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Planck, Max: Vorlesungen über Thermodynamik. Leipzig: Veit & C., 1897.

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Vorwort.
dynamik, indem sie sich auf die wichtigste Voraussetzung der
mechanischen Wärmetheorie beschränkt, dass Wärme auf Be-
wegung beruht, dagegen auf ein Spezialisiren der Vorstellungen
von der Natur dieser Bewegungen zunächst grundsätzlich ver-
zichtet. Dieser Standpunkt ist sicherer als der vorige, er gewährt
auch die volle philosophische Befriedigung, die die mechanische
Naturauffassung überhaupt liefert, aber der Halt, den er bietet,
ist bis jetzt nicht breit genug, um darauf eine Theorie im Ein-
zelnen aufzubauen. Alles, was man von ihm ausgehend erreichen
kann, ist die Bestätigung einiger allgemeiner schon anderweitig
direkt aus der Erfahrung abgeleiteter Gesetze.

Am fruchtbarsten hat sich bisher eine dritte Behandlung
der Thermodynamik erwiesen. Diese Methode unterscheidet sich
von den beiden zuerst besprochenen wesentlich dadurch, dass
sie die mechanische Natur der Wärme nicht in den Vordergrund
stellt, sondern, indem sie sich bestimmter Annahmen über das
Wesen der Wärme ganz enthält, statt dessen direkt von einigen
sehr allgemeinen Erfahrungsthatsachen, hauptsächlich von den
sogenannten beiden Hauptsätzen der Wärmelehre, ausgeht.
Daraus ergeben sich dann auf rein logischem Wege eine grosse
Reihe neuer Sätze der Physik und Chemie, die sich weitgehender
Anwendungen fähig gezeigt und bis jetzt überall ausnahmslos
bewährt haben.

Diese letzte, mehr induktive, Behandlungsart, welche im
vorliegenden Werke ausschliesslich benutzt ist, entspricht wohl
am besten dem heutigen Stande der Wissenschaft, sie ist aber
kaum als die abschliessende zu betrachten, sondern wird wahr-
scheinlich künftig einmal einer mechanischen oder vielleicht auch
einer elektromagnetischen Betrachtungsweise Platz machen müssen.
Denn wenn es auch eine Zeitlang Vortheil gewähren mag, die
einzelnen Wirkungen der Natur: Wärme, Bewegung, Elek-
tricität u. s. w. zunächst als qualitativ verschieden voneinander
einzuführen und die Frage nach ihrer etwaigen Wesensgemein-
schaft zu unterdrücken, so wird doch unser durch die Ent-
deckung des Princips der Erhaltung der Energie so mächtig ge-
fördertes Streben nach einer einheitlichen Naturanschauung,
sei es auf mechanischer oder auf anderer Grundlage, sich nie-
mals auf die Dauer zurückhalten lassen; würde doch schon heute
ein Zurücktreten von der Annahme der Wesensgleichheit aller

Vorwort.
dynamik, indem sie sich auf die wichtigste Voraussetzung der
mechanischen Wärmetheorie beschränkt, dass Wärme auf Be-
wegung beruht, dagegen auf ein Spezialisiren der Vorstellungen
von der Natur dieser Bewegungen zunächst grundsätzlich ver-
zichtet. Dieser Standpunkt ist sicherer als der vorige, er gewährt
auch die volle philosophische Befriedigung, die die mechanische
Naturauffassung überhaupt liefert, aber der Halt, den er bietet,
ist bis jetzt nicht breit genug, um darauf eine Theorie im Ein-
zelnen aufzubauen. Alles, was man von ihm ausgehend erreichen
kann, ist die Bestätigung einiger allgemeiner schon anderweitig
direkt aus der Erfahrung abgeleiteter Gesetze.

Am fruchtbarsten hat sich bisher eine dritte Behandlung
der Thermodynamik erwiesen. Diese Methode unterscheidet sich
von den beiden zuerst besprochenen wesentlich dadurch, dass
sie die mechanische Natur der Wärme nicht in den Vordergrund
stellt, sondern, indem sie sich bestimmter Annahmen über das
Wesen der Wärme ganz enthält, statt dessen direkt von einigen
sehr allgemeinen Erfahrungsthatsachen, hauptsächlich von den
sogenannten beiden Hauptsätzen der Wärmelehre, ausgeht.
Daraus ergeben sich dann auf rein logischem Wege eine grosse
Reihe neuer Sätze der Physik und Chemie, die sich weitgehender
Anwendungen fähig gezeigt und bis jetzt überall ausnahmslos
bewährt haben.

