Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Philippi, Johann Ernst: Regeln und Maximen der edlen Reimschmiede-Kunst, auch kriechender Poesie. Altenburg, 1743.

Bild:
<< vorherige Seite

nach mathematischer Lehr-Art.
drigten Gedanken euch mit der Zeit noch über-
träfe, kann ich zum voraus nicht wissen: es müß-
te denn ein neuer großer Poete kommen, der
so geschickt Contre-Dame als rechte Dame in
Versen zu spielen wüßte, so daß er die Regeln
der neuen Poesie zum Spaße glatt umkehrte,
und sich selbst in einen Pantomimen verlarvte.

Andere Erfahrung.

§ 35. Eine gewisse berühmte Comödianten-
Bande stellte einsmal ein lustiges Nachspiel
vor, dadurch sich ein anwesender Zuschauer, ein
großer Dichter von der neuesten Facon, sehr
touchirt befand. Er protestirte und appellirte
gegen die weitere Fortspielung dergleichen Nach-
spiels, welches er auf sich gemünzet, und sich,
selbst darinn agirt zu seyn, einbildete. Seine
Appellationen aber wurden verworfen, und es
kam darauf ein Gedichte von sechs Bogen von
Berlin, unterm Titel eines Vorspieles, darinn
er gewaltig herumgenommen ist. Da man nun
aus dem, was andern begegnet, billig Regeln
der Witzigung
sich zu nehmen pfleget: So
will ich hiedurch alle löblichen Zunftgenossen der
edlen Hans-Sachsen- und Froschmäusler-Ge-
sellschaft verwarnet haben, es nicht mit den Co-
mödianten
zu verderben, weil es nützliche Werk-
zeuge sind, durch solche unsern Gegnern, den
neuen Poeten, eins anhängen, und, wenn sie
sich darüber beleidigt befinden, durch Achtgro-
schen-Pasquille
noch besser abtrumpfen zu kön-

nen.
C 3

nach mathematiſcher Lehr-Art.
drigten Gedanken euch mit der Zeit noch uͤber-
traͤfe, kann ich zum voraus nicht wiſſen: es muͤß-
te denn ein neuer großer Poete kommen, der
ſo geſchickt Contre-Dame als rechte Dame in
Verſen zu ſpielen wuͤßte, ſo daß er die Regeln
der neuen Poeſie zum Spaße glatt umkehrte,
und ſich ſelbſt in einen Pantomimen verlarvte.

Andere Erfahrung.

§ 35. Eine gewiſſe beruͤhmte Comoͤdianten-
Bande ſtellte einsmal ein luſtiges Nachſpiel
vor, dadurch ſich ein anweſender Zuſchauer, ein
großer Dichter von der neueſten Façon, ſehr
touchirt befand. Er proteſtirte und appellirte
gegen die weitere Fortſpielung dergleichen Nach-
ſpiels, welches er auf ſich gemuͤnzet, und ſich,
ſelbſt darinn agirt zu ſeyn, einbildete. Seine
Appellationen aber wurden verworfen, und es
kam darauf ein Gedichte von ſechs Bogen von
Berlin, unterm Titel eines Vorſpieles, darinn
er gewaltig herumgenommen iſt. Da man nun
aus dem, was andern begegnet, billig Regeln
der Witzigung
ſich zu nehmen pfleget: So
will ich hiedurch alle loͤblichen Zunftgenoſſen der
edlen Hans-Sachſen- und Froſchmaͤusler-Ge-
ſellſchaft verwarnet haben, es nicht mit den Co-
moͤdianten
zu verderben, weil es nuͤtzliche Werk-
zeuge ſind, durch ſolche unſern Gegnern, den
neuen Poeten, eins anhaͤngen, und, wenn ſie
ſich daruͤber beleidigt befinden, durch Achtgro-
ſchen-Pasquille
noch beſſer abtrumpfen zu koͤn-

