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Philippi, Johann Ernst: Regeln und Maximen der edlen Reimschmiede-Kunst, auch kriechender Poesie. Altenburg, 1743.

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24 unschmackhafte Reden
zu denken habe, um des andern Gedanken
völlig zu treffen, sonderlich wenn er so confus
schreibt, als bisher vom Verfasser deducirt
worden.
20. Wir sollten die beyden erhitzten Geg-
ner (Gronowen und Fellern) entscheiden.

Gewiß, der Autor hat große Jdeen von sich.
Er sagte kurz vorher: Die sämmtliche Her-
ren Critici hätten ihn und seinen Reisegefähr-
ten
umringet, und gebeten, zween ihrer be-
rühmtesten
Criticorum aus einander zu setzen.
Aber mein! wie kan der Autor solch elend
Zeug
erdichten? Es ist den Criticis nie in
die Gedanken
kommen, einen so erbärmlichen
Schiedsrichter
zwischen Gronowen und Fel-
lern
zu erwehlen. Jedoch er kann sich gut
heraushelfen. Er sagte oben pag. 4. es habe
ihm nur so geträumet. Aber ich wollte ihm
rathen, er lernte erst besser träumen, oder
belästigte die so schon mit Chartequen gnug
überhäufte
Buchläden nicht auch noch mit sei-
nen abgeschmackten Träumen.
21. Kaum waren wir hundert Schritte
fortgegangen.
Ein Scribent, der, wie der
Autor, die kleinsten Fehlet anderer hoch auf-
mutzet,
und infallible Regeln eines vollkom-
menen Geschmacks
geben will, muß billig
auch von jedem seiner gethanen Schritte Re-
chenschaft und rationem sufficientem angeben
können. Warum sagt er also, daß er eben
hundert Schritte von den Criticis sich entfer-
net
24 unſchmackhafte Reden
zu denken habe, um des andern Gedanken
voͤllig zu treffen, ſonderlich wenn er ſo confus
ſchreibt, als bisher vom Verfaſſer deducirt
worden.
20. Wir ſollten die beyden erhitzten Geg-
ner (Gronowen und Fellern) entſcheiden.

Gewiß, der Autor hat große Jdeen von ſich.
Er ſagte kurz vorher: Die ſaͤmmtliche Her-
ren Critici haͤtten ihn und ſeinen Reiſegefaͤhr-
ten
umringet, und gebeten, zween ihrer be-
ruͤhmteſten
Criticorum aus einander zu ſetzen.
Aber mein! wie kan der Autor ſolch elend
Zeug
erdichten? Es iſt den Criticis nie in
die Gedanken
kommen, einen ſo erbaͤrmlichen
Schiedsrichter
zwiſchen Gronowen und Fel-
lern
zu erwehlen. Jedoch er kann ſich gut
heraushelfen. Er ſagte oben pag. 4. es habe
ihm nur ſo getraͤumet. Aber ich wollte ihm
rathen, er lernte erſt beſſer traͤumen, oder
belaͤſtigte die ſo ſchon mit Chartequen gnug
uͤberhaͤufte
Buchlaͤden nicht auch noch mit ſei-
nen abgeſchmackten Traͤumen.
21. Kaum waren wir hundert Schritte
fortgegangen.
Ein Scribent, der, wie der
Autor, die kleinſten Fehlet anderer hoch auf-
mutzet,
und infallible Regeln eines vollkom-
menen Geſchmacks
geben will, muß billig
auch von jedem ſeiner gethanen Schritte Re-
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[286/0294] 24 unſchmackhafte Reden zu denken habe, um des andern Gedanken voͤllig zu treffen, ſonderlich wenn er ſo confus ſchreibt, als bisher vom Verfaſſer deducirt worden. 20. Wir ſollten die beyden erhitzten Geg- ner (Gronowen und Fellern) entſcheiden. Gewiß, der Autor hat große Jdeen von ſich. Er ſagte kurz vorher: Die ſaͤmmtliche Her- ren Critici haͤtten ihn und ſeinen Reiſegefaͤhr- ten umringet, und gebeten, zween ihrer be- ruͤhmteſten Criticorum aus einander zu ſetzen. Aber mein! wie kan der Autor ſolch elend Zeug erdichten? Es iſt den Criticis nie in die Gedanken kommen, einen ſo erbaͤrmlichen Schiedsrichter zwiſchen Gronowen und Fel- lern zu erwehlen. Jedoch er kann ſich gut heraushelfen. Er ſagte oben pag. 4. es habe ihm nur ſo getraͤumet. Aber ich wollte ihm rathen, er lernte erſt beſſer traͤumen, oder belaͤſtigte die ſo ſchon mit Chartequen gnug uͤberhaͤufte Buchlaͤden nicht auch noch mit ſei- nen abgeſchmackten Traͤumen. 21. Kaum waren wir hundert Schritte fortgegangen. Ein Scribent, der, wie der Autor, die kleinſten Fehlet anderer hoch auf- mutzet, und infallible Regeln eines vollkom- menen Geſchmacks geben will, muß billig auch von jedem ſeiner gethanen Schritte Re- chenſchaft und rationem ſufficientem angeben koͤnnen. Warum ſagt er alſo, daß er eben hundert Schritte von den Criticis ſich entfer- net

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Zitationshilfe: Philippi, Johann Ernst: Regeln und Maximen der edlen Reimschmiede-Kunst, auch kriechender Poesie. Altenburg, 1743, S. 286. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/philippi_reimschmiedekunst_1743/294>, abgerufen am 08.05.2024.