Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Pinter von der Au, Johann Christoph: Neuer, vollkommener, verbesserter und ergänzter Pferd-Schatz. Frankfurt (Main), 1688.

Bild:
<< vorherige Seite

Pferde-Schatz.
[Spaltenumbruch] ten) dem Zaum Gehorsam leisten/ und dessen Erin-
nerungen gewohnen/ allzeit zu folgen. Bestehet also
dieser Nutzen in deß Zaumes Würckung allein/ so
durch die Leitung und Regierung vollbracht wird.

Dann je minder der Reuter innerliche und äus-
serliche Hinderungen an dem Pferd befinden/ und sich
dabey der bösen Zäumungs-Mittel und derselben un-
mässigen Gebrauchs gegen dem Pferde enthalten
wird/ so viel wird er auch dem Pferde seines Ungehor-
sambs in den meisten Bezeigungen (der Vernunfft
und Vermuthung nach) enthalten lernen.

Hierinnen nun hat der Zäumer seine Geschicklig-
keit zu bezeigen so viel genugsame Mittel/ als es an
ihme selber so schwer zu erlangen/ als hoch zu halten
ist. Wie er hergegen seine Unvollkommenheit allzu-
mercklich erscheinen lassen wird/ wann man so wol
aus der bösen Zäumung als ungehorsamen Pferden
abnehmen kan/ daß es ihm an der rechten Erkäntnüß
des Pferdes innerlicher und äusserlicher Beschaffen-
heit mangelt/ viel weniger wisse wie die gute zu erlan-
gen und zu erhalten/ hergegen die bösen zu verhindern
und abzuschaffen. Noch mehr aber/ wann er seine
eigene Begierden/ Zorn/ Unwillen und Verdruß (ü-
ber den schlechten Fortgang/ des Pferdes Widersez-
zen/ ja wider sich selber/ daß er solches nicht zu verbes-
sern oder zu ändern weiß/) selber nicht zäumen kan/
sondern daß ihn das Pferd nicht verstehen/ ihm
nachgeben/ noch folgen wil/ gleichsam enttzünden läs-
set/ hat er Ursach über Ursach/ an sich selber die Zäu-
mung von neuen anzufangen/ und seine Fehler so viel
zu mässigen/ als ihn selbige Unordnung seiner unge-
zäumten Begierden an des Pferdes Zäumung viel
gehindert haben/ und als viel sie ihn angereitzet und
überwunden/ daß Pferde zur ungelegenen Zeit und
Ort/ über die Masse mit dem Zaum zu straffen/ da-
von es zuviel beleidiget/ und von solchen Verletzungen
auch so unordentlich werden können.

Dann so hoch die Pferde zu halten/ welche die gute
Zäumung gedulden/ annehmen und behalten/ weil
ihnen auch dieselbe Anfangs ungewohnet/ ob sie ih-
nen gleich unschädlich ist/ so wenig seynd die geringen
wegen ihres Unwillen zu verdencken/ zu straffen/ oder
zu verwerffen/ welche sich der bösen Zäumung nach
Vermögen widersetzen/ worzu sie von der Natur nach
vernunfftigen Menschen Exempel angeleitet werden.

Weil aber gleichwol sich auch ein solcher unverseh-
ner Extraodinari-Fall begeben könte/ daß dem Pferd
der Zaum in dem Maul schärffer würckete/ als es
sein Beschaffenheit erforderte: so wird der Reuter
sehr wol thun/ welcher auff solchen Fall/ damit sein
Pferd durch einige Versuchungs-Prob versichert/
auff daß es auff den Erfolg nicht in allzugrosse Be-
frembdung fallen/ oder gefährliches und sehr schädli-
ches begehen möchte: wann er sein Pferd (welches in
des Zaums Gehorsam und Gebrauch genugsam ver-
sicherte) mit einer oder der andern mässigen Briglitata
versuchet/ und wie es sich darauff verhalte/ probiret/ er
sich dann/ wann ihm dergleichen ein anders mal in
[Spaltenumbruch] wichtigen Handlungen von ungefähr/ oder dem
Feind begegnen solte/ nicht zu besorgen habe/ daß es
dadurch in gäntzliche Unordnung oder Desperation
gerathen möchte. Solche Versuchung aber ist
nicht allein in der Maaß/ sondern auch in der Zahl je
weniger je besser zu gebrauchen. Und zwar nicht zu
aller Zeit/ an jedem Ort/ da leichtlich eben das daraus
erfolgen möchte/ was er damit vorzukommen ver-
meinet.

