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Pichler, Adolf: Der Flüchtling. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 13. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 233–318. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.

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Mamos, schossen auch einen französischen Offizier und einen Soldaten zusammen; den Naz erkannten sie zu spät, sonst hätt' er Reu und Leid machen können! -- aber sie mußten vor der Uebermacht davon laufen und konnten dem Anton gerade noch rechtzeitig Bericht erstatten, daß er nicht abgeschnitten wurde. Wie eine schlammige Mur ergossen sich die Franzosen in das Thal. Weiber und Mädchen hatten sich mit den besten Sachen vor den Lumpen auf die Almen geflüchtet, nur alte Männer waren zurückgeblieben, um von den Häusern das Aergste abzuwenden. Gesindel giebt es jedoch überall, auch im Achenthal, und so gesellten sich zu den Franzosen bald Solche, die ihnen gegen das Versprechen eines Antheiles die reichsten Güter, wo etwas zu stehlen oder erpressen war, zeigten. Es läßt sich nicht beschreiben, wie sie die Leute marterten; an den Wehrlosen wollten sie die tapfere Vertheidigung des Thales rächen.

Klaus hatte, wie er an den Paß eilte, nicht mehr Zeit gehabt, beim Nidinger nachzuschauen, jetzt vor Abend schlich er durch den dichten Wald zum Stadel vor, um zu spähen. Schon von weitem hörte er ein jämmerliches Geschrei. Dem Zaun nach kroch er auf allen Vieren zur Hinterthür. Sie war offen. Er eilte, den Stutzen gespannt, zur Stube. Sie war leer, doch lehnten vor der Bank sechs französische Gewehre. Vorsichtig guckte er durch das Fenster. Drei Soldaten hielten den alten Nidinger auf dem

Mamos, schossen auch einen französischen Offizier und einen Soldaten zusammen; den Naz erkannten sie zu spät, sonst hätt' er Reu und Leid machen können! — aber sie mußten vor der Uebermacht davon laufen und konnten dem Anton gerade noch rechtzeitig Bericht erstatten, daß er nicht abgeschnitten wurde. Wie eine schlammige Mur ergossen sich die Franzosen in das Thal. Weiber und Mädchen hatten sich mit den besten Sachen vor den Lumpen auf die Almen geflüchtet, nur alte Männer waren zurückgeblieben, um von den Häusern das Aergste abzuwenden. Gesindel giebt es jedoch überall, auch im Achenthal, und so gesellten sich zu den Franzosen bald Solche, die ihnen gegen das Versprechen eines Antheiles die reichsten Güter, wo etwas zu stehlen oder erpressen war, zeigten. Es läßt sich nicht beschreiben, wie sie die Leute marterten; an den Wehrlosen wollten sie die tapfere Vertheidigung des Thales rächen.

Klaus hatte, wie er an den Paß eilte, nicht mehr Zeit gehabt, beim Nidinger nachzuschauen, jetzt vor Abend schlich er durch den dichten Wald zum Stadel vor, um zu spähen. Schon von weitem hörte er ein jämmerliches Geschrei. Dem Zaun nach kroch er auf allen Vieren zur Hinterthür. Sie war offen. Er eilte, den Stutzen gespannt, zur Stube. Sie war leer, doch lehnten vor der Bank sechs französische Gewehre. Vorsichtig guckte er durch das Fenster. Drei Soldaten hielten den alten Nidinger auf dem

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Thomas Weitin: Herausgeber
Digital Humanities Cooperation Konstanz/Darmstadt: Bereitstellung der Texttranskription. (2017-03-23T13:06:45Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
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Zitationshilfe: Pichler, Adolf: Der Flüchtling. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 13. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 233–318. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/pichler_fluechtling_1910/42>, abgerufen am 28.03.2024.