Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Planck, Max: Vorlesungen über Thermodynamik. Leipzig: Veit & C., 1897.

Bild:
<< vorherige Seite

Anwendungen auf spezielle Gleichgewichtszustände.
Hier bedeutet v das spezifische Volumen der Lösung, also das
Produkt n0 m0 v nahezu das ganze Volumen der Lösung: V, und
daraus folgt:
[Formel 1] ,
eine Beziehung, die nach (16) identisch ist mit der Zustands-
gleichung einer Mischung idealer Gase mit den Molekülzahlen
n1, n2, n3, ....

§ 273. Jeder der in den letzten Paragraphen abgeleiteten
Sätze enthält eine Methode zur Bestimmung der Gesammtzahl
(n1 + n2 + ....) der in einer verdünnten Lösung vorhandenen
fremden Moleküle. Wenn diese durch eine derartige Messung
gefundene Zahl eine Abweichung zeigt von der aus dem Prozent-
gehalt der Lösung unter der Annahme normaler Moleküle be-
rechneten Zahl, so muss also nach der entwickelten Theorie
nothwendig eine chemische Veränderung der gelösten Moleküle
durch Dissociation, Association, Hydrolyse oder dgl. eingetreten
sein, -- eine Folgerung, die grosse Bedeutung erlangt hat für
die Beurtheilung der chemischen Natur verdünnter Lösungen.

Doch ist der Schluss aus der Gesammtmolekülzahl auf die
Zahl und Beschaffenheit der einzelnen Molekülarten in der
Lösung nur in ganz speziellen Fällen eindeutig, nämlich dann,
wenn der gelöste Stoff in der Lösung nur auf eine einzige Weise
eine chemische Umwandlung erfährt. Denn dann hat man in
der bekannten Gesammtmasse des gelösten Stoffes und in der
bekannten Gesammtzahl der von ihm in der Lösung wirklich
gebildeten Moleküle gerade die nöthigen Daten, um die Zahlen
aller einzelnen Molekülarten zu berechnen. Wir haben aber
schon früher (§ 259) bemerkt, dass dieser Fall genau genommen
nur eine Ausnahme bildet, da in der Lösung nothwendig alle
Molekülarten, welche überhaupt möglich sind, in endlicher
Anzahl vorkommen müssen. Sobald nun neben einer bestimmten
Art der chemischen Umwandlung (z. B. H2SO4 in 2H+ und S-O-4)
eine zweite Art der Umwandlung (z. B. H2SO4 in H+ und HS-O4)
merklich wird, übersteigt die Zahl der Unbekannten die der zu
ihrer Bestimmung dienenden Gleichungen, und die Analyse des
Gleichgewichtszustandes bleibt unbestimmt. Daher besteht z. B.
im Allgemeinen gar kein bestimmter Zusammenhang zwischen der

Anwendungen auf spezielle Gleichgewichtszustände.
Hier bedeutet v das spezifische Volumen der Lösung, also das
Produkt n0 m0 v nahezu das ganze Volumen der Lösung: V, und
daraus folgt:
[Formel 1] ,
eine Beziehung, die nach (16) identisch ist mit der Zustands-
gleichung einer Mischung idealer Gase mit den Molekülzahlen
n1, n2, n3, ....

§ 273. Jeder der in den letzten Paragraphen abgeleiteten
Sätze enthält eine Methode zur Bestimmung der Gesammtzahl
(n1 + n2 + ....) der in einer verdünnten Lösung vorhandenen
fremden Moleküle. Wenn diese durch eine derartige Messung
gefundene Zahl eine Abweichung zeigt von der aus dem Prozent-
gehalt der Lösung unter der Annahme normaler Moleküle be-
rechneten Zahl, so muss also nach der entwickelten Theorie
nothwendig eine chemische Veränderung der gelösten Moleküle
durch Dissociation, Association, Hydrolyse oder dgl. eingetreten
sein, — eine Folgerung, die grosse Bedeutung erlangt hat für
die Beurtheilung der chemischen Natur verdünnter Lösungen.