Und bestehet der rechte Unterschied zwischen solcher
guten und bösen Versuchung in diesen Eigenschaff-
ten/ daß 1. die Jntention und Frucht zur Verbesserung
und Versicherung des Reuters wie des Pferdes ge-
deyen mögen. 2. Die Art aber nicht durch so schäd-
liche Zeig und Mittel vorgenommen werde/ daß de-
ren Würckungen mehr Schaden thun als Nutzen
bringen können. Und endlich der Gebrauch allzeit
eine solche Moderation in acht nehme/ der die Hoff-
nung mehr erhalte als austilge.

Die Wendung.

Jst die andere Haupt-Bezeigung/ so durch den
Gebrauch und Würckung des Zaums von dem
Reuter bey den Pferden gesuchet wird: und zwar
nicht allein nach der natürlichen Vernunfft und Er-
forderung/ so in derselben Unterweisung und allem
Gebrauch fürfallen kan: sondern nach der Göttli-
chen Anzeigung selber/ welche alle dieselbe eben nöthig
befinden/ wann die Pferde anders zu allem Gebrauch
tüchtig gemachet werden sollen. Daß sie aber nun in
solchem Fall je vollkommener seyn/ als sie sich willig
und geschwind erweisen/ und daß sie in der Bezeigung
nimmermehr zu hurtig und fertig seyn können/ erwei-
set abermahl das Biblische Exempel: dann in der
gefährlichen Schlacht wider die Syrer/ stunde den
Jsraelitischen Königen/ die Erhaltung ihres Lebens
vornemlich in der eilfertigen Wendung der Pferde/
sie dadurch der grossen Gefahr zu entfernen. Als
auch der König Joram selbst seine Flucht durch die
Wendung anfangen und fortsetzen muste/ welches
in dem Theil/ des rechten Gebrauchs der Pferde/
mehrers erhellen wird.

Das Auff- und Jnnhalten/
Pariren.

Jst die dritte Haupt-Bezeigung/ so der Reuter
durch des Zaums Würckung und Gebrauch bey den
Pferden suchet.

Und zwar darumb das nöthigste und vornehmste/
weil die Pferde auch wol durch andere Mittel fortge-
bracht/ geleitet und gewendet/ aber sonder des Zaums
Gebrauch nicht also inngehalten werden können/ da-
hero neben der höchsten Nothwendigkeit derselben er-
scheinet/ wie sie auch am allersorgfältigsten in Acht zu
nehmen/ und zu gebrauchen/ wie solche nicht minder
als die vorigen/ in heiliger Schrifft so klärlich ange-
zeiget und gegründet/ und aus der täglichen Erfah-
rung zu befinden/ von welchem in den Theilen der Un-
terweisung und rechtem Gebrauch der Pferde die Spe-
cialia
folgen sollen.

Diese

Pferde-Schatz.
[Spaltenumbruch] ten) dem Zaum Gehorſam leiſten/ und deſſen Erin-
nerungen gewohnen/ allzeit zu folgen. Beſtehet alſo
dieſer Nutzen in deß Zaumes Wuͤrckung allein/ ſo
durch die Leitung und Regierung vollbracht wird.

Dann je minder der Reuter innerliche und aͤuſ-
ſerliche Hinderungen an dem Pferd befinden/ und ſich
dabey der boͤſen Zaͤumungs-Mittel und derſelben un-
maͤſſigen Gebrauchs gegen dem Pferde enthalten
wird/ ſo viel wird er auch dem Pferde ſeines Ungehor-
ſambs in den meiſten Bezeigungen (der Vernunfft
und Vermuthung nach) enthalten lernen.

Hierinnen nun hat der Zaͤumer ſeine Geſchicklig-
keit zu bezeigen ſo viel genugſame Mittel/ als es an
ihme ſelber ſo ſchwer zu erlangen/ als hoch zu halten
iſt. Wie er hergegen ſeine Unvollkommenheit allzu-
mercklich erſcheinen laſſen wird/ wann man ſo wol
aus der boͤſen Zaͤumung als ungehorſamen Pferden
abnehmen kan/ daß es ihm an der rechten Erkaͤntnuͤß
des Pferdes innerlicher und aͤuſſerlicher Beſchaffen-
heit mangelt/ viel weniger wiſſe wie die gute zu erlan-
gen und zu erhalten/ hergegen die boͤſen zu verhindern
und abzuſchaffen. Noch mehr aber/ wann er ſeine
eigene Begierden/ Zorn/ Unwillen und Verdruß (uͤ-
ber den ſchlechten Fortgang/ des Pferdes Widerſez-
zen/ ja wider ſich ſelber/ daß er ſolches nicht zu verbeſ-
ſern oder zu aͤndern weiß/) ſelber nicht zaͤumen kan/
ſondern daß ihn das Pferd nicht verſtehen/ ihm
nachgeben/ noch folgen wil/ gleichſam enttzuͤnden laͤſ-
ſet/ hat er Urſach uͤber Urſach/ an ſich ſelber die Zaͤu-
mung von neuen anzufangen/ und ſeine Fehler ſo viel
zu maͤſſigen/ als ihn ſelbige Unordnung ſeiner unge-
zaͤumten Begierden an des Pferdes Zaͤumung viel
gehindert haben/ und als viel ſie ihn angereitzet und
uͤberwunden/ daß Pferde zur ungelegenen Zeit und
Ort/ uͤber die Maſſe mit dem Zaum zu ſtraffen/ da-
von es zuviel beleidiget/ und von ſolchen Verletzungen
auch ſo unordentlich werden koͤnnen.

