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Pinter von der Au, Johann Christoph: Neuer, vollkommener, verbesserter und ergänzter Pferd-Schatz. Frankfurt (Main), 1688.

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Pferde-Schatz.
[Spaltenumbruch] schafften gezieret/ nur daß der Mensch dieselbe zu dem
rechten Gebrauch/ durch sein fleissiges Nachsinnen
und Bemühung weiter tüchtig mache/ inmassen die
Menschen selbst ihr Pfund durch anderer Menschen
Anleitung und Hülffe/ zu der rechten Ubung brin-
gen müssen/ damit sie allerseits/ ihre Zeit/ vielmehr mit
nutzlichem Nachsinnen und nothwendigen Hand-
lungen/ als verderblichem Müssiggang zu bringen/
unter welchen diejenigen das gröste Lob und Ver-
dienst erlangen sollen/ welche ihre von GOtt erhalte-
ne Gaben/ nicht nur ihnen selber/ sondern vornemlich
zur Ehr GOttes und des Nechsten Verbesserung
oder Unterweisung anwenden/ auch ein und anders
Mittel erfinden/ wodurch löbliche und Tugendhaffte
Wissenschafften derselben Liebhabern erleichtert und
annehmlich gemacht werden möchten/ welches nicht
besser und näher getroffen wird/ als wo die Erfinder
hierinnen die Anleitung der natürlichen Vernunfft zu
Wegweisern gebrauchen.

Deren sich der in der Reit-Kunst und Erkäntnüß
der Pferd hochgestiegene Pluvinell/ vor vielen andern
in solcher Wissenschafft meisterlich bedienet: als er
nicht allein/ durch sein erfundenes zugerichtes Pferd/
der jungen zarten/ unerwachsenen Reuter Jnforma-
tion/ so sinnreich unterbauet/ angefangen und fortge-
setzet/ daß sie auff demselben ohne frühzeitige/ oder be-
schwerliche/ ja unmögliche Anstreckung ihrer man-
gelnden Kräfften/ ausser aller Gefahr/ Schmertzen/
[Spaltenumbruch] Verdruß/ Schaden oder Hinderung/ einen guten
Theil solcher hohen Wissenschafft erreichen können/
welches ihre Eigenschafften mit solcher Sicherheit/
auff keinem lebendigen Pferd zulassen würden; son-
dern auch einen ziemlichen Anfang gemachet/ auch
den jungen Pferden ihre Jnstruction gleicher Gestalt
zu erleichtern/ daß dieselbe sonder Gefahr und Scha-
den/ desto ehe und besser zu der Abrichtung zunehmen
wären.

Ob er nun wol solche Jntention/ (aus einer un-
wissenden Ursach) bey seinem Leben/ nicht zu der ver-
langten Perfection gebracht/ sondern nicht weiter
darinnen kommen können/ als daß er die jungen
Pferde/ durch ein oder zwey Bediente/ an einem Pi-
ler halten und leiten lassen: welche Leitung aber noch
für den Unterweiser und Pferd voll grosser Difficul-
täten und Verhinderungen stecket; So bleibet ihm
doch billich die Ehr und Danck der ersten Grundle-
gung und Anweisung aller der guten Früchte/ so
durch diese hernach beschriebene inventirte vorthel-
haffte Pferds-Leitung an unterschiedenen Orten be-
reits erlanget worden/ und noch weiter zu erhalten
stehet/ wann vermittelst derselben der Reuter und der
Pferd Vermögen äusserst gesparet/ Gefahr und
Schaden verhütet/ Nutz und Ergötzlichkeit aber ver-
mercklich vermehret wird/ daß man sich auch dieser
Art in dem höchsten Alter/ mit schlechter Mühe ge-
brauchen kan.