Diese letzte, mehr induktive, Behandlungsart, welche im
vorliegenden Werke ausschliesslich benutzt ist, entspricht wohl
am besten dem heutigen Stande der Wissenschaft, sie ist aber
kaum als die abschliessende zu betrachten, sondern wird wahr-
scheinlich künftig einmal einer mechanischen oder vielleicht auch
einer elektromagnetischen Betrachtungsweise Platz machen müssen.
Denn wenn es auch eine Zeitlang Vortheil gewähren mag, die
einzelnen Wirkungen der Natur: Wärme, Bewegung, Elek-
tricität u. s. w. zunächst als qualitativ verschieden voneinander
einzuführen und die Frage nach ihrer etwaigen Wesensgemein-
schaft zu unterdrücken, so wird doch unser durch die Ent-
deckung des Princips der Erhaltung der Energie so mächtig ge-
fördertes Streben nach einer einheitlichen Naturanschauung,
sei es auf mechanischer oder auf anderer Grundlage, sich nie-
mals auf die Dauer zurückhalten lassen; würde doch schon heute
ein Zurücktreten von der Annahme der Wesensgleichheit aller

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[V/0013] Vorwort. dynamik, indem sie sich auf die wichtigste Voraussetzung der mechanischen Wärmetheorie beschränkt, dass Wärme auf Be- wegung beruht, dagegen auf ein Spezialisiren der Vorstellungen von der Natur dieser Bewegungen zunächst grundsätzlich ver- zichtet. Dieser Standpunkt ist sicherer als der vorige, er gewährt auch die volle philosophische Befriedigung, die die mechanische Naturauffassung überhaupt liefert, aber der Halt, den er bietet, ist bis jetzt nicht breit genug, um darauf eine Theorie im Ein- zelnen aufzubauen. Alles, was man von ihm ausgehend erreichen kann, ist die Bestätigung einiger allgemeiner schon anderweitig direkt aus der Erfahrung abgeleiteter Gesetze. Am fruchtbarsten hat sich bisher eine dritte Behandlung der Thermodynamik erwiesen. Diese Methode unterscheidet sich von den beiden zuerst besprochenen wesentlich dadurch, dass sie die mechanische Natur der Wärme nicht in den Vordergrund stellt, sondern, indem sie sich bestimmter Annahmen über das Wesen der Wärme ganz enthält, statt dessen direkt von einigen sehr allgemeinen Erfahrungsthatsachen, hauptsächlich von den sogenannten beiden Hauptsätzen der Wärmelehre, ausgeht. Daraus ergeben sich dann auf rein logischem Wege eine grosse Reihe neuer Sätze der Physik und Chemie, die sich weitgehender Anwendungen fähig gezeigt und bis jetzt überall ausnahmslos bewährt haben. Diese letzte, mehr induktive, Behandlungsart, welche im vorliegenden Werke ausschliesslich benutzt ist, entspricht wohl am besten dem heutigen Stande der Wissenschaft, sie ist aber kaum als die abschliessende zu betrachten, sondern wird wahr- scheinlich künftig einmal einer mechanischen oder vielleicht auch einer elektromagnetischen Betrachtungsweise Platz machen müssen. Denn wenn es auch eine Zeitlang Vortheil gewähren mag, die einzelnen Wirkungen der Natur: Wärme, Bewegung, Elek- tricität u. s. w. zunächst als qualitativ verschieden voneinander einzuführen und die Frage nach ihrer etwaigen Wesensgemein- schaft zu unterdrücken, so wird doch unser durch die Ent- deckung des Princips der Erhaltung der Energie so mächtig ge- fördertes Streben nach einer einheitlichen Naturanschauung, sei es auf mechanischer oder auf anderer Grundlage, sich nie- mals auf die Dauer zurückhalten lassen; würde doch schon heute ein Zurücktreten von der Annahme der Wesensgleichheit aller

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Zitationshilfe: Planck, Max: Vorlesungen über Thermodynamik. Leipzig: Veit & C., 1897, S. V. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/planck_thermodynamik_1897/13>, abgerufen am 27.04.2024.