Dann ſo hoch die Pferde zu halten/ welche die gute
Zaͤumung gedulden/ annehmen und behalten/ weil
ihnen auch dieſelbe Anfangs ungewohnet/ ob ſie ih-
nen gleich unſchaͤdlich iſt/ ſo wenig ſeynd die geringen
wegen ihres Unwillen zu verdencken/ zu ſtraffen/ oder
zu verwerffen/ welche ſich der boͤſen Zaͤumung nach
Vermoͤgen widerſetzen/ worzu ſie von der Natur nach
vernunfftigen Menſchen Exempel angeleitet werden.

Weil aber gleichwol ſich auch ein ſolcher unverſeh-
ner Extraodinari-Fall begeben koͤnte/ daß dem Pferd
der Zaum in dem Maul ſchaͤrffer wuͤrckete/ als es
ſein Beſchaffenheit erforderte: ſo wird der Reuter
ſehr wol thun/ welcher auff ſolchen Fall/ damit ſein
Pferd durch einige Verſuchungs-Prob verſichert/
auff daß es auff den Erfolg nicht in allzugroſſe Be-
frembdung fallen/ oder gefaͤhrliches und ſehr ſchaͤdli-
ches begehen moͤchte: wann er ſein Pferd (welches in
des Zaums Gehorſam und Gebrauch genugſam ver-
ſicherte) mit einer oder der andern maͤſſigen Briglitata
verſuchet/ und wie es ſich darauff verhalte/ probiret/ er
ſich dann/ wann ihm dergleichen ein anders mal in
[Spaltenumbruch] wichtigen Handlungen von ungefaͤhr/ oder dem
Feind begegnen ſolte/ nicht zu beſorgen habe/ daß es
dadurch in gaͤntzliche Unordnung oder Deſperation
gerathen moͤchte. Solche Verſuchung aber iſt
nicht allein in der Maaß/ ſondern auch in der Zahl je
weniger je beſſer zu gebrauchen. Und zwar nicht zu
aller Zeit/ an jedem Ort/ da leichtlich eben das daraus
erfolgen moͤchte/ was er damit vorzukommen ver-
meinet.

Und beſtehet der rechte Unterſchied zwiſchen ſolcher
guten und boͤſen Verſuchung in dieſen Eigenſchaff-
ten/ daß 1. die Jntention und Frucht zur Verbeſſerung
und Verſicherung des Reuters wie des Pferdes ge-
deyen moͤgen. 2. Die Art aber nicht durch ſo ſchaͤd-
liche Zeig und Mittel vorgenommen werde/ daß de-
ren Wuͤrckungen mehr Schaden thun als Nutzen
bringen koͤnnen. Und endlich der Gebrauch allzeit
eine ſolche Moderation in acht nehme/ der die Hoff-
nung mehr erhalte als austilge.

Die Wendung.

Jſt die andere Haupt-Bezeigung/ ſo durch den
Gebrauch und Wuͤrckung des Zaums von dem
Reuter bey den Pferden geſuchet wird: und zwar
nicht allein nach der natuͤrlichen Vernunfft und Er-
forderung/ ſo in derſelben Unterweiſung und allem
Gebrauch fuͤrfallen kan: ſondern nach der Goͤttli-
chen Anzeigung ſelber/ welche alle dieſelbe eben noͤthig
befinden/ wann die Pferde anders zu allem Gebrauch
tuͤchtig gemachet werden ſollen. Daß ſie aber nun in
ſolchem Fall je vollkommener ſeyn/ als ſie ſich willig
und geſchwind erweiſen/ und daß ſie in der Bezeigung
nimmermehr zu hurtig und fertig ſeyn koͤnnen/ erwei-
ſet abermahl das Bibliſche Exempel: dann in der
gefaͤhrlichen Schlacht wider die Syrer/ ſtunde den
Jſraelitiſchen Koͤnigen/ die Erhaltung ihres Lebens
vornemlich in der eilfertigen Wendung der Pferde/
ſie dadurch der groſſen Gefahr zu entfernen. Als
auch der Koͤnig Joram ſelbſt ſeine Flucht durch die
Wendung anfangen und fortſetzen muſte/ welches
in dem Theil/ des rechten Gebrauchs der Pferde/
mehrers erhellen wird.