Doch ist der Schluss aus der Gesammtmolekülzahl auf die
Zahl und Beschaffenheit der einzelnen Molekülarten in der
Lösung nur in ganz speziellen Fällen eindeutig, nämlich dann,
wenn der gelöste Stoff in der Lösung nur auf eine einzige Weise
eine chemische Umwandlung erfährt. Denn dann hat man in
der bekannten Gesammtmasse des gelösten Stoffes und in der
bekannten Gesammtzahl der von ihm in der Lösung wirklich
gebildeten Moleküle gerade die nöthigen Daten, um die Zahlen
aller einzelnen Molekülarten zu berechnen. Wir haben aber
schon früher (§ 259) bemerkt, dass dieser Fall genau genommen
nur eine Ausnahme bildet, da in der Lösung nothwendig alle
Molekülarten, welche überhaupt möglich sind, in endlicher
Anzahl vorkommen müssen. Sobald nun neben einer bestimmten
Art der chemischen Umwandlung (z. B. H2SO4 in 2H⁺ und S⁻O⁻4)
eine zweite Art der Umwandlung (z. B. H2SO4 in H⁺ und HS⁻O4)
merklich wird, übersteigt die Zahl der Unbekannten die der zu
ihrer Bestimmung dienenden Gleichungen, und die Analyse des
Gleichgewichtszustandes bleibt unbestimmt. Daher besteht z. B.
im Allgemeinen gar kein bestimmter Zusammenhang zwischen der

