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Planck, Max: Vorlesungen über Thermodynamik. Leipzig: Veit & C., 1897.

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Anwendungen auf spezielle Gleichgewichtszustände.

§ 208. Wenn ferner:
b = a,
so bilden a unabhängige Bestandtheile a Phasen. Dann ist die
innere Beschaffenheit aller Phasen noch von 2 Variabeln ab-
hängig, z. B. von Temperatur und Druck. Ein Beispiel für
a = 1 liefert jede Substanz in homogenem Zustand, eins für a = 2
eine flüssige Lösung eines Salzes in Berührung mit ihrem Dampf.
Durch Temperatur und Druck ist die Concentration sowohl in
der Lösung als auch im Dampf bestimmt. Häufig werden nicht
Temperatur und Druck, sondern statt dessen die Concentration der
flüssigen Lösung, entweder zusammen mit der Temperatur, oder
zusammen mit dem Druck, als die beiden unabhängigen Variabeln
genommen. Im ersteren Falle sagt man, dass eine Lösung von
beliebig gewählter Concentration bei beliebig gewählter Tempe-
ratur einen Dampf von bestimmter Zusammensetzung und von
bestimmter Spannung aussendet; im zweiten Falle sagt man,
dass eine Lösung von beliebig gewählter Concentration bei be-
liebig gewähltem Druck einen bestimmten Siedepunkt besitzt,
bei dem ein Dampf von bestimmter Zusammensetzung abdestillirt.

Ganz entsprechende Gesetzmässigkeiten ergeben sich, wenn
die zweite Phase nicht dampfförmig, sondern fest (Salz, Eis) oder
flüssig ist, wie bei zwei Flüssigkeiten, die sich nicht in allen
Verhältnissen mischen. Immer hängt die innere Beschaffenheit
der beiden Phasen, also im letzten Beispiel auch die Con-
centrationen in den beiden über einander geschichteten Lösungen,
von zwei Variabeln ab, etwa Druck und Temperatur. Wenn
in einem speziellen Fall diese Concentrationen einander gleich
werden, erhält man eine Erscheinung, die ganz analog ist dem
Phänomen des kritischen Punktes bei einer homogenen Substanz
(kritische Lösungstemperatur zweier Flüssigkeiten).

§ 209. Betrachten wir endlich noch kurz den Fall:
b = a -- 1.
Hier ist die Zahl der Phasen um Eins geringer als die der
unabhängigen Bestandtheile, und die innere Beschaffenheit aller
Phasen hängt also ausser von Temperatur und Druck noch von
einer dritten willkührlich zu wählenden Variabeln ab. So ist z. B.
a = 3, b = 2 für eine wässrige Lösung zweier isomorpher Sub-
stanzen (Kaliumchlorat und Thalliumchlorat) in Berührung mit

Anwendungen auf spezielle Gleichgewichtszustände.

§ 208. Wenn ferner:
β = α,
so bilden α unabhängige Bestandtheile α Phasen. Dann ist die
innere Beschaffenheit aller Phasen noch von 2 Variabeln ab-
hängig, z. B. von Temperatur und Druck. Ein Beispiel für
α = 1 liefert jede Substanz in homogenem Zustand, eins für α = 2
eine flüssige Lösung eines Salzes in Berührung mit ihrem Dampf.
Durch Temperatur und Druck ist die Concentration sowohl in
der Lösung als auch im Dampf bestimmt. Häufig werden nicht
Temperatur und Druck, sondern statt dessen die Concentration der
flüssigen Lösung, entweder zusammen mit der Temperatur, oder
zusammen mit dem Druck, als die beiden unabhängigen Variabeln
genommen. Im ersteren Falle sagt man, dass eine Lösung von
beliebig gewählter Concentration bei beliebig gewählter Tempe-
ratur einen Dampf von bestimmter Zusammensetzung und von
bestimmter Spannung aussendet; im zweiten Falle sagt man,
dass eine Lösung von beliebig gewählter Concentration bei be-
liebig gewähltem Druck einen bestimmten Siedepunkt besitzt,
bei dem ein Dampf von bestimmter Zusammensetzung abdestillirt.