Das Auff- und Jnnhalten/
Pariren.

Jſt die dritte Haupt-Bezeigung/ ſo der Reuter
durch des Zaums Wuͤrckung und Gebrauch bey den
Pferden ſuchet.

Und zwar darumb das noͤthigſte und vornehmſte/
weil die Pferde auch wol durch andere Mittel fortge-
bracht/ geleitet und gewendet/ aber ſonder des Zaums
Gebrauch nicht alſo inngehalten werden koͤnnen/ da-
hero neben der hoͤchſten Nothwendigkeit derſelben er-
ſcheinet/ wie ſie auch am allerſorgfaͤltigſten in Acht zu
nehmen/ und zu gebrauchen/ wie ſolche nicht minder
als die vorigen/ in heiliger Schrifft ſo klaͤrlich ange-
zeiget und gegruͤndet/ und aus der taͤglichen Erfah-
rung zu befinden/ von welchem in den Theilen der Un-
terweiſung und rechtem Gebrauch der Pferde die Spe-
cialia
folgen ſollen.

Dieſe
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <div n="4">
              <div n="5">
                <p><pb facs="#f0219" n="207"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">Pferde-Schatz.</hi></fw><lb/><cb/>
ten) dem Zaum Gehor&#x017F;am lei&#x017F;ten/ und de&#x017F;&#x017F;en Erin-<lb/>
nerungen gewohnen/ allzeit zu folgen. Be&#x017F;tehet al&#x017F;o<lb/>
die&#x017F;er Nutzen in deß Zaumes Wu&#x0364;rckung allein/ &#x017F;o<lb/>
durch die Leitung und Regierung vollbracht wird.</p><lb/>
                <p>Dann je minder der Reuter innerliche und a&#x0364;u&#x017F;-<lb/>
&#x017F;erliche Hinderungen an dem Pferd befinden/ und &#x017F;ich<lb/>
dabey der bo&#x0364;&#x017F;en Za&#x0364;umungs-Mittel und der&#x017F;elben un-<lb/>
ma&#x0364;&#x017F;&#x017F;igen Gebrauchs gegen dem Pferde enthalten<lb/>
wird/ &#x017F;o viel wird er auch dem Pferde &#x017F;eines Ungehor-<lb/>
&#x017F;ambs in den mei&#x017F;ten Bezeigungen (der Vernunfft<lb/>
und Vermuthung nach) enthalten lernen.</p><lb/>
                <p>Hierinnen nun hat der Za&#x0364;umer &#x017F;eine Ge&#x017F;chicklig-<lb/>
keit zu bezeigen &#x017F;o viel genug&#x017F;ame Mittel/ als es an<lb/>
ihme &#x017F;elber &#x017F;o &#x017F;chwer zu erlangen/ als hoch zu halten<lb/>
i&#x017F;t. Wie er hergegen &#x017F;eine Unvollkommenheit allzu-<lb/>
mercklich er&#x017F;cheinen la&#x017F;&#x017F;en wird/ wann man &#x017F;o wol<lb/>
aus der bo&#x0364;&#x017F;en Za&#x0364;umung als ungehor&#x017F;amen Pferden<lb/>
abnehmen kan/ daß es ihm an der rechten Erka&#x0364;ntnu&#x0364;ß<lb/>
des Pferdes innerlicher und a&#x0364;u&#x017F;&#x017F;erlicher Be&#x017F;chaffen-<lb/>
heit mangelt/ viel weniger wi&#x017F;&#x017F;e wie die gute zu erlan-<lb/>
gen und zu erhalten/ hergegen die bo&#x0364;&#x017F;en zu verhindern<lb/>
und abzu&#x017F;chaffen. Noch mehr aber/ wann er &#x017F;eine<lb/>
eigene Begierden/ Zorn/ Unwillen und Verdruß (u&#x0364;-<lb/>
ber den &#x017F;chlechten Fortgang/ des Pferdes Wider&#x017F;ez-<lb/>
zen/ ja wider &#x017F;ich &#x017F;elber/ daß er &#x017F;olches nicht zu verbe&#x017F;-<lb/>
&#x017F;ern oder zu a&#x0364;ndern weiß/) &#x017F;elber nicht za&#x0364;umen kan/<lb/>
&#x017F;ondern daß ihn das Pferd nicht ver&#x017F;tehen/ ihm<lb/>
nachgeben/ noch folgen wil/ gleich&#x017F;am enttzu&#x0364;nden la&#x0364;&#x017F;-<lb/>