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0252" n="236"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#i">Anwendungen auf spezielle Gleichgewichtszustände.</hi></fw><lb/>
Hier bedeutet <hi rendition="#i">v</hi> das spezifische Volumen der Lösung, also das<lb/>
Produkt <hi rendition="#i">n</hi><hi rendition="#sub">0</hi> <hi rendition="#i">m</hi><hi rendition="#sub">0</hi> <hi rendition="#i">v</hi> nahezu das ganze Volumen der Lösung: <hi rendition="#i">V</hi>, und<lb/>
daraus folgt:<lb/><hi rendition="#c"><formula/>,</hi><lb/>
eine Beziehung, die nach (16) identisch ist mit der Zustands-<lb/>
gleichung einer Mischung idealer Gase mit den Molekülzahlen<lb/><hi rendition="#i">n</hi><hi rendition="#sub">1</hi>, <hi rendition="#i">n</hi><hi rendition="#sub">2</hi>, <hi rendition="#i">n</hi><hi rendition="#sub">3</hi>, ....</p><lb/>
          <p><hi rendition="#b">§ 273.</hi> Jeder der in den letzten Paragraphen abgeleiteten<lb/>
Sätze enthält eine Methode zur Bestimmung der Gesammtzahl<lb/>
(<hi rendition="#i">n</hi><hi rendition="#sub">1</hi> + <hi rendition="#i">n</hi><hi rendition="#sub">2</hi> + ....) der in einer verdünnten Lösung vorhandenen<lb/>
fremden Moleküle. Wenn diese durch eine derartige Messung<lb/>
gefundene Zahl eine Abweichung zeigt von der aus dem Prozent-<lb/>
gehalt der Lösung unter der Annahme normaler Moleküle be-<lb/>
rechneten Zahl, so muss also nach der entwickelten Theorie<lb/>
nothwendig eine chemische Veränderung der gelösten Moleküle<lb/>
durch Dissociation, Association, Hydrolyse oder dgl. eingetreten<lb/>
sein, &#x2014; eine Folgerung, die grosse Bedeutung erlangt hat für<lb/>
die Beurtheilung der chemischen Natur verdünnter Lösungen.</p><lb/>
          <p>Doch ist der Schluss aus der Gesammtmolekülzahl auf die<lb/>
Zahl und Beschaffenheit der einzelnen Molekülarten in der<lb/>
Lösung nur in ganz speziellen Fällen eindeutig, nämlich dann,<lb/>
wenn der gelöste Stoff in der Lösung nur auf eine einzige Weise<lb/>
eine chemische Umwandlung erfährt. Denn dann hat man in<lb/>
der bekannten Gesammtmasse des gelösten Stoffes und in der<lb/>
bekannten Gesammtzahl der von ihm in der Lösung wirklich<lb/>
gebildeten Moleküle gerade die nöthigen Daten, um die Zahlen<lb/>
aller einzelnen Molekülarten zu berechnen. Wir haben aber<lb/>
schon früher (§ 259) bemerkt, dass dieser Fall genau genommen<lb/>
nur eine Ausnahme bildet, da in der Lösung nothwendig alle<lb/>
Molekülarten, welche überhaupt möglich sind, in endlicher<lb/>
Anzahl vorkommen müssen. Sobald nun neben einer bestimmten<lb/>
Art der chemischen Umwandlung (z. B. H<hi rendition="#sub">2</hi>SO<hi rendition="#sub">4</hi> in 2H&#x207A; und S&#x207B;O&#x207B;<hi rendition="#sub">4</hi>)<lb/>
eine zweite Art der Umwandlung (z. B. H<hi rendition="#sub">2</hi>SO<hi rendition="#sub">4</hi> in H&#x207A; und HS&#x207B;O<hi rendition="#sub">4</hi>)<lb/>
merklich wird, übersteigt die Zahl der Unbekannten die der zu<lb/>
ihrer Bestimmung dienenden Gleichungen, und die Analyse des<lb/>
Gleichgewichtszustandes bleibt unbestimmt. Daher besteht z. B.<lb/>
im Allgemeinen gar kein bestimmter Zusammenhang zwischen der<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[236/0252] Anwendungen auf spezielle Gleichgewichtszustände. Hier bedeutet v das spezifische Volumen der Lösung, also das Produkt n0 m0 v nahezu das ganze Volumen der Lösung: V, und daraus folgt: [FORMEL], eine Beziehung, die nach (16) identisch ist mit der Zustands- gleichung einer Mischung idealer Gase mit den Molekülzahlen n1, n2, n3, .... § 273. Jeder der in den letzten Paragraphen abgeleiteten Sätze enthält eine Methode zur Bestimmung der Gesammtzahl (n1 + n2 + ....) der in einer verdünnten Lösung vorhandenen fremden Moleküle. Wenn diese durch eine derartige Messung gefundene Zahl eine Abweichung zeigt von der aus dem Prozent- gehalt der Lösung unter der Annahme normaler Moleküle be- rechneten Zahl, so muss also nach der entwickelten Theorie nothwendig eine chemische Veränderung der gelösten Moleküle durch Dissociation, Association, Hydrolyse oder dgl. eingetreten sein, — eine Folgerung, die grosse Bedeutung erlangt hat für die Beurtheilung der chemischen Natur verdünnter Lösungen. Doch ist der Schluss aus der Gesammtmolekülzahl auf die Zahl und Beschaffenheit der einzelnen Molekülarten in der Lösung nur in ganz speziellen Fällen eindeutig, nämlich dann, wenn der gelöste Stoff in der Lösung nur auf eine einzige Weise eine chemische Umwandlung erfährt. Denn dann hat man in der bekannten Gesammtmasse des gelösten Stoffes und in der bekannten Gesammtzahl der von ihm in der Lösung wirklich gebildeten Moleküle gerade die nöthigen Daten, um die Zahlen aller einzelnen Molekülarten zu berechnen. Wir haben aber schon früher (§ 259) bemerkt, dass dieser Fall genau genommen nur eine Ausnahme bildet, da in der Lösung nothwendig alle Molekülarten, welche überhaupt möglich sind, in endlicher Anzahl vorkommen müssen. Sobald nun neben einer bestimmten Art der chemischen Umwandlung (z. B. H2SO4 in 2H⁺ und S⁻O⁻4) eine zweite Art der Umwandlung (z. B. H2SO4 in H⁺ und HS⁻O4) merklich wird, übersteigt die Zahl der Unbekannten die der zu ihrer Bestimmung dienenden Gleichungen, und die Analyse des Gleichgewichtszustandes bleibt unbestimmt. Daher besteht z. B. im Allgemeinen gar kein bestimmter Zusammenhang zwischen der

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/planck_thermodynamik_1897
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/planck_thermodynamik_1897/252
Zitationshilfe: Planck, Max: Vorlesungen über Thermodynamik. Leipzig: Veit & C., 1897, S. 236. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/planck_thermodynamik_1897/252>, abgerufen am 25.11.2024.