Pichler, Adolf: Der Flüchtling. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 13. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 233–318. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.mit mehr Andacht, als gewöhnlich. Er stand etwas vorgebeugt vor einem Steinhaufen; von Zeit zu Zeit ein kleines Rauchwölkchen aus der Pfeife blasend, zerklopfte er emsig die größeren Stücke und schob sie in die ausgefahrenen Furchen der Straße. Auf dem Zaune hing sein grobwollener Kotzen, daneben ein Säckchen mit einem Stück rauhen Bohnenbrotes und einer Butterschachtel, das Mittagsessen des ehrwürdigen Alten. Ich rief ihn an: Wie geht's? Er strich das sparsame graue Haar aus der hohen Stirn und betrachtete mich mit den großen wasserblauen Augen, als ob er sich erst besinnen müßte. Ja ja, sagte er endlich, jetzt kenn' ich Euch erst wieder, ihr seid ja der Steindlnarr, -- verzeih' mir's Gott, daß ich Euch so heiße, aber die Leute nennen Euch so, weil ihr alle Felsen abhämmert; wo kommt Ihr her? Vom Unutz. Ich bin durch die Runse herab, und hab' Eure Hütte gesehen! Meine Hütte? Ihr schnuffelt doch Alles aus! Ich bin jetzt viele Jahre nicht mehr dort gewesen, muß aber vor meinem letzten End' doch noch einmal hinauf und dem Herrgott danken. Nun -- Euch geht die Sache gerade nichts an. Er fing wieder an zu klopfen, plötzlich stützte er sich auf den Stiel des Hammers: Ist sie noch nicht aus den Fugen? Einige Pfähle stehen noch, sonst ist Alles ein Trümmerhaufen. mit mehr Andacht, als gewöhnlich. Er stand etwas vorgebeugt vor einem Steinhaufen; von Zeit zu Zeit ein kleines Rauchwölkchen aus der Pfeife blasend, zerklopfte er emsig die größeren Stücke und schob sie in die ausgefahrenen Furchen der Straße. Auf dem Zaune hing sein grobwollener Kotzen, daneben ein Säckchen mit einem Stück rauhen Bohnenbrotes und einer Butterschachtel, das Mittagsessen des ehrwürdigen Alten. Ich rief ihn an: Wie geht's? Er strich das sparsame graue Haar aus der hohen Stirn und betrachtete mich mit den großen wasserblauen Augen, als ob er sich erst besinnen müßte. Ja ja, sagte er endlich, jetzt kenn' ich Euch erst wieder, ihr seid ja der Steindlnarr, — verzeih' mir's Gott, daß ich Euch so heiße, aber die Leute nennen Euch so, weil ihr alle Felsen abhämmert; wo kommt Ihr her? Vom Unutz. Ich bin durch die Runse herab, und hab' Eure Hütte gesehen! Meine Hütte? Ihr schnuffelt doch Alles aus! Ich bin jetzt viele Jahre nicht mehr dort gewesen, muß aber vor meinem letzten End' doch noch einmal hinauf und dem Herrgott danken. Nun — Euch geht die Sache gerade nichts an. Er fing wieder an zu klopfen, plötzlich stützte er sich auf den Stiel des Hammers: Ist sie noch nicht aus den Fugen? Einige Pfähle stehen noch, sonst ist Alles ein Trümmerhaufen. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0015"/> mit mehr Andacht, als gewöhnlich. Er stand etwas vorgebeugt vor einem Steinhaufen; von Zeit zu Zeit ein kleines Rauchwölkchen aus der Pfeife blasend, zerklopfte er emsig die größeren Stücke und schob sie in die ausgefahrenen Furchen der Straße. Auf dem Zaune hing sein grobwollener Kotzen, daneben ein Säckchen mit einem Stück rauhen Bohnenbrotes und einer Butterschachtel, das Mittagsessen des ehrwürdigen Alten.</p><lb/> <p>Ich rief ihn an: Wie geht's?</p><lb/> <p>Er strich das sparsame graue Haar aus der hohen Stirn und betrachtete mich mit den großen wasserblauen Augen, als ob er sich erst besinnen müßte. Ja ja, sagte er endlich, jetzt kenn' ich Euch erst wieder, ihr seid ja der Steindlnarr, — verzeih' mir's Gott, daß ich Euch so heiße, aber die Leute nennen Euch so, weil ihr alle Felsen abhämmert; wo kommt Ihr her?</p><lb/> <p>Vom Unutz. Ich bin durch die Runse herab, und hab' Eure Hütte gesehen!</p><lb/> <p>Meine Hütte? Ihr schnuffelt doch Alles aus! Ich bin jetzt viele Jahre nicht mehr dort gewesen, muß aber vor meinem letzten End' doch noch einmal hinauf und dem Herrgott danken. Nun — Euch geht die Sache gerade nichts an. Er fing wieder an zu klopfen, plötzlich stützte er sich auf den Stiel des Hammers: Ist sie noch nicht aus den Fugen?</p><lb/> <p>Einige Pfähle stehen noch, sonst ist Alles ein Trümmerhaufen.</p><lb/> </div> </body> </text> </TEI> [0015]
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Ich rief ihn an: Wie geht's?
Er strich das sparsame graue Haar aus der hohen Stirn und betrachtete mich mit den großen wasserblauen Augen, als ob er sich erst besinnen müßte. Ja ja, sagte er endlich, jetzt kenn' ich Euch erst wieder, ihr seid ja der Steindlnarr, — verzeih' mir's Gott, daß ich Euch so heiße, aber die Leute nennen Euch so, weil ihr alle Felsen abhämmert; wo kommt Ihr her?
Vom Unutz. Ich bin durch die Runse herab, und hab' Eure Hütte gesehen!
Meine Hütte? Ihr schnuffelt doch Alles aus! Ich bin jetzt viele Jahre nicht mehr dort gewesen, muß aber vor meinem letzten End' doch noch einmal hinauf und dem Herrgott danken. Nun — Euch geht die Sache gerade nichts an. Er fing wieder an zu klopfen, plötzlich stützte er sich auf den Stiel des Hammers: Ist sie noch nicht aus den Fugen?
Einige Pfähle stehen noch, sonst ist Alles ein Trümmerhaufen.
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Zitationshilfe: | Pichler, Adolf: Der Flüchtling. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 13. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 233–318. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/pichler_fluechtling_1910/15>, abgerufen am 16.07.2024. |