[Spaltenumbruch]

CAmerarius sagt von den Teutschen/ und der-
selben Pferden/ sie gebrauchten sich ihrer Pfer-
de/ wie des Delphischen Schwerdts/ denn sie
spannen dieselbe bald vor den Holtz-Wagen oder Ca-
ret/ bald muß das Pferd zur Reise fertig seyn/ bald zur
Kriegs-Action: welches wol etwas scharff geredet/
und von ihm zu verantworten stehet. Gleichwol be-
mühen sich etliche/ ihn realiter zu widerlegen/ und
solche Meynung von sich abzuwenden/ deren aber
vielmehr/ die es gern also hätten/ wann sie dasselbe nur
dahin richten könten/ daß die Pferde zu diesen unter-
schiedlichen Bezeigungen gleich geschickt/ und taug-
lich zu machen wären.

Ob es nun gleich keinem fehlen möchte/ daß nicht
ein jedes Pferd auff das wenigste zu dem ersten Ge-
brauch endlich gerathen müste: so wird es doch zu
den folgenden und letzten desto ungeschickter seyn/
weil die Bezeigungen nicht allein unterschieden/ son-
dern auch gantz einander zuwider seyn/ so viel nemlich
im Reiten ein Pferd uniret/ im starcken Ziehen aber
dißunirt seyn solle.

So kan auch den erfahrnen Liebhabern nicht ver-
borgen seyn/ daß unter denselben (auch unter den be-
rühmtesten und erfahrnesten) jederzeit ein immer-
währender Streit und Widersprechen gewesen/ und
wol weiter verbleiben wird/ welcher die beste Art der
Abrichtung habe/ weil hierinnen nach dem alten
Sprichwort/ ein jeder Krämer seine Waare recom-
mendiret.

Wie nun theils derselben ihre Meynungen mit
Vernunffts-Gründen/ andere aber allein damit be-
[Spaltenumbruch] haupten mögen/ oder wollen/ daß sie es nicht besser
wissen/ gelernet oder gesehen haben/ noch aus eigner
Erfindung verbessern können/ so möchte ein begieri-
ger Lieb haber einige Prob verlangen/ wodurch er (wo
nicht der besten) wenigstens einer guten Abrichtungs-
Art versichert/ und in den meisten Stücken des rech-
ten Wegs oder Art zu der rechten Abrichtung zu
kommen/ so viel weniger verfehlen möge: welches
er unzweifflich erhalten wird/ wie viel er auff die nach-
gesetzten Nothwendigkeiten acht haben/ und bey ein-
oder der andern Art die Würckungen und den Er-
folg besser/ leichter und sicherer oder mißlicher befin-
den wird; und zwar dergestalt/

Daß dieselbe 1. durchauß auff die Natur und der-
selben Würckungen/
2. Auff die rechte Vernunfft dergestalt gegründet
sey/ daß der Reuter/ umb all sein Vornehmen/ Thun
und Lassen/ eine gewisse Raison zu geben wisse/ welche
durch keine stärckere Argumentirung zu widerlegen
oder umbzustossen möglich.
3. Muß auch bey jedem Vornehmen einiger Be-
weiß stehen/ daß solches keinen bösen Ausschlag haben
werde/ oder zum wenigsten keinen bessern haben kön-
te/ wann man was anders vorgenommen hätte.
4. Hergegen aber auch eine gleichmässige unfehl-
bare Ursach/ bey jeder Unterlassung oder Vermei-
dung dessen/ was andere fürschlagen und gebrau-
chen möchten/ neben gleichmässiger erweißlicher Be-
hauptung/ daß auf solchen Fall/ aus solchem ver-
worffenem oder vorbeygegangenem Vornehmen/
nichts
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Pferde-Schatz.
[Spaltenumbruch] ſchafften gezieret/ nur daß der Menſch dieſelbe zu dem
rechten Gebrauch/ durch ſein fleiſſiges Nachſinnen
und Bemuͤhung weiter tuͤchtig mache/ inmaſſen die
Menſchen ſelbſt ihr Pfund durch anderer Menſchen
Anleitung und Huͤlffe/ zu der rechten Ubung brin-
gen muͤſſen/ damit ſie allerſeits/ ihre Zeit/ vielmehr mit
nutzlichem Nachſinnen und nothwendigen Hand-
lungen/ als verderblichem Muͤſſiggang zu bringen/
unter welchen diejenigen das groͤſte Lob und Ver-
dienſt erlangen ſollen/ welche ihre von GOtt erhalte-
ne Gaben/ nicht nur ihnen ſelber/ ſondern vornemlich
zur Ehr GOttes und des Nechſten Verbeſſerung
oder Unterweiſung anwenden/ auch ein und anders
Mittel erfinden/ wodurch loͤbliche und Tugendhaffte
Wiſſenſchafften derſelben Liebhabern erleichtert und
annehmlich gemacht werden moͤchten/ welches nicht
beſſer und naͤher getroffen wird/ als wo die Erfinder
hierinnen die Anleitung der natuͤrlichen Vernunfft zu
Wegweiſern gebrauchen.