&#x017F;et/ hat er Ur&#x017F;ach u&#x0364;ber Ur&#x017F;ach/ an &#x017F;ich &#x017F;elber die Za&#x0364;u-<lb/>
mung von neuen anzufangen/ und &#x017F;eine Fehler &#x017F;o viel<lb/>
zu ma&#x0364;&#x017F;&#x017F;igen/ als ihn &#x017F;elbige Unordnung &#x017F;einer unge-<lb/>
za&#x0364;umten Begierden an des Pferdes Za&#x0364;umung viel<lb/>
gehindert haben/ und als viel &#x017F;ie ihn angereitzet und<lb/>
u&#x0364;berwunden/ daß Pferde zur ungelegenen Zeit und<lb/>
Ort/ u&#x0364;ber die Ma&#x017F;&#x017F;e mit dem Zaum zu &#x017F;traffen/ da-<lb/>
von es zuviel beleidiget/ und von &#x017F;olchen Verletzungen<lb/>
auch &#x017F;o unordentlich werden ko&#x0364;nnen.</p><lb/>
                <p>Dann &#x017F;o hoch die Pferde zu halten/ welche die gute<lb/>
Za&#x0364;umung gedulden/ annehmen und behalten/ weil<lb/>
ihnen auch die&#x017F;elbe Anfangs ungewohnet/ ob &#x017F;ie ih-<lb/>
nen gleich un&#x017F;cha&#x0364;dlich i&#x017F;t/ &#x017F;o wenig &#x017F;eynd die geringen<lb/>
wegen ihres Unwillen zu verdencken/ zu &#x017F;traffen/ oder<lb/>
zu verwerffen/ welche &#x017F;ich der bo&#x0364;&#x017F;en Za&#x0364;umung nach<lb/>
Vermo&#x0364;gen wider&#x017F;etzen/ worzu &#x017F;ie von der Natur nach<lb/>
vernunfftigen Men&#x017F;chen Exempel angeleitet werden.</p><lb/>
                <p>Weil aber gleichwol &#x017F;ich auch ein &#x017F;olcher unver&#x017F;eh-<lb/>
ner Extraodinari-Fall begeben ko&#x0364;nte/ daß dem Pferd<lb/>
der Zaum in dem Maul &#x017F;cha&#x0364;rffer wu&#x0364;rckete/ als es<lb/>
&#x017F;ein Be&#x017F;chaffenheit erforderte: &#x017F;o wird der Reuter<lb/>
&#x017F;ehr wol thun/ welcher auff &#x017F;olchen Fall/ damit &#x017F;ein<lb/>
Pferd durch einige Ver&#x017F;uchungs-Prob ver&#x017F;ichert/<lb/>
auff daß es auff den Erfolg nicht in allzugro&#x017F;&#x017F;e Be-<lb/>
frembdung fallen/ oder gefa&#x0364;hrliches und &#x017F;ehr &#x017F;cha&#x0364;dli-<lb/>
ches begehen mo&#x0364;chte: wann er &#x017F;ein Pferd (welches in<lb/>
des Zaums Gehor&#x017F;am und Gebrauch genug&#x017F;am ver-<lb/>
&#x017F;icherte) mit einer oder der andern ma&#x0364;&#x017F;&#x017F;igen <hi rendition="#aq">Briglitata</hi><lb/>
ver&#x017F;uchet/ und wie es &#x017F;ich darauff verhalte/ probiret/ er<lb/>
&#x017F;ich dann/ wann ihm dergleichen ein anders mal in<lb/><cb/>
wichtigen Handlungen von ungefa&#x0364;hr/ oder dem<lb/>
Feind begegnen &#x017F;olte/ nicht zu be&#x017F;orgen habe/ daß es<lb/>
dadurch in ga&#x0364;ntzliche Unordnung oder De&#x017F;peration<lb/>
gerathen mo&#x0364;chte. Solche Ver&#x017F;uchung aber i&#x017F;t<lb/>
nicht allein in der Maaß/ &#x017F;ondern auch in der Zahl je<lb/>
weniger je be&#x017F;&#x017F;er zu gebrauchen. Und zwar nicht zu<lb/>
aller Zeit/ an jedem Ort/ da leichtlich eben das daraus<lb/>
erfolgen mo&#x0364;chte/ was er damit vorzukommen ver-<lb/>
meinet.</p><lb/>
                <p>Und be&#x017F;tehet der rechte Unter&#x017F;chied zwi&#x017F;chen &#x017F;olcher<lb/>
guten und bo&#x0364;&#x017F;en Ver&#x017F;uchung in die&#x017F;en Eigen&#x017F;chaff-<lb/>
ten/ daß 1. die Jntention und Frucht zur Verbe&#x017F;&#x017F;erung<lb/>
und Ver&#x017F;icherung des Reuters wie des Pferdes ge-<lb/>