Ganz entsprechende Gesetzmässigkeiten ergeben sich, wenn
die zweite Phase nicht dampfförmig, sondern fest (Salz, Eis) oder
flüssig ist, wie bei zwei Flüssigkeiten, die sich nicht in allen
Verhältnissen mischen. Immer hängt die innere Beschaffenheit
der beiden Phasen, also im letzten Beispiel auch die Con-
centrationen in den beiden über einander geschichteten Lösungen,
von zwei Variabeln ab, etwa Druck und Temperatur. Wenn
in einem speziellen Fall diese Concentrationen einander gleich
werden, erhält man eine Erscheinung, die ganz analog ist dem
Phänomen des kritischen Punktes bei einer homogenen Substanz
(kritische Lösungstemperatur zweier Flüssigkeiten).

§ 209. Betrachten wir endlich noch kurz den Fall:
β = α — 1.
Hier ist die Zahl der Phasen um Eins geringer als die der
unabhängigen Bestandtheile, und die innere Beschaffenheit aller
Phasen hängt also ausser von Temperatur und Druck noch von
einer dritten willkührlich zu wählenden Variabeln ab. So ist z. B.
α = 3, β = 2 für eine wässrige Lösung zweier isomorpher Sub-
stanzen (Kaliumchlorat und Thalliumchlorat) in Berührung mit

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[172/0188] Anwendungen auf spezielle Gleichgewichtszustände. § 208. Wenn ferner: β = α, so bilden α unabhängige Bestandtheile α Phasen. Dann ist die innere Beschaffenheit aller Phasen noch von 2 Variabeln ab- hängig, z. B. von Temperatur und Druck. Ein Beispiel für α = 1 liefert jede Substanz in homogenem Zustand, eins für α = 2 eine flüssige Lösung eines Salzes in Berührung mit ihrem Dampf. Durch Temperatur und Druck ist die Concentration sowohl in der Lösung als auch im Dampf bestimmt. Häufig werden nicht Temperatur und Druck, sondern statt dessen die Concentration der flüssigen Lösung, entweder zusammen mit der Temperatur, oder zusammen mit dem Druck, als die beiden unabhängigen Variabeln genommen. Im ersteren Falle sagt man, dass eine Lösung von beliebig gewählter Concentration bei beliebig gewählter Tempe- ratur einen Dampf von bestimmter Zusammensetzung und von bestimmter Spannung aussendet; im zweiten Falle sagt man, dass eine Lösung von beliebig gewählter Concentration bei be- liebig gewähltem Druck einen bestimmten Siedepunkt besitzt, bei dem ein Dampf von bestimmter Zusammensetzung abdestillirt. Ganz entsprechende Gesetzmässigkeiten ergeben sich, wenn die zweite Phase nicht dampfförmig, sondern fest (Salz, Eis) oder flüssig ist, wie bei zwei Flüssigkeiten, die sich nicht in allen Verhältnissen mischen. Immer hängt die innere Beschaffenheit der beiden Phasen, also im letzten Beispiel auch die Con- centrationen in den beiden über einander geschichteten Lösungen, von zwei Variabeln ab, etwa Druck und Temperatur. Wenn in einem speziellen Fall diese Concentrationen einander gleich werden, erhält man eine Erscheinung, die ganz analog ist dem Phänomen des kritischen Punktes bei einer homogenen Substanz (kritische Lösungstemperatur zweier Flüssigkeiten). § 209. Betrachten wir endlich noch kurz den Fall: β = α — 1. Hier ist die Zahl der Phasen um Eins geringer als die der unabhängigen Bestandtheile, und die innere Beschaffenheit aller Phasen hängt also ausser von Temperatur und Druck noch von einer dritten willkührlich zu wählenden Variabeln ab. So ist z. B. α = 3, β = 2 für eine wässrige Lösung zweier isomorpher Sub- stanzen (Kaliumchlorat und Thalliumchlorat) in Berührung mit

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Zitationshilfe: Planck, Max: Vorlesungen über Thermodynamik. Leipzig: Veit & C., 1897, S. 172. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/planck_thermodynamik_1897/188>, abgerufen am 27.11.2024.