Deren ſich der in der Reit-Kunſt und Erkaͤntnuͤß
der Pferd hochgeſtiegene Pluvinell/ vor vielen andern
in ſolcher Wiſſenſchafft meiſterlich bedienet: als er
nicht allein/ durch ſein erfundenes zugerichtes Pferd/
der jungen zarten/ unerwachſenen Reuter Jnforma-
tion/ ſo ſinnreich unterbauet/ angefangen und fortge-
ſetzet/ daß ſie auff demſelben ohne fruͤhzeitige/ oder be-
ſchwerliche/ ja unmoͤgliche Anſtreckung ihrer man-
gelnden Kraͤfften/ auſſer aller Gefahr/ Schmertzen/
[Spaltenumbruch] Verdruß/ Schaden oder Hinderung/ einen guten
Theil ſolcher hohen Wiſſenſchafft erreichen koͤnnen/
welches ihre Eigenſchafften mit ſolcher Sicherheit/
auff keinem lebendigen Pferd zulaſſen wuͤrden; ſon-
dern auch einen ziemlichen Anfang gemachet/ auch
den jungen Pferden ihre Jnſtruction gleicher Geſtalt
zu erleichtern/ daß dieſelbe ſonder Gefahr und Scha-
den/ deſto ehe und beſſer zu der Abrichtung zunehmen
waͤren.

Ob er nun wol ſolche Jntention/ (aus einer un-
wiſſenden Urſach) bey ſeinem Leben/ nicht zu der ver-
langten Perfection gebracht/ ſondern nicht weiter
darinnen kommen koͤnnen/ als daß er die jungen
Pferde/ durch ein oder zwey Bediente/ an einem Pi-
ler halten und leiten laſſen: welche Leitung aber noch
fuͤr den Unterweiſer und Pferd voll groſſer Difficul-
taͤten und Verhinderungen ſtecket; So bleibet ihm
doch billich die Ehr und Danck der erſten Grundle-
gung und Anweiſung aller der guten Fruͤchte/ ſo
durch dieſe hernach beſchriebene inventirte vorthel-
haffte Pferds-Leitung an unterſchiedenen Orten be-
reits erlanget worden/ und noch weiter zu erhalten
ſtehet/ wann vermittelſt derſelben der Reuter und der
Pferd Vermoͤgen aͤuſſerſt geſparet/ Gefahr und
Schaden verhuͤtet/ Nutz und Ergoͤtzlichkeit aber ver-
mercklich vermehret wird/ daß man ſich auch dieſer
Art in dem hoͤchſten Alter/ mit ſchlechter Muͤhe ge-
brauchen kan.