nen.
C 3
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <div n="4">
              <div n="5">
                <div n="6">
                  <p><pb facs="#f0045" n="37"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">nach mathemati&#x017F;cher Lehr-Art.</hi></fw><lb/><hi rendition="#fr">drigten Gedanken</hi> euch mit der Zeit noch u&#x0364;ber-<lb/>
tra&#x0364;fe, kann ich zum voraus nicht wi&#x017F;&#x017F;en: es mu&#x0364;ß-<lb/>
te denn ein <hi rendition="#fr">neuer großer Poete</hi> kommen, der<lb/>
&#x017F;o ge&#x017F;chickt <hi rendition="#fr">Contre-Dame</hi> als <hi rendition="#fr">rechte Dame</hi> in<lb/>
Ver&#x017F;en zu &#x017F;pielen wu&#x0364;ßte, &#x017F;o daß er die Regeln<lb/>
der <hi rendition="#fr">neuen Poe&#x017F;ie</hi> zum Spaße glatt umkehrte,<lb/>
und &#x017F;ich &#x017F;elb&#x017F;t in einen Pantomimen verlarvte.</p>
                </div>
              </div>
            </div>
          </div>
        </div><lb/>
        <div n="2">
          <head> <hi rendition="#b">Andere Erfahrung.</hi> </head><lb/>
          <p>§ 35. Eine gewi&#x017F;&#x017F;e beru&#x0364;hmte Como&#x0364;dianten-<lb/>
Bande &#x017F;tellte einsmal ein lu&#x017F;tiges <hi rendition="#fr">Nach&#x017F;piel</hi><lb/>
vor, dadurch &#x017F;ich ein anwe&#x017F;ender Zu&#x017F;chauer, ein<lb/><hi rendition="#fr">großer Dichter von der neue&#x017F;ten</hi> <hi rendition="#aq"><hi rendition="#i">Façon,</hi></hi> &#x017F;ehr<lb/>
touchirt befand. Er prote&#x017F;tirte und appellirte<lb/>
gegen die weitere Fort&#x017F;pielung dergleichen Nach-<lb/>
&#x017F;piels, welches er auf &#x017F;ich gemu&#x0364;nzet, und &#x017F;ich,<lb/><hi rendition="#fr">&#x017F;elb&#x017F;t darinn agirt</hi> zu &#x017F;eyn, einbildete. Seine<lb/>
Appellationen aber wurden verworfen, und es<lb/>
kam darauf ein Gedichte von <hi rendition="#fr">&#x017F;echs Bogen</hi> von<lb/>
Berlin, unterm Titel eines <hi rendition="#fr">Vor&#x017F;pieles,</hi> darinn<lb/>
er gewaltig herumgenommen i&#x017F;t. Da man nun<lb/>
aus dem, was andern begegnet, billig <hi rendition="#fr">Regeln<lb/>
der Witzigung</hi> &#x017F;ich zu nehmen pfleget: So<lb/>
will ich hiedurch alle lo&#x0364;blichen Zunftgeno&#x017F;&#x017F;en der<lb/>
edlen Hans-Sach&#x017F;en- und Fro&#x017F;chma&#x0364;usler-Ge-<lb/>
&#x017F;ell&#x017F;chaft verwarnet haben, es nicht mit den <hi rendition="#fr">Co-<lb/>
mo&#x0364;dianten</hi> zu verderben, weil es nu&#x0364;tzliche Werk-<lb/>
zeuge &#x017F;ind, durch &#x017F;olche un&#x017F;ern Gegnern, den<lb/>
neuen Poeten, eins anha&#x0364;ngen, und, wenn &#x017F;ie<lb/>
&#x017F;ich daru&#x0364;ber beleidigt befinden, durch <hi rendition="#fr">Achtgro-<lb/>
&#x017F;chen-Pasquille</hi> noch be&#x017F;&#x017F;er abtrumpfen zu ko&#x0364;n-<lb/>
<fw place="bottom" type="sig">C 3</fw><fw place="bottom" type="catch">nen.</fw><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[37/0045] nach mathematiſcher Lehr-Art. drigten Gedanken euch mit der Zeit noch uͤber- traͤfe, kann ich zum voraus nicht wiſſen: es muͤß- te denn ein neuer großer Poete kommen, der ſo geſchickt Contre-Dame als rechte Dame in Verſen zu ſpielen wuͤßte, ſo daß er die Regeln der neuen Poeſie zum Spaße glatt umkehrte, und ſich ſelbſt in einen Pantomimen verlarvte. Andere Erfahrung. § 35. Eine gewiſſe beruͤhmte Comoͤdianten- Bande ſtellte einsmal ein luſtiges Nachſpiel vor, dadurch ſich ein anweſender Zuſchauer, ein großer Dichter von der neueſten Façon, ſehr touchirt befand. Er proteſtirte und appellirte gegen die weitere Fortſpielung dergleichen Nach- ſpiels, welches er auf ſich gemuͤnzet, und ſich, ſelbſt darinn agirt zu ſeyn, einbildete. Seine Appellationen aber wurden verworfen, und es kam darauf ein Gedichte von ſechs Bogen von Berlin, unterm Titel eines Vorſpieles, darinn er gewaltig herumgenommen iſt. Da man nun aus dem, was andern begegnet, billig Regeln der Witzigung ſich zu nehmen pfleget: So will ich hiedurch alle loͤblichen Zunftgenoſſen der edlen Hans-Sachſen- und Froſchmaͤusler-Ge- ſellſchaft verwarnet haben, es nicht mit den Co- moͤdianten zu verderben, weil es nuͤtzliche Werk- zeuge ſind, durch ſolche unſern Gegnern, den neuen Poeten, eins anhaͤngen, und, wenn ſie ſich daruͤber beleidigt befinden, durch Achtgro- ſchen-Pasquille noch beſſer abtrumpfen zu koͤn- nen. C 3

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/philippi_reimschmiedekunst_1743
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/philippi_reimschmiedekunst_1743/45
Zitationshilfe: Philippi, Johann Ernst: Regeln und Maximen der edlen Reimschmiede-Kunst, auch kriechender Poesie. Altenburg, 1743, S. 37. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/philippi_reimschmiedekunst_1743/45>, abgerufen am 21.11.2024.