deyen mo&#x0364;gen. 2. Die Art aber nicht durch &#x017F;o &#x017F;cha&#x0364;d-<lb/>
liche Zeig und Mittel vorgenommen werde/ daß de-<lb/>
ren Wu&#x0364;rckungen mehr Schaden thun als Nutzen<lb/>
bringen ko&#x0364;nnen. Und endlich der Gebrauch allzeit<lb/>
eine &#x017F;olche <hi rendition="#aq">Moderatio</hi>n in acht nehme/ der die Hoff-<lb/>
nung mehr erhalte als austilge.</p>
              </div><lb/>
              <div n="5">
                <head> <hi rendition="#b">Die Wendung.</hi> </head><lb/>
                <p>J&#x017F;t die andere Haupt-Bezeigung/ &#x017F;o durch den<lb/>
Gebrauch und Wu&#x0364;rckung des Zaums von dem<lb/>
Reuter bey den Pferden ge&#x017F;uchet wird: und zwar<lb/>
nicht allein nach der natu&#x0364;rlichen Vernunfft und Er-<lb/>
forderung/ &#x017F;o in der&#x017F;elben Unterwei&#x017F;ung und allem<lb/>
Gebrauch fu&#x0364;rfallen kan: &#x017F;ondern nach der Go&#x0364;ttli-<lb/>
chen Anzeigung &#x017F;elber/ welche alle die&#x017F;elbe eben no&#x0364;thig<lb/>
befinden/ wann die Pferde anders zu allem Gebrauch<lb/>
tu&#x0364;chtig gemachet werden &#x017F;ollen. Daß &#x017F;ie aber nun in<lb/>
&#x017F;olchem Fall je vollkommener &#x017F;eyn/ als &#x017F;ie &#x017F;ich willig<lb/>
und ge&#x017F;chwind erwei&#x017F;en/ und daß &#x017F;ie in der Bezeigung<lb/>
nimmermehr zu hurtig und fertig &#x017F;eyn ko&#x0364;nnen/ erwei-<lb/>
&#x017F;et abermahl das Bibli&#x017F;che Exempel: dann in der<lb/>
gefa&#x0364;hrlichen Schlacht wider die Syrer/ &#x017F;tunde den<lb/>
J&#x017F;raeliti&#x017F;chen Ko&#x0364;nigen/ die Erhaltung ihres Lebens<lb/>
vornemlich in der eilfertigen Wendung der Pferde/<lb/>
&#x017F;ie dadurch der gro&#x017F;&#x017F;en Gefahr zu entfernen. Als<lb/>
auch der Ko&#x0364;nig Joram &#x017F;elb&#x017F;t &#x017F;eine Flucht durch die<lb/>
Wendung anfangen und fort&#x017F;etzen mu&#x017F;te/ welches<lb/>
in dem Theil/ des rechten Gebrauchs der Pferde/<lb/>
mehrers erhellen wird.</p>
              </div><lb/>
              <div n="5">
                <head> <hi rendition="#b">Das Auff- und Jnnhalten/<lb/>
Pariren.</hi> </head><lb/>
                <p>J&#x017F;t die dritte Haupt-Bezeigung/ &#x017F;o der Reuter<lb/>
durch des Zaums Wu&#x0364;rckung und Gebrauch bey den<lb/>
Pferden &#x017F;uchet.</p><lb/>
                <p>Und zwar darumb das no&#x0364;thig&#x017F;te und vornehm&#x017F;te/<lb/>
weil die Pferde auch wol durch andere Mittel fortge-<lb/>
bracht/ geleitet und gewendet/ aber &#x017F;onder des Zaums<lb/>
Gebrauch nicht al&#x017F;o inngehalten werden ko&#x0364;nnen/ da-<lb/>
hero neben der ho&#x0364;ch&#x017F;ten Nothwendigkeit der&#x017F;elben er-<lb/>
&#x017F;cheinet/ wie &#x017F;ie auch am aller&#x017F;orgfa&#x0364;ltig&#x017F;ten in Acht zu<lb/>
nehmen/ und zu gebrauchen/ wie &#x017F;olche nicht minder<lb/>
als die vorigen/ in heiliger Schrifft &#x017F;o kla&#x0364;rlich ange-<lb/>
zeiget und gegru&#x0364;ndet/ und aus der ta&#x0364;glichen Erfah-<lb/>
rung zu befinden/ von welchem in den Theilen der Un-<lb/>
terwei&#x017F;ung und rechtem Gebrauch der Pferde die <hi rendition="#aq">Spe-<lb/>
cialia</hi> folgen &#x017F;ollen.</p><lb/>