[Spaltenumbruch]

CAmerarius ſagt von den Teutſchen/ und der-
ſelben Pferden/ ſie gebrauchten ſich ihrer Pfer-
de/ wie des Delphiſchen Schwerdts/ denn ſie
ſpannen dieſelbe bald vor den Holtz-Wagen oder Ca-
ret/ bald muß das Pferd zur Reiſe fertig ſeyn/ bald zur
Kriegs-Action: welches wol etwas ſcharff geredet/
und von ihm zu verantworten ſtehet. Gleichwol be-
muͤhen ſich etliche/ ihn realiter zu widerlegen/ und
ſolche Meynung von ſich abzuwenden/ deren aber
vielmehr/ die es gern alſo haͤtten/ wann ſie daſſelbe nur
dahin richten koͤnten/ daß die Pferde zu dieſen unter-
ſchiedlichen Bezeigungen gleich geſchickt/ und taug-
lich zu machen waͤren.

Ob es nun gleich keinem fehlen moͤchte/ daß nicht
ein jedes Pferd auff das wenigſte zu dem erſten Ge-
brauch endlich gerathen muͤſte: ſo wird es doch zu
den folgenden und letzten deſto ungeſchickter ſeyn/
weil die Bezeigungen nicht allein unterſchieden/ ſon-
dern auch gantz einander zuwider ſeyn/ ſo viel nemlich
im Reiten ein Pferd uniret/ im ſtarcken Ziehen aber
dißunirt ſeyn ſolle.

So kan auch den erfahrnen Liebhabern nicht ver-
borgen ſeyn/ daß unter denſelben (auch unter den be-
ruͤhmteſten und erfahrneſten) jederzeit ein immer-
waͤhrender Streit und Widerſprechen geweſen/ und
wol weiter verbleiben wird/ welcher die beſte Art der
Abrichtung habe/ weil hierinnen nach dem alten
Sprichwort/ ein jeder Kraͤmer ſeine Waare recom-
mendiret.

Wie nun theils derſelben ihre Meynungen mit
Vernunffts-Gruͤnden/ andere aber allein damit be-
[Spaltenumbruch] haupten moͤgen/ oder wollen/ daß ſie es nicht beſſer
wiſſen/ gelernet oder geſehen haben/ noch aus eigner
Erfindung verbeſſern koͤnnen/ ſo moͤchte ein begieri-
ger Lieb haber einige Prob verlangen/ wodurch er (wo
nicht der beſten) wenigſtens einer guten Abrichtungs-
Art verſichert/ und in den meiſten Stuͤcken des rech-
ten Wegs oder Art zu der rechten Abrichtung zu
kommen/ ſo viel weniger verfehlen moͤge: welches
er unzweifflich erhalten wird/ wie viel er auff die nach-
geſetzten Nothwendigkeiten acht haben/ und bey ein-
oder der andern Art die Wuͤrckungen und den Er-
folg beſſer/ leichter und ſicherer oder mißlicher befin-
den wird; und zwar dergeſtalt/

