitsleistung ausdehnen,<lb/>
und verhindert man die Abkühlung des Gases durch gleichzeitige<lb/>
Zuleitung von Wärme aus einem Wärmebehälter von höherer<lb/>
Temperatur, so behält das Gas mit seiner Temperatur zugleich<lb/>
auch seine Energie unverändert bei, und man kann sagen, dass<lb/>
die vom Reservoir abgegebene Wärme vollständig in Arbeit<lb/>
verwandelt wird, ohne dass sonst irgendwo ein Energieumsatz<lb/>
stattfindet. Gegen diesen Ausspruch lässt sich nicht das min-<lb/>
deste Thatsächliche einwenden. Nur durch eine veränderte Be-<lb/>
trachtungsweise, die aber nicht den physikalischen Thatbestand,<lb/>
sondern nur die Auffassung desselben modificirt, also auch durch<lb/>
Thatsachen weder gestützt noch widerlegt werden kann, lässt<lb/>
sich der Satz von der &#x201E;unvollständigen Verwandelbarkeit der<lb/>
Wärme in Arbeit&#x201C; aufrecht erhalten, nämlich mit Hülfe der<lb/>
Einführung neuer, nur <hi rendition="#i">ad hoc</hi> ersonnener Energiearten, indem<lb/>
man die Energie des Gases in mehrere Theile zerlegt, die dann<lb/>
einzeln auch vom Volumen abhängen können. Diese Zerlegung<lb/>
muss aber für verschiedene Fälle in verschiedener Weise vor-<lb/>
genommen werden, z. B. für isothermische Prozesse anders als<lb/>
für adiabatische, und erfordert auch für physikalisch einfache<lb/>
Fälle ziemlich verwickelte Betrachtungen. Nun ist von vorn-<lb/>
herein einleuchtend, dass man aus einer noch so künstlichen<lb/>
Definition, selbst wenn sie in sich keinen Widerspruch enthält,<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[74/0090] Der zweite Hauptsatz der Wärmetheorie. So findet man manchmal den zweiten Hauptsatz dahin cha- rakterisirt, dass die Verwandlung von Arbeit in Wärme voll- ständig, die von Wärme in Arbeit dagegen nur unvollständig stattfinden könne, in der Weise, dass jedesmal, wenn ein Quan- tum Wärme in Arbeit verwandelt wird, zugleich nothwendiger- weise ein anderes Quantum Wärme eine entsprechende, als Compensation dienende Verwandlung, z. B. Uebergang von höherer in tiefere Temperatur, durchmachen müsse. Dieser Ausspruch ist in gewissen ganz speziellen Fällen richtig; ganz allgemein genommen trifft er aber durchaus nicht das Wesen der Sache, wie der Deutlichkeit halber an einem einfachen Beispiel gezeigt werden soll. Eine der allerwichtigsten mit der Entdeckung des Energieprincips verknüpften Errungenschaften für die Wärme- theorie ist der in der Gleichung (19) (§ 70) ausgesprochene Satz, dass die gesammte innere Energie eines idealen Gases lediglich von der Temperatur abhängt und nicht vom Volumen. Lässt man nun ein ideales Gas sich unter Arbeitsleistung ausdehnen, und verhindert man die Abkühlung des Gases durch gleichzeitige Zuleitung von Wärme aus einem Wärmebehälter von höherer Temperatur, so behält das Gas mit seiner Temperatur zugleich auch seine Energie unverändert bei, und man kann sagen, dass die vom Reservoir abgegebene Wärme vollständig in Arbeit verwandelt wird, ohne dass sonst irgendwo ein Energieumsatz stattfindet. Gegen diesen Ausspruch lässt sich nicht das min- deste Thatsächliche einwenden. Nur durch eine veränderte Be- trachtungsweise, die aber nicht den physikalischen Thatbestand, sondern nur die Auffassung desselben modificirt, also auch durch Thatsachen weder gestützt noch widerlegt werden kann, lässt sich der Satz von der „unvollständigen Verwandelbarkeit der Wärme in Arbeit“ aufrecht erhalten, nämlich mit Hülfe der Einführung neuer, nur ad hoc ersonnener Energiearten, indem man die Energie des Gases in mehrere Theile zerlegt, die dann einzeln auch vom Volumen abhängen können. Diese Zerlegung muss aber für verschiedene Fälle in verschiedener Weise vor- genommen werden, z. B. für isothermische Prozesse anders als für adiabatische, und erfordert auch für physikalisch einfache Fälle ziemlich verwickelte Betrachtungen. Nun ist von vorn- herein einleuchtend, dass man aus einer noch so künstlichen Definition, selbst wenn sie in sich keinen Widerspruch enthält,

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/planck_thermodynamik_1897
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/planck_thermodynamik_1897/90
Zitationshilfe: Planck, Max: Vorlesungen über Thermodynamik. Leipzig: Veit & C., 1897, S. 74. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/planck_thermodynamik_1897/90>, abgerufen am 25.11.2024.