                <fw place="bottom" type="catch">Die&#x017F;e</fw><lb/>
              </div>
            </div>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[207/0219] Pferde-Schatz. ten) dem Zaum Gehorſam leiſten/ und deſſen Erin- nerungen gewohnen/ allzeit zu folgen. Beſtehet alſo dieſer Nutzen in deß Zaumes Wuͤrckung allein/ ſo durch die Leitung und Regierung vollbracht wird. Dann je minder der Reuter innerliche und aͤuſ- ſerliche Hinderungen an dem Pferd befinden/ und ſich dabey der boͤſen Zaͤumungs-Mittel und derſelben un- maͤſſigen Gebrauchs gegen dem Pferde enthalten wird/ ſo viel wird er auch dem Pferde ſeines Ungehor- ſambs in den meiſten Bezeigungen (der Vernunfft und Vermuthung nach) enthalten lernen. Hierinnen nun hat der Zaͤumer ſeine Geſchicklig- keit zu bezeigen ſo viel genugſame Mittel/ als es an ihme ſelber ſo ſchwer zu erlangen/ als hoch zu halten iſt. Wie er hergegen ſeine Unvollkommenheit allzu- mercklich erſcheinen laſſen wird/ wann man ſo wol aus der boͤſen Zaͤumung als ungehorſamen Pferden abnehmen kan/ daß es ihm an der rechten Erkaͤntnuͤß des Pferdes innerlicher und aͤuſſerlicher Beſchaffen- heit mangelt/ viel weniger wiſſe wie die gute zu erlan- gen und zu erhalten/ hergegen die boͤſen zu verhindern und abzuſchaffen. Noch mehr aber/ wann er ſeine eigene Begierden/ Zorn/ Unwillen und Verdruß (uͤ- ber den ſchlechten Fortgang/ des Pferdes Widerſez- zen/ ja wider ſich ſelber/ daß er ſolches nicht zu verbeſ- ſern oder zu aͤndern weiß/) ſelber nicht zaͤumen kan/ ſondern daß ihn das Pferd nicht verſtehen/ ihm nachgeben/ noch folgen wil/ gleichſam enttzuͤnden laͤſ- ſet/ hat er Urſach uͤber Urſach/ an ſich ſelber die Zaͤu- mung von neuen anzufangen/ und ſeine Fehler ſo viel zu maͤſſigen/ als ihn ſelbige Unordnung ſeiner unge- zaͤumten Begierden an des Pferdes Zaͤumung viel gehindert haben/ und als viel ſie ihn angereitzet und uͤberwunden/ daß Pferde zur ungelegenen Zeit und Ort/ uͤber die Maſſe mit dem Zaum zu ſtraffen/ da- von es zuviel beleidiget/ und von ſolchen Verletzungen auch ſo unordentlich werden koͤnnen. Dann ſo hoch die Pferde zu halten/ welche die gute Zaͤumung gedulden/ annehmen und behalten/ weil ihnen auch dieſelbe Anfangs ungewohnet/ ob ſie ih- nen gleich unſchaͤdlich iſt/ ſo wenig ſeynd die geringen wegen ihres Unwillen zu verdencken/ zu ſtraffen/ oder zu verwerffen/ welche ſich der boͤſen Zaͤumung nach Vermoͤgen widerſetzen/ worzu ſie von der Natur nach vernunfftigen Menſchen Exempel angeleitet werden. Weil aber gleichwol ſich auch ein ſolcher unverſeh- ner Extraodinari-Fall begeben koͤnte/ daß dem Pferd der Zaum in dem Maul ſchaͤrffer wuͤrckete/ als es ſein Beſchaffenheit erforderte: ſo wird der Reuter ſehr wol thun/ welcher auff ſolchen Fall/ damit ſein Pferd durch einige Verſuchungs-Prob verſichert/ auff daß es auff den Erfolg nicht in allzugroſſe Be- frembdung fallen/ oder gefaͤhrliches und ſehr ſchaͤdli- ches begehen moͤchte: wann er ſein Pferd (welches in des Zaums Gehorſam und Gebrauch genugſam ver- ſicherte) mit einer oder der andern maͤſſigen Briglitata verſuchet/ und wie es ſich darauff verhalte/ probiret/ er ſich dann/ wann ihm