Daß dieſelbe 1. durchauß auff die Natur und der-
ſelben Wuͤrckungen/
2. Auff die rechte Vernunfft dergeſtalt gegruͤndet
ſey/ daß der Reuter/ umb all ſein Vornehmen/ Thun
und Laſſen/ eine gewiſſe Raiſon zu geben wiſſe/ welche
durch keine ſtaͤrckere Argumentirung zu widerlegen
oder umbzuſtoſſen moͤglich.
3. Muß auch bey jedem Vornehmen einiger Be-
weiß ſtehen/ daß ſolches keinen boͤſen Ausſchlag haben
werde/ oder zum wenigſten keinen beſſern haben koͤn-
te/ wann man was anders vorgenommen haͤtte.
4. Hergegen aber auch eine gleichmaͤſſige unfehl-
bare Urſach/ bey jeder Unterlaſſung oder Vermei-
dung deſſen/ was andere fuͤrſchlagen und gebrau-
chen moͤchten/ neben gleichmaͤſſiger erweißlicher Be-
hauptung/ daß auf ſolchen Fall/ aus ſolchem ver-
worffenem oder vorbeygegangenem Vornehmen/
nichts
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[245/0267] Pferde-Schatz. ſchafften gezieret/ nur daß der Menſch dieſelbe zu dem rechten Gebrauch/ durch ſein fleiſſiges Nachſinnen und Bemuͤhung weiter tuͤchtig mache/ inmaſſen die Menſchen ſelbſt ihr Pfund durch anderer Menſchen Anleitung und Huͤlffe/ zu der rechten Ubung brin- gen muͤſſen/ damit ſie allerſeits/ ihre Zeit/ vielmehr mit nutzlichem Nachſinnen und nothwendigen Hand- lungen/ als verderblichem Muͤſſiggang zu bringen/ unter welchen diejenigen das groͤſte Lob und Ver- dienſt erlangen ſollen/ welche ihre von GOtt erhalte- ne Gaben/ nicht nur ihnen ſelber/ ſondern vornemlich zur Ehr GOttes und des Nechſten Verbeſſerung oder Unterweiſung anwenden/ auch ein und anders Mittel erfinden/ wodurch loͤbliche und Tugendhaffte Wiſſenſchafften derſelben Liebhabern erleichtert und annehmlich gemacht werden moͤchten/ welches nicht beſſer und naͤher getroffen wird/ als wo die Erfinder hierinnen die Anleitung der natuͤrlichen Vernunfft zu Wegweiſern gebrauchen. Deren ſich der in der Reit-Kunſt und Erkaͤntnuͤß der Pferd hochgeſtiegene Pluvinell/ vor vielen andern in ſolcher Wiſſenſchafft meiſterlich bedienet: als er nicht allein/ durch ſein erfundenes zugerichtes Pferd/ der jungen zarten/ unerwachſenen Reuter Jnforma- tion/ ſo ſinnreich unterbauet/ angefangen und fortge- ſetzet/ daß ſie auff demſelben ohne fruͤhzeitige/ oder be- ſchwerliche/ ja unmoͤgliche Anſtreckung ihrer man- gelnden Kraͤfften/ auſſer aller Gefahr/ Schmertzen/ Verdruß/ Schaden oder Hinderung/ einen guten Theil ſolcher hohen Wiſſenſchafft erreichen koͤnnen/ welches ihre Eigenſchafften mit ſolcher Sicherheit/ auff keinem lebendigen Pferd zulaſſen wuͤrden; ſon- dern auch einen ziemlichen Anfang gemachet/ auch den jungen Pferden ihre Jnſtruction gleicher Geſtalt zu erleichtern/ daß dieſelbe ſonder Gefahr und Scha- den/ deſto ehe und beſſer zu der Abrichtung zunehmen waͤren. Ob er nun wol ſolche Jntention/ (aus einer un- wiſſenden Urſach) bey ſeinem Leben/ nicht zu der ver- langten Perfection gebracht/ ſondern nicht weiter darinnen kommen koͤnnen/ als daß er die jungen Pferde/ durch ein oder zwey Bediente/ an einem Pi- ler halten und leiten laſſen: welche Leitung aber noch fuͤr den Unterweiſer und Pferd voll groſſer Difficul- taͤten und Verhinderungen ſtecket; So bleibet ihm doch billich die Ehr und Danck der erſten Grundle- gung und Anweiſung aller der guten Fruͤchte/ ſo durch dieſe hernach beſchriebene inventirte vorthel- haffte Pferds-Leitung an unterſchiedenen Orten be- reits erlanget worden/ und noch weiter zu erhalten ſtehet/ wann vermittelſt derſelben der Reuter und der Pferd Vermoͤgen aͤuſſerſt geſparet/ Gefahr und Schaden verhuͤtet/ Nutz und Ergoͤtzlichkeit aber ver- mercklich vermehret wird/ daß man ſich auch dieſer Art in dem hoͤchſten Alter/ mit ſchlechter Muͤhe ge- brauchen kan. CAmerarius ſagt von den Teutſchen/ und der- ſelben Pferden/ ſie gebrauchten ſich ihrer Pfer- de/ wie des Delphiſchen Schwerdts/ denn ſie ſpannen dieſelbe bald vor den Holtz-Wagen oder Ca- ret/ bald muß das Pferd zur Reiſe fertig ſeyn/ bald zur Kriegs-Action: welches wol etwas ſcharff geredet/ und von ihm zu verantworten ſtehet. Gleichwol be- muͤhen ſich etliche/ ihn realiter zu widerlegen/ und ſolche Meynung von ſich abzuwenden/ deren aber vielmehr/ die es gern alſo haͤtten/ wann ſie daſſelbe nur dahin richten koͤnten/ daß die Pferde zu dieſen unter- ſchiedlichen Bezeigungen gleich geſchickt/ und taug- lich zu machen waͤren. Ob es nun gleich keinem fehlen moͤchte/ daß nicht ein jedes Pferd auff das wenigſte zu dem erſten Ge- brauch endlich gerathen muͤſte: ſo wird es doch zu den folgenden und letzten deſto ungeſchickter ſeyn/ weil die Bezeigungen nicht allein unterſchieden/ ſon- dern auch gantz einander zuwider ſeyn/ ſo viel nemlich im Reiten ein Pferd uniret/ im ſtarcken Ziehen aber dißunirt ſeyn ſolle. So kan auch den erfahrnen Liebhabern nicht ver- borgen ſeyn/ daß unter denſelben (auch unter den be- ruͤhmteſten und erfahrneſten) jederzeit ein immer- waͤhrender Streit und Widerſprechen geweſen/ und wol weiter verbleiben wird/ welcher die beſte Art der Abrichtung habe/ weil hierinnen nach dem alten Sprichwort/ ein jeder Kraͤmer ſeine Waare recom- mendiret. Wie nun theils derſelben ihre Meynungen mit Vernunffts-Gruͤnden/ andere aber allein damit be- haupten moͤgen/ oder wollen/ daß ſie es nicht beſſer wiſſen/ gelernet oder geſehen haben/ noch aus eigner Erfindung verbeſſern koͤnnen/ ſo moͤchte ein begieri- ger Lieb haber einige Prob verlangen/ wodurch er (wo nicht der beſten) wenigſtens einer guten Abrichtungs- Art verſichert/ und in den meiſten Stuͤcken des rech- ten Wegs oder Art zu der rechten Abrichtung zu kommen/ ſo viel weniger verfehlen moͤge: welches er unzweifflich erhalten wird/ wie viel er auff die nach- geſetzten Nothwendigkeiten acht haben/ und bey ein- oder der andern Art die Wuͤrckungen und den Er- folg beſſer/ leichter und ſicherer oder mißlicher befin- den wird; und zwar dergeſtalt/ Daß dieſelbe 1. durchauß auff die Natur und der- ſelben Wuͤrckungen/ 2. Auff die rechte Vernunfft dergeſtalt gegruͤndet ſey/ daß der Reuter/ umb all ſein Vornehmen/ Thun und Laſſen/ eine gewiſſe Raiſon zu geben wiſſe/ welche durch keine ſtaͤrckere Argumentirung zu widerlegen oder umbzuſtoſſen moͤglich. 3. Muß auch bey jedem Vornehmen einiger Be- weiß ſtehen/ daß ſolches keinen boͤſen Ausſchlag haben werde/ oder zum wenigſten keinen beſſern haben koͤn- te/ wann man was anders vorgenommen haͤtte. 4. Hergegen aber auch eine gleichmaͤſſige unfehl- bare Urſach/ bey jeder Unterlaſſung oder Vermei- dung deſſen/ was andere fuͤrſchlagen und gebrau- chen moͤchten/ neben gleichmaͤſſiger erweißlicher Be- hauptung/ daß auf ſolchen Fall/ aus ſolchem ver- worffenem oder vorbeygegangenem Vornehmen/ nichts H h 3

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Zitationshilfe: Pinter von der Au, Johann Christoph: Neuer, vollkommener, verbesserter und ergänzter Pferd-Schatz. Frankfurt (Main), 1688, S. 245. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/pinter_pferdschatz_1688/267>, abgerufen am 16.06.2024.