dergleichen ein anders mal in wichtigen Handlungen von ungefaͤhr/ oder dem Feind begegnen ſolte/ nicht zu beſorgen habe/ daß es dadurch in gaͤntzliche Unordnung oder Deſperation gerathen moͤchte. Solche Verſuchung aber iſt nicht allein in der Maaß/ ſondern auch in der Zahl je weniger je beſſer zu gebrauchen. Und zwar nicht zu aller Zeit/ an jedem Ort/ da leichtlich eben das daraus erfolgen moͤchte/ was er damit vorzukommen ver- meinet. Und beſtehet der rechte Unterſchied zwiſchen ſolcher guten und boͤſen Verſuchung in dieſen Eigenſchaff- ten/ daß 1. die Jntention und Frucht zur Verbeſſerung und Verſicherung des Reuters wie des Pferdes ge- deyen moͤgen. 2. Die Art aber nicht durch ſo ſchaͤd- liche Zeig und Mittel vorgenommen werde/ daß de- ren Wuͤrckungen mehr Schaden thun als Nutzen bringen koͤnnen. Und endlich der Gebrauch allzeit eine ſolche Moderation in acht nehme/ der die Hoff- nung mehr erhalte als austilge. Die Wendung. Jſt die andere Haupt-Bezeigung/ ſo durch den Gebrauch und Wuͤrckung des Zaums von dem Reuter bey den Pferden geſuchet wird: und zwar nicht allein nach der natuͤrlichen Vernunfft und Er- forderung/ ſo in derſelben Unterweiſung und allem Gebrauch fuͤrfallen kan: ſondern nach der Goͤttli- chen Anzeigung ſelber/ welche alle dieſelbe eben noͤthig befinden/ wann die Pferde anders zu allem Gebrauch tuͤchtig gemachet werden ſollen. Daß ſie aber nun in ſolchem Fall je vollkommener ſeyn/ als ſie ſich willig und geſchwind erweiſen/ und daß ſie in der Bezeigung nimmermehr zu hurtig und fertig ſeyn koͤnnen/ erwei- ſet abermahl das Bibliſche Exempel: dann in der gefaͤhrlichen Schlacht wider die Syrer/ ſtunde den Jſraelitiſchen Koͤnigen/ die Erhaltung ihres Lebens vornemlich in der eilfertigen Wendung der Pferde/ ſie dadurch der groſſen Gefahr zu entfernen. Als auch der Koͤnig Joram ſelbſt ſeine Flucht durch die Wendung anfangen und fortſetzen muſte/ welches in dem Theil/ des rechten Gebrauchs der Pferde/ mehrers erhellen wird. Das Auff- und Jnnhalten/ Pariren. Jſt die dritte Haupt-Bezeigung/ ſo der Reuter durch des Zaums Wuͤrckung und Gebrauch bey den Pferden ſuchet. Und zwar darumb das noͤthigſte und vornehmſte/ weil die Pferde auch wol durch andere Mittel fortge- bracht/ geleitet und gewendet/ aber ſonder des Zaums Gebrauch nicht alſo inngehalten werden koͤnnen/ da- hero neben der hoͤchſten Nothwendigkeit derſelben er- ſcheinet/ wie ſie auch am allerſorgfaͤltigſten in Acht zu nehmen/ und zu gebrauchen/ wie ſolche nicht minder als die vorigen/ in heiliger Schrifft ſo klaͤrlich ange- zeiget und gegruͤndet/ und aus der taͤglichen Erfah- rung zu befinden/ von welchem in den Theilen der Un- terweiſung und rechtem Gebrauch der Pferde die Spe- cialia folgen ſollen. Dieſe

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/pinter_pferdschatz_1688
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/pinter_pferdschatz_1688/219
Zitationshilfe: Pinter von der Au, Johann Christoph: Neuer, vollkommener, verbesserter und ergänzter Pferd-Schatz. Frankfurt (Main), 1688, S. 207. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/pinter_pferdschatz_1688/219>, abgerufen am 23.11.2024.